Du redest von Verstaatlichen.... das sind Züge von Sozialismus. In der sozialen Marktwirtschaft wird im Grunde der liberale Markt durch staatlichen Eingriff (Verhinderung von Monopol, allgemeine Rahmenbedingungen im Wettbewerb etc.) in groben Zügen gelenkt... nicht Unternehmen verstaatlicht.
Es sei denn natürlich, du interpretierst den Begriff auf deine eigenen Weise und nicht so wie er als Wirtschaftsordnung bspw. für Deutschland und Österreich gilt, dann solltest du das auch schreiben und nicht einfach den Begriff abkupfern.
Die soziale Marktwirtschaft ist nämlich primär, immer noch genau das, eine Art der freien Marktwirtschaft.
Sie soll die guten Elemente (Forschungsdrang, Preisbildung, Wettbewerb, Privateigentum usw.) der "echten" liberalen MW enthalten, aber die schlechten (Monopolstellungen, soziale Nachteile, zerstörerischen Wettbewerb etc.) auffangen und abdämpfen, im Grunde also bestmöglicher Wohlstand einer breiten Masse, bei genügender Absicherung. (natürlich von mir hier sehr vereinfacht dargestellt)
Das was du beschreibst sind die ersten Züge einer klar sozialistischen (Markt-)Wirtschaft, nämlich zentrale Planung, Staats-/"Gemeinschaftseigentum" etc, man könnte China grob als solche bezeichnen, sie haben ein großes Wachstum an Privatwirtschaft, aber die wichtigsten Unternehmen/Entscheidungen liegen mehr oder weniger in Partei/Staatshand.
Okay, wir sind jetzt aberkomplett Offtopic.
Die soziale Marktwirtschaft war das, was in der BRD nach dem 2. Weltkrieg eingeführt wurde. Einen Teil gab es schon vorher, das soziale Netz, das von Bismark eingeführt wurde, zu dem zB die Rentenversicherung gehörte.
Nach dem Krieg war beispielsweise die Post staatlich (die Telekom und damit Telefonanschlüsse, die Leitungen, die Telefonzellen etcpp gehörte alles zur Post), da gehörte das Schienennetz dem Staat, weil die Deutsche Bundesbahn ein staatliches Unternehmen war. Da waren sämtliche Wasserwerke staatliche Betriebe.
Gut, die Bahn ist noch Staatsunternehmen, soll aber unbedingt privatisiert und an die Börse gehen - mit Schienennetz.
Viele Wasserwerke sind ebenfalls noch staatlich. Hier in Berlin aber zum Beispiel nicht.
Dennoch, haben wir in der BRD im Sozialismus gelebt?
Nein. Warum nicht?
Wie Du schon so schön schriebst: die soziale Marktwirtschaft soll schlechte Aspekt der freien Marktwirtschaft abfangen: Wenn ein Unternehmen wie die Bahn, das einzig existierende Netz mit in die Privatisierung nimmt, wie kann es dann echte Konkurrenz geben, wenn diese die Schienen anmieten müßte?
Gleiches bei der Telekom. Natürlich sind die Leitungen nicht mehr die gleichen, aber als die Telekom gegründet wurde, bekam sie einfach die Leitungen zugesprochen, die vorher der staatlichen Post gehörten. Wo das hinführt sehen wir ja. Wenn das keine schlechten Aspekte der freien Marktwirtschaft sind, dann weiß ich auch nicht.
Der Staat muß in einer sozialen Marktwirtschaft regulierend eingreifen, absolut richtig, doch in welche Hände packt man Infrastruktur, wenn man Netz und Service trennt? Wem soll das Schienennetz gehören? Und wem auch immer es gehört, darf dann keine Züge darauf fahren lassen. Wem sollen die Telefonleitungen gehören? Wem auch immer sie gehören, darf dann kein ISP sein. Wem sollen die Straßen gehören? Wem die Wasserleitungen?
Klar, wer eine Infrastuktur aufbaut, dem gehört sie auch. Schienen, Wasserrohre, Telefonleitungen, Straßen, all das wurde zu Zeiten des goldenen Wirtschaftswunders vom Staat gebaut. Also sollte es auch dem Staat gehören.
Diese Dinge dann bei der Privatisierung mit abzugeben, führt zu Problemen, siehe Berliner Wasserwerke, siehe Telekom, siehe Bahn. Und die PKW-Maut für privatisierte Straßen will auch keiner.
Ist das Sozialismus? Nein. Es ist soziale Marktwirtschaft. Gewisse Dinge gehören nicht nur reguliert, sondern auch in staatliche Hand. Und wenn etwas ursprünglich mal staatlich war, finde ich es ziemlich dreist, von Sozialismus zu sprechen, wenn es wieder verstaatlicht wird.
Das Problem ist meiner Meinung eher, und da sehe ich mich auch in Beiträgen wie Deinem bestätigt, das der schleichende Prozess weg von der sozialen Marktwirtschaft mit einem Mantra der Konzerne und Wirtschaftswissenschaftler einherging, die ja selbst jede Form von staatlicher Regulierung als "sozialistisch" beschimpfen. Bestes Beispiel, das eigentlich zu traurig ist, als das man darüber lachen dürfte: Als Obama versuchte die allgemeine Krankenversicherung in den USA ein zu führen, wurde das von vielen Amerikanern als Anfang der Einführung des Kommunismus gewertet, jaja, es sei schon traurig, das sich all die Arbeitslosen keine Krankenversicherung leisten könnten und Solidarität ist toll, aber bitte nicht so.
Das Telekommunikationsgeheimnis wird Schritt für Schritt abgeschafft, Datenschutz ist toll zu haben, aber beachten? Wozu, Facebook ist doch so viel besser. Im Namen der Sicherheit kann man all die Rechte gut einschränken. Und wenn wir schon mal dabei sind, im Namen der Umsatzsteigerung, des Konsums, der nötig ist für grenzenlosen Wirtschaftswachstum, ist auch jedes Mittel Recht: Der gläserne Kunde für personalisierte Werbung, festverbaute Akkus, staatliche Fördergelder mitnehmen und dann ins Ausland gehen oder die Dividende erhöhren.
Alles schon gehabt. Mir kann keiner sagen, wir würden heute noch in einer sozialen Marktwirtschaft leben.
Die wurde leider irgendwann zwischen Wiedervereinigung und heute abgeschafft, ein langsamer, schleichender Prozess, ich könnte Dir kein genaues Datum nennen.
Wir leben heute leider in einer freien Marktwirtschaft, das letzte was noch fehlt ist "Hire and fire" und die Abschaffung der Sozialversicherungspflicht.
Das Ergebnis? Bei gleicher Arbeit verdiene ich heute soviel, wie mein Großvater als Rente bekam. Autsch.
Ich lebe heute in Berlin, die Großeltern meiner Freundin, deren Eltern und sie selbst haben die DDR kennengelernt, haben darin gelebt oder sind darin geboren, ich selbst habe inzwischen genug Gespräche zu dem Thema mit ihnen geführt.
Ich habe hier inzwischen genügend Museen besucht, muß jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit über die "Grenze" und komme an den Resten der Mauer vorbei.
Glaub mir, das möchte niemand - und ganz bestimmt nicht ich - zurück haben. Bitte, bitte unterstellt mir nie wieder, den Unterschied zwischen sozialer Marktwirtschaft und Sozialismus nicht zu kennen.
Danke.
Und nun möge der Shitstorm beginnen, den ich hiermit provoziert haben mag.