40 Parteien, nicht 5: Der Thread zum Kleinkram 21

ruyven_macaran

Trockeneisprofi (m/w)
Nach über 80 Seiten dreht sich der Thread zum Bundestagswahlkampf 2021 fast nur noch um Union und SPD. Vereinzelt Grüne und FDP zur Belustigung. Was ja auch okay ist, denn außer ein paar (wirklich) blöden Sprüchen von der AFD machen die den Wahlkampf untereinander aus.

Aber nicht die Wahl.
Da stellen 40 Parteien ihre Thesen vor und Aufgabe des Wählers ist es zu sagen, welche davon er am besten oder zumindest am wenigsten schlimm findet.

Deswegen ist es höchste Zeit für einen Thread, in dem nicht über Kanzlerkandidatenversprecher, sondern mal über Inhalte und Ziele geredet wird. Die Umfrageergebnisse der letzten Wochen kann ich mir nämlich nur nach dem Muster erklären "FDP/AFD/Linke wählen viele aus Prinzip nicht, der Rest verteilt sich nach dem Zufallsprinzip mehr oder minder gleich, weil nichts so wirklich begeistert".
Wahlen sollten aber nicht nach dem Zufallsprinzip entschieden werden, Wahlen sind das wichtigste Element eine funktionierenden Demokratie. Und sie leben davon, dass man SEINE Wahl trifft, unabhängig von (vermeintlich) fehlenden oder (vermeintlich) vorhandenen Kanzler-Chancen.

Deswegem zur Einleitung etwas FAQ, in weiteren Posts kann dann jeder Parteien vorstellen, die er interessant (nicht zwingend gut) findet, die bislang aber zuwenig Beachtung gefunden haben, weil alle nur über Schwarz/Rot/Grün reden. Wenn ich mich richtig erinnere, haben wir hier jede Menge Piraten, ein paar FDP-Fans, mehrere offensichtliche AFD- und NPDler, einige bekennende Linken-Anhänger und mindestens einen sehr aktiven MLPDler. Sollte also ein bunter Thread werden.

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Frequently Unknown Answers


Aber es ist doch egal, ob man für kleinere Parteien oder einfach gar nicht abstimmt? Und letzteres geht von zu Hause aus.

NEIN! Wir haben aktuell sechs Parteien im Bundestag sitzen und vier davon sind erst in den letzten 3-4 Jahrzehnten eingezogen. Die waren alle mal klein oder inexistent und nur weil sie auch damals jemand gewählt hat, konnten sie groß werden und geben heute (mehr oder minder) wichtigen Input. Also: Stimmen für kleine Parteien sind wichtig. Nur so kann sich Demokratie erneuern. (Und wählen geht übrigens auch von zu Hause, auch wenn es jetzt etwas spät für die Beantragung von Briefwahl ist.)

Aber in dem ich meine Stimme einer Partei gebe, die nicht an die Regierung kommt, kann ich die Politik nicht richtige Richtung lenken.

Und wenn du stattdessen deine Stimme einer Partei gibst, die das Falsche will, dann lenkst du sogar in Gegenrichtung.

Ich will aber, dass meine Stimme Einfluss hat!

Und das hat sie auch dann, wenn sie einer kleinen Partei gibst. Denn die großen schauen genau hin, was sich tut: Grünen-Erfolg nach Fukushima => (verkorkster) Atomausstieg bei der Union. Piratenerfolge => Internet-Inhalte in allen Wahlprogrammen (an denen auch aktiv gearbeitet wurde, solange die Piraten auf ihrer Erfolgswelle ritten). Durchbruch der AFD => Rechtsextremismus bei der CSU (und CDU. Und manchmal auf FDP und Linke). Spitzenpolitiker sind keine unvorsehbaren Lügner, sondern stimmengeile Arschlöcher. Und damit leicht manipulierbar - wenn die Wähler klarstellen, dass für Einsatz im Bereich X Stimmen gibt, dann setzt sich auch jemand für X ein. Aktuell kommunziert der Wähler halt "eloquente Ausdrucksweise bei Maischberger und Lanz ist das einzige, was zählt." "Reichweite dank Lobbysupport haben" wird bislang auch belohnt, also haben wir eine Mischung aus Talkshow-Experten und Lobbyhuren als Spitzenkandidaten und in den Spitzenriegen, aber niemanden, den man ein Land regieren sehen möchte. Wer will, dass sich das ändert, kann nächsten Sonntag dazu beitragen.

Aber alle Parteien außer CDU/SPD sind, haben doch sowieso keine Regierungskompetenz!

wieso "außer"?
Stimmt prinzipiell, greift aber zu kurz: Kleine Parteien haben sie jetzt nicht. Umfassende Kompetenz jetzt braucht es aber nur bei der Regierungspartei, nicht beim Juniorpartner. Die Grünen hätten zu Schröderzeiten z.B. garantiert keinen kompetenten Verteidigungsminister stellen können, aber die Erfolge von Fischer, Trittin und Künast können selbst die nicht abstreiten, der die Richtung des Erreichten gegen den Strich ging. Für Parteien, die man gemäß des letzten Absatzes wählt, um bislang komplett vernachlässigte Themengebiete ins politische Rampenlicht zu bringen, reicht sogar reine Fachkompetenz in eben diesen (z.B. die Linke im Sachen Putinschmeicheln, wenn man das will). Das Methodische kann bis zu einer etwaigen Regierungsbeteiligung ja noch reifen.

Aber kann eine kleine Partei überhaupt professionell werden?

Ja. WENN sie gewählt wird. Bei den Grünen hat es zwar noch 20 Jahre gedauert, aber z.B. die Piraten haben sich dank ihrer Affinität zu modernen Kommunikationsformen sehr schnell sehr weit entwickelt und treten mittlerweile auf Europaebene durchaus kompetent auf. Die AFD ist mittlerweile auch in der Lage, Formalia einzuhalten, wenn sie das will und viele Kleinparteien bilden sich ohnehin durch Abspaltungen heraus – die Spitze von "Team Todenhöfer" hat offensichtlich alle Kompetenzen eines erfahrenen Unionlers. Aber gute Politik braucht Zeit, Arbeitszeit. Letztlich verlangt von Oppositionsparteien, dass sie alles besser wissen sollen als Regierungsparteien, die dafür hunderte, tausende Regierungs-Vollzeitstellen (nebst leyenhaften und bescheuerten Beratern) haben. Das bekommt man nicht in 1-2 Stunden am Feierabend hin (naja - bei einigen Schwarz-Rot-Vorlagen schon.) und damit (Fach)Leute wesentlich mehr Zeit und Hirnschmalz in politische Konzepte investieren können, brauchen Partein Geld, von dem die leben können. Und dieses Geld kriegen Parteien aus Bundesmitteln, wenn sie Wahlerfolge vorweisen können, aus Spenden, wenn sie mit Wahlerfolgen Aufmerksamkeit erlangen, aus Mitgliedsbeiträgen, wenn sie durch Wahlerfolge Bekanntheit und Mitglieder erlangen,... – Mehr Stimmen in einer Wahl helfen einer Partei dabei, sich bis zur nächsten Wahl weiterzuentwickeln und umgekehrt. Die beste Möglichkeit, diese Spirale zu starten: Einfach mal eine Partei wählen, die gute Ideen hat, auch wenn Details noch in Arbeit ist. Wichtig ist nur, dass sie nicht umgekehrt schon Fehler zeigt - "wir denken in Richtung X sind aber noch nicht ganz da" ist legitim "wir denken in Richtung X, behaupten aber schon mal Y" ist ein Hinweis auf Unfähigkeit und populistische Spinner.

Aber entsteht nicht schnell der falsche Eindruck, wenn man irgendwelche Spinner wählt?

Yep, tut er. Weswegen auch die Wahl einer wird-sowieso-nicht-Regierungspartei gut überlegt sein will. Denn auch da gibt es Andersdenkende und Nichtdeckende = Spinner.
Die Wahl von Spartenparteien, die in einzelnen Punkten hervorhebenswerte Konzepte vertreten, sendet zum Beispiel eine klare Botschaft an die restlichen Parteien. Und die Auswahl ist groß - Tierschutz, Vorzugsbehandlung für Senioren, europäische Integration, systematische Unterdrückung von Nicht-Ariern, tierfreie Ernährung und sogar verschiedene Formen real (noch-nicht-)existierenden Sozialismus sind im Angebot. Nur die Partei zur Abspaltung Bayerns scheint nicht nachvollziehbaren Gründen vor allem in Bayern anzutreten, dabei würde sie überall anders doch viel mehr Zustimmung erhalten, aber die Message ist jeweils klar.
Ganz anders sieht das bei populistischen Parteien aus. Wenn ein Kandidat zu jedem Thema eine Meinung hat und zufällig immer eine, die (zumindest in den Ohren Einiger) ganz toll und einfach klingt, obwohl komplexe Probleme nie einfache Lösungen haben, und zum Teil sogar Teilen des eigenen Wahlprogramms (oder dem Grundgesetz oder Naturgesetzen) widerspricht, dann würde zumindest ich die Finger davon lassen. 11-12% der Deutschen sehen das zwar anders und wählen Populisten sogar bis ins Parlament, aber das ist offensichtlich der falsche Weg. Bei der AFD dauerte es 10-15 Jahre voller "bürgerlich?" "konservativ?" gedauert und noch immer ist nicht allen klar, dass die Botschaft "rechtsextrem ist geil" lautet. Und selbst wenn die Message irgendwann klar wird, hilft das noch nichts, solange der Inhalt Stuss ist. Und das sage ich unabhängig von Richtung und Radikalität, da geht es um die Konsistenz. Man kann sogar fordern, sämtliche deutsche Unternehmen zu verstaatlichen und die Planwirtschaft einzuführen und sich einer kommunistischen Internationale anzuschließen, wenn man sich darüber im klaren ist, dass eine Diktatur des Proletariats immer noch eine Diktatur ist und die kommunistische Internationale nur noch aus Kuba besteht. Das ist zwar durchgeknallt, aber durchdacht und somit kein Stuss. Aber man kann nicht die Schließung der Grenzen fordern und gleichzeitig versprechen, dass die exportabhängige deutsche Wirtschaft weiterhin genug bezahlte Abreitsplätze bereitstellt. Das ist Bullshit und wenn eine Message gibt, die man an Schwarz/Rot/Grün nun wirklich nicht senden muss, dann ja wohl "wir wollen mehr Bullshit".
Zu guter letzt gibt es noch die Spaß-/Protestparteien. Naja - oder eher Einzahl die PARTEI, denn die Anarchisten waren wohl zu spät nüchtern und selbst die HipHopper und die von göttlicher Liebe erfüllten wollen ernstgenommen werden. Die PARTEI will natürlich auch Bullshit, aber das so offensichtlich, dass es zum Teil der Message wird: "Ich finde alle etablierten Parteien scheiße, weiß aber ehrlich gesagt auch nicht, was ich statt dessen will. Auf alle Fälle keine links/mitte/rechtsextremen, also bitte denkt euch was neues aus" IST auch eine Message. Keine, die Politiker wirklich nach vorne bringt, aber zumindest eine, die sie nicht in die falsche Richtung davon zischen lässt. Wer einfach nur "irgendwas anderes" wählen möchte, macht sein Kreuz also bitte bei einer Spaßpartei, nicht bei Populisten.
 
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Wenn ich mich richtig erinnere, haben wir hier jede Menge Piraten
*meld*

Ja, ich wäre gerne ein Pirat (und habe die in der Vergangenheit auch schon gewählt bevor sie sich selbst demontiert haben). Auch wenn ich die aktuellen Fragebots da mache (Wahlomat, deinWAL usw.) habe ich mit den Vorstellungen der Piraten noch immer sehr hohe Übereinstimmungen.

Das (oder mein) Problem mit den kleinen Parteien ist, dass sie in der Masse nunmal keinerlei realistische Chance haben, jemals die 5% zu knacken oder ein Direktmandat zu holen. Abseits der paar Cent die eine Partei für eine Stimme erhält bringt es also nicht wirklich was die zu wählen. Und weil das so ist werden sie deutlich weniger gewählt - und deswegen haben sie keine Chance auf 5% - und deswegen... ihr versteht das Problem^^

Klar könnte ich eine der kleinen Parteien aus reiner Überzeugung wählen mit denen ich mehr Übereinstimmungen habe wie mit den 5 großen, aber am Ende fühle ich mich beim Wahlergebnis als ganz besonders unwichtig wenn ich weiß, meine Stimme ist bei "Sonstige". Mir ist faktisch durchaus klar, dass meine Einzelstimme unter zig Millionen auch keinen Unterschied macht wenn sie bei einer der großen Parteien landet aber so lange eine der großen Parteien zumindest über weite Teile ihres Programmes meine Einstellung trifft und kein "no-go" enthält (aktuell siehts ziemlich nach FDP aus) ziehe ich diese zumindest auf Bundesebene einer Kleinpartei wie den Piraten vor, auch wenn letztere eine größere Übereinstimmung hätte.

Die Hürde bei mir ist also sozusagen "die großen Parteien müssen alle hinreichend schlecht sein damit ich ne kleine wähle" - und um ehrlich zu sein, dieses Jahr ists wirklich knapp, denn im schlecht sein haben sich die etablierten wirklich große Mühe gegeben.
 
Das (oder mein) Problem mit den kleinen Parteien ist, dass sie in der Masse nunmal keinerlei realistische Chance haben, jemals die 5% zu knacken oder ein Direktmandat zu holen.
Stell dir mal vor, der Balken der "Sonstigen" wäre höher als jeder andere Balken. das würde schon was bringen.
Letztendlich geht es darum, dass man die Leute, die sich im Parlament festsetzen und sich von den Lobbyisten bezahlen lassen, weniger Unterstützung zukommen lässt.
Und wieso demonstrieren die Fridays Leute nicht auch für gerechtere Löhne und sichere Renten? Das betrifft sie mittelbar und unmittelbar direkt.
 
Das (oder mein) Problem mit den kleinen Parteien ist, dass sie in der Masse nunmal keinerlei realistische Chance haben, jemals die 5% zu knacken oder ein Direktmandat zu holen. Abseits der paar Cent die eine Partei für eine Stimme erhält bringt es also nicht wirklich was die zu wählen. Und weil das so ist werden sie deutlich weniger gewählt - und deswegen haben sie keine Chance auf 5% - und deswegen... ihr versteht das Problem^^

Wählst du nach der Logik dann direkt SPD oder direkt CDU mit der Erststimme? Weil alle anderen haben ja "keinerlei realistische Chance ein Direktmandat zu holen".
 
Wählst du nach der Logik dann direkt SPD oder direkt CDU mit der Erststimme? Weil alle anderen haben ja "keinerlei realistische Chance ein Direktmandat zu holen".
Wenn eine von denen wählbar wäre für mich ja - aber da hier bei den beiden genannten "hinreichend schlecht" auf jeden Fall zutrifft wird die Erststimme wohl wirklich eine kleine Partei bekommen.
 
Ich habe gar keine Zeit mich mit den Wahlprogrammen von 40 verschiedenen Parteien zu beschäftigen. :ugly:
Da bleibe ich dann lieber bei "meiner" etablierten Partei.
 
Wählst du nach der Logik dann direkt SPD oder direkt CDU mit der Erststimme? Weil alle anderen haben ja "keinerlei realistische Chance ein Direktmandat zu holen".
Praktischer weise habe ich da eine Kandidatin von der ich tatsächlich große Stücke halte, deswegen kommt das ganz gut hin.

@Topic: Wie schon im anderen Thread erwähnt kommt bei mir bei WahlOMaten regelmäßig Volt ganz vorne ins Ziel. Bei dem klaren Bekenntnis zu Europa als Chance statt Risiko bin ich auch absolut dabei. Allerdings ist mir das noch zu wenige Inhalt für eine Bundestagswahl. Für die nächste Europawahl wären sie aktuell aber gesetzt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Volt war bei mir bei der letzten Europawahl bis zum Schluss im Rennen, habe mich dann nur mit ganz knappem Vorsprung für LD entschieden. Da die zur Bundestagswahl nicht antreten, könnte es darauf hinauslaufen.


Ich habe gar keine Zeit mich mit den Wahlprogrammen von 40 verschiedenen Parteien zu beschäftigen. :ugly:
Da bleibe ich dann lieber bei "meiner" etablierten Partei.

Zum Vorsortieren gibt es Wahl-O-Mat & Co. Dann wirft man vielleicht noch einen Blick in die Kurzbeschreibungen der einem komplett unbekannten Parteien und wenn man ausgesiebt hat, sollte nicht mehr viel übrig sein zum angucken. Normalerweise hatte ich so 1-2, selten 3 Parteien, bei denen ich ins Wahlprogramm geguckt habe. Detailiert lesen tut man dann nur bei der Partei, die man tatsächlich wählt, um grobe Fehler zu vermeiden.


Zugegeben: Dieses Jahr sind die Fragen im Wahl-O-Mat kacke, sodass das Prinzip bei mir auch nicht ganz aufgeht und ich wohl bis zu fünf Wahlprogramme werde lesen müssen. Eine Wahlempfehlung, bei der Piraten und Team Todenhöfer gleichrangig die Spitze einnehmen, sollte eigentlich schon technisch ausgeschlossen werden :ugly: .
 
Haben hier genau ein Wahlplakat was "grünen Wasserstoff statt Elektroautos weil Elektroautos kann sich ja keiner leisten" fordert.
Bitte was? Weil das eine zu teuer ist fordern wir das noch viel teurere? Vielleicht ist da mit Wasserstoff für die Schwerindustrie statt Vorfahrt für den Automobilbau sogar eine garnicht so dumme Idee gemeint, aber in der Kombination auf dem Plakat klingt es total absurd.
 
Edit für alle, die den Thread scannen:
Kleine Einschätzung zu "Team Todenhöfer"


Hab mittlerweile mal ein Bisschen in deren Programm reingeschmökert. Die setzen voll auf "Wasserstoff aus den Sonnenwüsten der Erde" und erwarten offensichtlich, dass der Import deutlich billiger wird, als hier zu lande die komplette Infrastruktur für Batterieautos nebst Kraftwerken hinzupflanzen. Was ich, als jemand der letztere auch kritisch betrachtet, durchaus für im Rahmen des Möglichen erachten, aber Todenhöfer scheint sich da 101% sicher zu sein. Also eine genauso fragwürdige Vorabfestlegung und fehlende Technologieoffenheit in Gegenrichtung.

Das zieht sich, soweit ich es überblicke, auch durch das restliche Programm: Bestehende Probleme werden korrekt erkannt und dann wird eine fixe Idee mit durchaus klarem Vorteil aus der gleichen Ecke propagiert, ohne Bewusstsein für Nachteile, Realisierbarkeit oder Zusammenhänge. Beispiele:
- Corona: "Viel zu spät und inkonsequent reagiert". Stimmt. Gegenbeispiele Korea, Taiwan, Vietnam schneiden viel besser ab. Stimmt auch (bzw. stimmte für Vietnam, als das Programm erstellt wurde, noch). Aber eine Beurteilung der unterschiedlichen geographischen und grenzpolitischen Ausgangslagen? Sachliche Analyse was da warum besser war und was bei uns warum schlechter? Fehlt. Stattdessen Pauschalkritik und sturer Verweis auf eine bessere Idee.
- Mangelnde Generationgerechtigkeit, weil immer weniger junge immer mehr alte versorgen müssen, sollte mittlerweile jeder kennen. Die hier vorgeschlagene Lösung "den jungen helfen, eine private Altersvorsorge aufzubauen" sollte aber in den letzten 20 Jahren jeder als Schnappsidee erkannt haben.
- "Weniger Flüchtlinge aufnehmen, aber die Aufgenommen besser behandeln": Problem korrekt benannt, dass man eigentlich jedem helfen will, aber nicht jedem gut helfen kann. Dummerweise wird danach nur der Teil zum "besser behandeln" detailiert ausgearbeitet, wozu nun wirklich jeder (außer der AFD) schon mal etwas gesagt und komplett ignoriert, dass der Teil mit dem "Aufnehmen" der komplizierte Teil ist.
- Beeinflussbarkeit der Politik: Todenhöfer will Großspenden verbieten, weil die selbst ohne Absicht Einfluss ausüben. Stimmt. Aber das schon heute systematisch die Grenzen für namentlich zu nennende Spender durch Stückelung unterlaufen wird und ein Verbot somit nur die Transparenz verringern würde - ignoriert.
- Mangelnder Infrastrukturausbau in Deutschland: Ein bekanntes Problem bei "Krankenhäusern, Schulen, Universitäten, Stätten der Kunst und Kulter, des Schienen- und" eher weniger bekannt bis absolut abstreitbar "Straßenbaus". Aber "Genehmigungsverfahren zu vereinfachen" wurde schon sehr oft gesprochen, nur um hinterher festzustellen, dass die Verfahren gar nicht mal so undurchdacht und große Verzögerungen all zu oft auf die Planenden zurückzuführen sind. Wie Todenhäufer trotzdem den "Bau ultramoderner unterirdischer Hochgeschwindigkeitszüge" voranbringen will, wird dagegen nicht klar. Und spätesten wenn eine Partei von "Künstlicher Intelligenz", "Quantencomputing", "Digitalisierung" und in diesem Fall auch noch "Gentechnik" schwafelt, kriege ich eher Bedenken.
- Soziale Spaltung: "Eigentum verpflichtet" soll umgesetzt durch eine Erleichterung von Schenkungen von Großspenden an gemeinnützige Organisationen, in der Erwartung, dass die Reichen dann von alleine was von ihrem Geld abgeben. Dass solche Leute die Bürokratie sowieso Anwälten überlassen und schon heute die Gründung selbst nicht-gemeinnütziger Stiftungen ein verbreiteter Trick zur Steuervermeidung ist, aber trotzdem kaum ein Reicher die gleichen Praktiken nutzt, um "Zum Beispiel ... die Millionen vereinsamter, armer und kranker Senioren und um die, die sie für einen Hungerlohn pflegen" zu unterstützen, das übersieht Todenhöfer.

Aber eins muss man dem Verein lassen: Man merkt, dass da ein echter ex-Profi am Werk ist. Zwar ein reichlich verquert denkender, der so nicht in bestehende Schubladen passt. (Fordert zum Beispiel einen Islambeauftragten, der sich darum kümmert, dass verschleierte Frauen nicht mehr angepöbelt werden, tritt für Abrüstung, keine Auslandeinsätze mehr -er selbst war seinerzeit glühender, praktizierender Mudjahedinfan...- und internationale Vermittlung mit starke UNO ein und will die ökosoziale Marktwirtschaft, wettert aber trotz dieser Ur-Bündnis-90-Positionen auf jeder zweiten Seite genauso gegen die Grünen -und nur gegen die-, wie man es von einem Ex-CDUler erwarten würde.) Aber das Programm ist gut lesbar, strukturiert und vor allem werden Prioritäten genannt: Deutschland als Hochtechnologieland; niedrigere Steurn vor allem in der Mittelschicht; Unterstützung für junge Familien, Alte und Kranke; Frieden.

Nur warum ICH laut Wahl-O-Mat diesen Harcore-Abweichler der Union sollte, wo ich mich doch mit schöner Regelmäßigkeit gegen Familienförderung, Hofierung der für heutige Probleme verantwortlichen alten Säcke und für stärkere Belastungen ab der Mittelschicht aufwärts ausspreche, das ist mir ein Rätsel :ugly: .
 
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kleine Einschätzung zu "Partei Mensch Umwelt Tier"

So, hab mir jetzt mal den dritten Vorschlag des Wahl-O-Maten an mich reingezogen: Die Tierschutzpartei.

Schnittmenge mit den Vorschlägen 1 (Piraten) und 2 (Team Todenhöfer) ist erwwartungsgemäß nahe null. Aber dafür gibt es überraschenderweise tatsächlich (aus meiner Sicht) wählenswerte, zumindest aber halbwegs durchdachte Konzepte zu diversen Themen abseits von Tierschutz.
- Energie- und Verkehrspolitik: Eine gewisse Radikalität war zu erwarten, aber überraschenderweise will man keine Verbote, sondern nutzt marktliberale Werkzeuge. Sehr hohe CO2-Kosten, Parkgebühren, Ökosteuer und Innenstadtmaut auf der einen Seite, Förderung von ÖPV und Radverkehr auf der anderen Seite. Unerwarteterweise aber auch von Wasserstoff-PKW und im Gegenzug keine "autofrei"-Pläne oder ähnlicher Stuß. Selbst beim Flugverkehr liefert man konkrete Zahlen zu Abgabenhöhen, arbeitet abseits der Abschaffung innerdeutscher Verbindungen aber auch hier keine Verbote.
- Tier- und Umweltschutz: Ersterer taucht natürlich (leider) überall im Programm auf. Aber auch Gewässerschutz, Mikrobiotope und vor allem Kreislaufwirtschaft finden Beachtung. Und das mit ausführlichem Blick auf die internationel Situation/Grenzprozesse, was selbst die großen Parteien oft komplett ignorieren. Dabei gilt auch wieder relativ weitgehend die Arbeit mit Verteuerungen, nicht mit Verboten
- Arbeitsmarkt-, Sozial- und Gesundheitspolitik, jeweils mit Fokus auf Verringerung der Unterschied, sind ebenfalls vollständig vorhanden.
- Mit den Abgaben auf diverse Ressourcenverbräuche und anderes unerwünschtes Verhalten, Zügelung der Finanzmärkte und ein paar Steueränderungen hat man explizit auch die Finanzierung der ganzen Wünsche bedacht.
- Bei alldem beruft man sich ausdrücklich auf naturwissenschaftliche Grundlagen (was nicht davon abhält, 5G Strahlenbelastung kritisch zu sehen...)
- Blöd ist halt der riesige Block zum Teil sehr radikaler Tierschutzforderungen (bis hin zum Importverbot von Leder)
 
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