ruyven_macaran
Trockeneisprofi (m/w)
Nach über 80 Seiten dreht sich der Thread zum Bundestagswahlkampf 2021 fast nur noch um Union und SPD. Vereinzelt Grüne und FDP zur Belustigung. Was ja auch okay ist, denn außer ein paar (wirklich) blöden Sprüchen von der AFD machen die den Wahlkampf untereinander aus.
Aber nicht die Wahl.
Da stellen 40 Parteien ihre Thesen vor und Aufgabe des Wählers ist es zu sagen, welche davon er am besten oder zumindest am wenigsten schlimm findet.
Deswegen ist es höchste Zeit für einen Thread, in dem nicht über Kanzlerkandidatenversprecher, sondern mal über Inhalte und Ziele geredet wird. Die Umfrageergebnisse der letzten Wochen kann ich mir nämlich nur nach dem Muster erklären "FDP/AFD/Linke wählen viele aus Prinzip nicht, der Rest verteilt sich nach dem Zufallsprinzip mehr oder minder gleich, weil nichts so wirklich begeistert".
Wahlen sollten aber nicht nach dem Zufallsprinzip entschieden werden, Wahlen sind das wichtigste Element eine funktionierenden Demokratie. Und sie leben davon, dass man SEINE Wahl trifft, unabhängig von (vermeintlich) fehlenden oder (vermeintlich) vorhandenen Kanzler-Chancen.
Deswegem zur Einleitung etwas FAQ, in weiteren Posts kann dann jeder Parteien vorstellen, die er interessant (nicht zwingend gut) findet, die bislang aber zuwenig Beachtung gefunden haben, weil alle nur über Schwarz/Rot/Grün reden. Wenn ich mich richtig erinnere, haben wir hier jede Menge Piraten, ein paar FDP-Fans, mehrere offensichtliche AFD- und NPDler, einige bekennende Linken-Anhänger und mindestens einen sehr aktiven MLPDler. Sollte also ein bunter Thread werden.
_____________________________
Frequently Unknown Answers
Aber es ist doch egal, ob man für kleinere Parteien oder einfach gar nicht abstimmt? Und letzteres geht von zu Hause aus.
NEIN! Wir haben aktuell sechs Parteien im Bundestag sitzen und vier davon sind erst in den letzten 3-4 Jahrzehnten eingezogen. Die waren alle mal klein oder inexistent und nur weil sie auch damals jemand gewählt hat, konnten sie groß werden und geben heute (mehr oder minder) wichtigen Input. Also: Stimmen für kleine Parteien sind wichtig. Nur so kann sich Demokratie erneuern. (Und wählen geht übrigens auch von zu Hause, auch wenn es jetzt etwas spät für die Beantragung von Briefwahl ist.)
Aber in dem ich meine Stimme einer Partei gebe, die nicht an die Regierung kommt, kann ich die Politik nicht richtige Richtung lenken.
Und wenn du stattdessen deine Stimme einer Partei gibst, die das Falsche will, dann lenkst du sogar in Gegenrichtung.
Ich will aber, dass meine Stimme Einfluss hat!
Und das hat sie auch dann, wenn sie einer kleinen Partei gibst. Denn die großen schauen genau hin, was sich tut: Grünen-Erfolg nach Fukushima => (verkorkster) Atomausstieg bei der Union. Piratenerfolge => Internet-Inhalte in allen Wahlprogrammen (an denen auch aktiv gearbeitet wurde, solange die Piraten auf ihrer Erfolgswelle ritten). Durchbruch der AFD => Rechtsextremismus bei der CSU (und CDU. Und manchmal auf FDP und Linke). Spitzenpolitiker sind keine unvorsehbaren Lügner, sondern stimmengeile Arschlöcher. Und damit leicht manipulierbar - wenn die Wähler klarstellen, dass für Einsatz im Bereich X Stimmen gibt, dann setzt sich auch jemand für X ein. Aktuell kommunziert der Wähler halt "eloquente Ausdrucksweise bei Maischberger und Lanz ist das einzige, was zählt." "Reichweite dank Lobbysupport haben" wird bislang auch belohnt, also haben wir eine Mischung aus Talkshow-Experten und Lobbyhuren als Spitzenkandidaten und in den Spitzenriegen, aber niemanden, den man ein Land regieren sehen möchte. Wer will, dass sich das ändert, kann nächsten Sonntag dazu beitragen.
Aber alle Parteien außer CDU/SPD sind, haben doch sowieso keine Regierungskompetenz!
wieso "außer"?
Stimmt prinzipiell, greift aber zu kurz: Kleine Parteien haben sie jetzt nicht. Umfassende Kompetenz jetzt braucht es aber nur bei der Regierungspartei, nicht beim Juniorpartner. Die Grünen hätten zu Schröderzeiten z.B. garantiert keinen kompetenten Verteidigungsminister stellen können, aber die Erfolge von Fischer, Trittin und Künast können selbst die nicht abstreiten, der die Richtung des Erreichten gegen den Strich ging. Für Parteien, die man gemäß des letzten Absatzes wählt, um bislang komplett vernachlässigte Themengebiete ins politische Rampenlicht zu bringen, reicht sogar reine Fachkompetenz in eben diesen (z.B. die Linke im Sachen Putinschmeicheln, wenn man das will). Das Methodische kann bis zu einer etwaigen Regierungsbeteiligung ja noch reifen.
Aber kann eine kleine Partei überhaupt professionell werden?
Ja. WENN sie gewählt wird. Bei den Grünen hat es zwar noch 20 Jahre gedauert, aber z.B. die Piraten haben sich dank ihrer Affinität zu modernen Kommunikationsformen sehr schnell sehr weit entwickelt und treten mittlerweile auf Europaebene durchaus kompetent auf. Die AFD ist mittlerweile auch in der Lage, Formalia einzuhalten, wenn sie das will und viele Kleinparteien bilden sich ohnehin durch Abspaltungen heraus – die Spitze von "Team Todenhöfer" hat offensichtlich alle Kompetenzen eines erfahrenen Unionlers. Aber gute Politik braucht Zeit, Arbeitszeit. Letztlich verlangt von Oppositionsparteien, dass sie alles besser wissen sollen als Regierungsparteien, die dafür hunderte, tausende Regierungs-Vollzeitstellen (nebst leyenhaften und bescheuerten Beratern) haben. Das bekommt man nicht in 1-2 Stunden am Feierabend hin (naja - bei einigen Schwarz-Rot-Vorlagen schon.) und damit (Fach)Leute wesentlich mehr Zeit und Hirnschmalz in politische Konzepte investieren können, brauchen Partein Geld, von dem die leben können. Und dieses Geld kriegen Parteien aus Bundesmitteln, wenn sie Wahlerfolge vorweisen können, aus Spenden, wenn sie mit Wahlerfolgen Aufmerksamkeit erlangen, aus Mitgliedsbeiträgen, wenn sie durch Wahlerfolge Bekanntheit und Mitglieder erlangen,... – Mehr Stimmen in einer Wahl helfen einer Partei dabei, sich bis zur nächsten Wahl weiterzuentwickeln und umgekehrt. Die beste Möglichkeit, diese Spirale zu starten: Einfach mal eine Partei wählen, die gute Ideen hat, auch wenn Details noch in Arbeit ist. Wichtig ist nur, dass sie nicht umgekehrt schon Fehler zeigt - "wir denken in Richtung X sind aber noch nicht ganz da" ist legitim "wir denken in Richtung X, behaupten aber schon mal Y" ist ein Hinweis auf Unfähigkeit und populistische Spinner.
Aber entsteht nicht schnell der falsche Eindruck, wenn man irgendwelche Spinner wählt?
Yep, tut er. Weswegen auch die Wahl einer wird-sowieso-nicht-Regierungspartei gut überlegt sein will. Denn auch da gibt es Andersdenkende und Nichtdeckende = Spinner.
Die Wahl von Spartenparteien, die in einzelnen Punkten hervorhebenswerte Konzepte vertreten, sendet zum Beispiel eine klare Botschaft an die restlichen Parteien. Und die Auswahl ist groß - Tierschutz, Vorzugsbehandlung für Senioren, europäische Integration, systematische Unterdrückung von Nicht-Ariern, tierfreie Ernährung und sogar verschiedene Formen real (noch-nicht-)existierenden Sozialismus sind im Angebot. Nur die Partei zur Abspaltung Bayerns scheint nicht nachvollziehbaren Gründen vor allem in Bayern anzutreten, dabei würde sie überall anders doch viel mehr Zustimmung erhalten, aber die Message ist jeweils klar.
Ganz anders sieht das bei populistischen Parteien aus. Wenn ein Kandidat zu jedem Thema eine Meinung hat und zufällig immer eine, die (zumindest in den Ohren Einiger) ganz toll und einfach klingt, obwohl komplexe Probleme nie einfache Lösungen haben, und zum Teil sogar Teilen des eigenen Wahlprogramms (oder dem Grundgesetz oder Naturgesetzen) widerspricht, dann würde zumindest ich die Finger davon lassen. 11-12% der Deutschen sehen das zwar anders und wählen Populisten sogar bis ins Parlament, aber das ist offensichtlich der falsche Weg. Bei der AFD dauerte es 10-15 Jahre voller "bürgerlich?" "konservativ?" gedauert und noch immer ist nicht allen klar, dass die Botschaft "rechtsextrem ist geil" lautet. Und selbst wenn die Message irgendwann klar wird, hilft das noch nichts, solange der Inhalt Stuss ist. Und das sage ich unabhängig von Richtung und Radikalität, da geht es um die Konsistenz. Man kann sogar fordern, sämtliche deutsche Unternehmen zu verstaatlichen und die Planwirtschaft einzuführen und sich einer kommunistischen Internationale anzuschließen, wenn man sich darüber im klaren ist, dass eine Diktatur des Proletariats immer noch eine Diktatur ist und die kommunistische Internationale nur noch aus Kuba besteht. Das ist zwar durchgeknallt, aber durchdacht und somit kein Stuss. Aber man kann nicht die Schließung der Grenzen fordern und gleichzeitig versprechen, dass die exportabhängige deutsche Wirtschaft weiterhin genug bezahlte Abreitsplätze bereitstellt. Das ist Bullshit und wenn eine Message gibt, die man an Schwarz/Rot/Grün nun wirklich nicht senden muss, dann ja wohl "wir wollen mehr Bullshit".
Zu guter letzt gibt es noch die Spaß-/Protestparteien. Naja - oder eher Einzahl die PARTEI, denn die Anarchisten waren wohl zu spät nüchtern und selbst die HipHopper und die von göttlicher Liebe erfüllten wollen ernstgenommen werden. Die PARTEI will natürlich auch Bullshit, aber das so offensichtlich, dass es zum Teil der Message wird: "Ich finde alle etablierten Parteien scheiße, weiß aber ehrlich gesagt auch nicht, was ich statt dessen will. Auf alle Fälle keine links/mitte/rechtsextremen, also bitte denkt euch was neues aus" IST auch eine Message. Keine, die Politiker wirklich nach vorne bringt, aber zumindest eine, die sie nicht in die falsche Richtung davon zischen lässt. Wer einfach nur "irgendwas anderes" wählen möchte, macht sein Kreuz also bitte bei einer Spaßpartei, nicht bei Populisten.
Aber nicht die Wahl.
Da stellen 40 Parteien ihre Thesen vor und Aufgabe des Wählers ist es zu sagen, welche davon er am besten oder zumindest am wenigsten schlimm findet.
Deswegen ist es höchste Zeit für einen Thread, in dem nicht über Kanzlerkandidatenversprecher, sondern mal über Inhalte und Ziele geredet wird. Die Umfrageergebnisse der letzten Wochen kann ich mir nämlich nur nach dem Muster erklären "FDP/AFD/Linke wählen viele aus Prinzip nicht, der Rest verteilt sich nach dem Zufallsprinzip mehr oder minder gleich, weil nichts so wirklich begeistert".
Wahlen sollten aber nicht nach dem Zufallsprinzip entschieden werden, Wahlen sind das wichtigste Element eine funktionierenden Demokratie. Und sie leben davon, dass man SEINE Wahl trifft, unabhängig von (vermeintlich) fehlenden oder (vermeintlich) vorhandenen Kanzler-Chancen.
Deswegem zur Einleitung etwas FAQ, in weiteren Posts kann dann jeder Parteien vorstellen, die er interessant (nicht zwingend gut) findet, die bislang aber zuwenig Beachtung gefunden haben, weil alle nur über Schwarz/Rot/Grün reden. Wenn ich mich richtig erinnere, haben wir hier jede Menge Piraten, ein paar FDP-Fans, mehrere offensichtliche AFD- und NPDler, einige bekennende Linken-Anhänger und mindestens einen sehr aktiven MLPDler. Sollte also ein bunter Thread werden.
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Frequently Unknown Answers
Aber es ist doch egal, ob man für kleinere Parteien oder einfach gar nicht abstimmt? Und letzteres geht von zu Hause aus.
NEIN! Wir haben aktuell sechs Parteien im Bundestag sitzen und vier davon sind erst in den letzten 3-4 Jahrzehnten eingezogen. Die waren alle mal klein oder inexistent und nur weil sie auch damals jemand gewählt hat, konnten sie groß werden und geben heute (mehr oder minder) wichtigen Input. Also: Stimmen für kleine Parteien sind wichtig. Nur so kann sich Demokratie erneuern. (Und wählen geht übrigens auch von zu Hause, auch wenn es jetzt etwas spät für die Beantragung von Briefwahl ist.)
Aber in dem ich meine Stimme einer Partei gebe, die nicht an die Regierung kommt, kann ich die Politik nicht richtige Richtung lenken.
Und wenn du stattdessen deine Stimme einer Partei gibst, die das Falsche will, dann lenkst du sogar in Gegenrichtung.
Ich will aber, dass meine Stimme Einfluss hat!
Und das hat sie auch dann, wenn sie einer kleinen Partei gibst. Denn die großen schauen genau hin, was sich tut: Grünen-Erfolg nach Fukushima => (verkorkster) Atomausstieg bei der Union. Piratenerfolge => Internet-Inhalte in allen Wahlprogrammen (an denen auch aktiv gearbeitet wurde, solange die Piraten auf ihrer Erfolgswelle ritten). Durchbruch der AFD => Rechtsextremismus bei der CSU (und CDU. Und manchmal auf FDP und Linke). Spitzenpolitiker sind keine unvorsehbaren Lügner, sondern stimmengeile Arschlöcher. Und damit leicht manipulierbar - wenn die Wähler klarstellen, dass für Einsatz im Bereich X Stimmen gibt, dann setzt sich auch jemand für X ein. Aktuell kommunziert der Wähler halt "eloquente Ausdrucksweise bei Maischberger und Lanz ist das einzige, was zählt." "Reichweite dank Lobbysupport haben" wird bislang auch belohnt, also haben wir eine Mischung aus Talkshow-Experten und Lobbyhuren als Spitzenkandidaten und in den Spitzenriegen, aber niemanden, den man ein Land regieren sehen möchte. Wer will, dass sich das ändert, kann nächsten Sonntag dazu beitragen.
Aber alle Parteien außer CDU/SPD sind, haben doch sowieso keine Regierungskompetenz!
Stimmt prinzipiell, greift aber zu kurz: Kleine Parteien haben sie jetzt nicht. Umfassende Kompetenz jetzt braucht es aber nur bei der Regierungspartei, nicht beim Juniorpartner. Die Grünen hätten zu Schröderzeiten z.B. garantiert keinen kompetenten Verteidigungsminister stellen können, aber die Erfolge von Fischer, Trittin und Künast können selbst die nicht abstreiten, der die Richtung des Erreichten gegen den Strich ging. Für Parteien, die man gemäß des letzten Absatzes wählt, um bislang komplett vernachlässigte Themengebiete ins politische Rampenlicht zu bringen, reicht sogar reine Fachkompetenz in eben diesen (z.B. die Linke im Sachen Putinschmeicheln, wenn man das will). Das Methodische kann bis zu einer etwaigen Regierungsbeteiligung ja noch reifen.
Aber kann eine kleine Partei überhaupt professionell werden?
Ja. WENN sie gewählt wird. Bei den Grünen hat es zwar noch 20 Jahre gedauert, aber z.B. die Piraten haben sich dank ihrer Affinität zu modernen Kommunikationsformen sehr schnell sehr weit entwickelt und treten mittlerweile auf Europaebene durchaus kompetent auf. Die AFD ist mittlerweile auch in der Lage, Formalia einzuhalten, wenn sie das will und viele Kleinparteien bilden sich ohnehin durch Abspaltungen heraus – die Spitze von "Team Todenhöfer" hat offensichtlich alle Kompetenzen eines erfahrenen Unionlers. Aber gute Politik braucht Zeit, Arbeitszeit. Letztlich verlangt von Oppositionsparteien, dass sie alles besser wissen sollen als Regierungsparteien, die dafür hunderte, tausende Regierungs-Vollzeitstellen (nebst leyenhaften und bescheuerten Beratern) haben. Das bekommt man nicht in 1-2 Stunden am Feierabend hin (naja - bei einigen Schwarz-Rot-Vorlagen schon.) und damit (Fach)Leute wesentlich mehr Zeit und Hirnschmalz in politische Konzepte investieren können, brauchen Partein Geld, von dem die leben können. Und dieses Geld kriegen Parteien aus Bundesmitteln, wenn sie Wahlerfolge vorweisen können, aus Spenden, wenn sie mit Wahlerfolgen Aufmerksamkeit erlangen, aus Mitgliedsbeiträgen, wenn sie durch Wahlerfolge Bekanntheit und Mitglieder erlangen,... – Mehr Stimmen in einer Wahl helfen einer Partei dabei, sich bis zur nächsten Wahl weiterzuentwickeln und umgekehrt. Die beste Möglichkeit, diese Spirale zu starten: Einfach mal eine Partei wählen, die gute Ideen hat, auch wenn Details noch in Arbeit ist. Wichtig ist nur, dass sie nicht umgekehrt schon Fehler zeigt - "wir denken in Richtung X sind aber noch nicht ganz da" ist legitim "wir denken in Richtung X, behaupten aber schon mal Y" ist ein Hinweis auf Unfähigkeit und populistische Spinner.
Aber entsteht nicht schnell der falsche Eindruck, wenn man irgendwelche Spinner wählt?
Yep, tut er. Weswegen auch die Wahl einer wird-sowieso-nicht-Regierungspartei gut überlegt sein will. Denn auch da gibt es Andersdenkende und Nichtdeckende = Spinner.
Die Wahl von Spartenparteien, die in einzelnen Punkten hervorhebenswerte Konzepte vertreten, sendet zum Beispiel eine klare Botschaft an die restlichen Parteien. Und die Auswahl ist groß - Tierschutz, Vorzugsbehandlung für Senioren, europäische Integration, systematische Unterdrückung von Nicht-Ariern, tierfreie Ernährung und sogar verschiedene Formen real (noch-nicht-)existierenden Sozialismus sind im Angebot. Nur die Partei zur Abspaltung Bayerns scheint nicht nachvollziehbaren Gründen vor allem in Bayern anzutreten, dabei würde sie überall anders doch viel mehr Zustimmung erhalten, aber die Message ist jeweils klar.
Ganz anders sieht das bei populistischen Parteien aus. Wenn ein Kandidat zu jedem Thema eine Meinung hat und zufällig immer eine, die (zumindest in den Ohren Einiger) ganz toll und einfach klingt, obwohl komplexe Probleme nie einfache Lösungen haben, und zum Teil sogar Teilen des eigenen Wahlprogramms (oder dem Grundgesetz oder Naturgesetzen) widerspricht, dann würde zumindest ich die Finger davon lassen. 11-12% der Deutschen sehen das zwar anders und wählen Populisten sogar bis ins Parlament, aber das ist offensichtlich der falsche Weg. Bei der AFD dauerte es 10-15 Jahre voller "bürgerlich?" "konservativ?" gedauert und noch immer ist nicht allen klar, dass die Botschaft "rechtsextrem ist geil" lautet. Und selbst wenn die Message irgendwann klar wird, hilft das noch nichts, solange der Inhalt Stuss ist. Und das sage ich unabhängig von Richtung und Radikalität, da geht es um die Konsistenz. Man kann sogar fordern, sämtliche deutsche Unternehmen zu verstaatlichen und die Planwirtschaft einzuführen und sich einer kommunistischen Internationale anzuschließen, wenn man sich darüber im klaren ist, dass eine Diktatur des Proletariats immer noch eine Diktatur ist und die kommunistische Internationale nur noch aus Kuba besteht. Das ist zwar durchgeknallt, aber durchdacht und somit kein Stuss. Aber man kann nicht die Schließung der Grenzen fordern und gleichzeitig versprechen, dass die exportabhängige deutsche Wirtschaft weiterhin genug bezahlte Abreitsplätze bereitstellt. Das ist Bullshit und wenn eine Message gibt, die man an Schwarz/Rot/Grün nun wirklich nicht senden muss, dann ja wohl "wir wollen mehr Bullshit".
Zu guter letzt gibt es noch die Spaß-/Protestparteien. Naja - oder eher Einzahl die PARTEI, denn die Anarchisten waren wohl zu spät nüchtern und selbst die HipHopper und die von göttlicher Liebe erfüllten wollen ernstgenommen werden. Die PARTEI will natürlich auch Bullshit, aber das so offensichtlich, dass es zum Teil der Message wird: "Ich finde alle etablierten Parteien scheiße, weiß aber ehrlich gesagt auch nicht, was ich statt dessen will. Auf alle Fälle keine links/mitte/rechtsextremen, also bitte denkt euch was neues aus" IST auch eine Message. Keine, die Politiker wirklich nach vorne bringt, aber zumindest eine, die sie nicht in die falsche Richtung davon zischen lässt. Wer einfach nur "irgendwas anderes" wählen möchte, macht sein Kreuz also bitte bei einer Spaßpartei, nicht bei Populisten.
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