Wir reden aneinander vorbei.
Anscheinend ja. Denn ich verstehe beim besten Willen nicht, was genau du mir hier eigentlich zum Ausdruck bringen willst.
Viele Menschen haben es geschafft, ihre Berufung zum Beruf zu machen. Ist das dann Arbeit oder Lebensfreude? Viel zu viele arbeiten meiner Erfahrung nach "um Geld zu verdienen" und nicht um Dinge zu machen, die für sie selber sinnstiften sind.
Wer seine Berufung zum Beruf gemacht hat, der hat meine Achtung und das spreche ich der Person auch gar nicht ab. Aber "Viele" ist hier ein recht schwammiger Begriff. 1000 oder 100.000 sind auch viele. Aber gemessen an der Zahl der arbeitenden Menschen verschwindend gering.
Wer das Glück hat, eine gute Arbeitsstelle, mit guter Bezahlung und gutem Arbeitsklima zu bekommen, der soll sie behalten. Ein Beruf ist aber nun mal
primär dazu da, um Geld zu verdienen. Das muss ja nicht heißen, dass man seinen Beruf nicht mag.
Bei Burnouts und ähnlichem wird neben der Arbeit oft die weitere Belastung im Gesamtleben vergessen. Es kommen sehr oft soziale Dinge dazu, Scheidung, Tod von geliebten Menschen, finanzielle Engpässe, Krankheit, und alles zusammen ist dann der Auslöser. Es ist zu einfach, es nur auf den Job zu schieben. Die Arbeitszeit alleine ist darum kein Maßstab für die Belastung. Es hängt darüber hinaus viel davon ab, wie gearbeitet wird.
Natürlich tragen private Sorgen und Probleme noch dazu bei. Aber genau das ist doch der Knackpunkt: Arbeit und Arbeitszeiten lassen es oft nicht zu, dass man sich um eben diese privaten Probleme kümmert. Letztlich ist man den Großteil des Tages auf Arbeit und je nach Arbeitszeit hat man von eben diesem Tag auch nicht mehr viel. Dazu kommt noch, dass man massivem Stress auf Arbeit ausgesetzt ist.
Dieser schöne Begriff "Entschleunigen", den ich privat exzessive lebe, kann man auch im Berufsleben anwenden. Und sich dazu Gedanken zu machen, was denn Belastung erzeugt und was Freude ist die Grundlage dafür, um Burnouts zu vermeiden. Der Anteil der "Freude" muss groß genug sein. Diese schönen Augenblicke, wenn man die eigene Handlungskompetenz erlebt. Man plant etwas und es funktioniert. Das baut auf.
Ich hab das Glück, als Horterzieher , der in einem Offenen Konzept arbeitet, auch mal zu sagen "Bis hier hin und nicht weiter". Dann nehme ich mich mal fünf Minuten raus, hol mir n Kaffee und atme mal durch. Ich nehme auch mal bewusst Angebote mit den Kiddies zur Hand, die auch mal entspannen und bei denen auch ich mich mal so weit raus nehmen kann, dass ich nur begleitend dabei bin, die Kinder aber selbstständig machen lassen kann. Das funktioniert und ist ein Privileg, das ich als Horterzieher sehr schätze. Stressig bleibt es in der Regel trotzdem.
Aber BEI WEITEM nicht jeder hat das Privileg, sich seinen Alltag so angenehm wie möglich zu gestalten. Das vergisst du irgendwie bei deiner Argumentation.
Und dass die Arbeit erträglicher wird, wenn man in ihr einen Sinn sieht, stimmt auch nur bedingt. Gerade soziale Berufe sind sinnstiftend, aber es hat schon verständliche Gründe, warum das weniger Leute machen wollen. Ich mag meinen Beruf, eben WEIL er sinnstiftend für mich ist. Aber ob ich diesen Beruf bis zur Rente weiter ausübe? Das glaube ich nicht und hängt davon ab, wie sich der Bildungssektor entwickelt.