Mal einige gute Artikel warum man die Polizei abschaffen sollte:
Die Forderung nach einer Welt ohne Polizei richtet sich gar nicht primär gegen Uniformierte. Sie ist eine Utopie verantwortungsvoller Gemeinschaft.
taz.de
Was soll an dem Artikel gut sein? Er ist schon formal eine Katastrophe und wirkt ein wenig so, als hätte Frau Schipkowski selbst Siri diktiert, was ihr gerade in den Sinn kommt und das Ergebnis unlektoriert in die TAZ geklatscht. Dem entsprechend taugt es auch inhaltlich nicht einmal als Utopie, da es über ein naives "Wenn wir alle irgendwann lieb und nett zueinander sind, brauchen wir auch keine Polizei mehr!" hinaus kommt. - Ach? Tatsächlich?
Diesen Tiefgang an Überlegungen bekomme ich auch gelegentlich von meinem Fünfjährigen, aber der hat wenigstens eine Entschuldigung, warum er weder ins Detail gehen noch das Pragmatische erörtern kann.
Damit taugt es nicht als Grundlage für eine Debatte. Über Träume und Fantasien kann man nicht debattieren, sondern sich idealerweise inspirieren lassen.
Daher will ich auch gar nicht per se etwas gegen ein wenig schwärmerische Träumerei zur Erzeugung einer positiven Grundstimmung sagen, sofern das Ganze in die richtige Rubrik (Leserbriefe, Spaß am Rande, gaaaaanz evtl. Kolumne etc.) eingeordnet wird, jedoch ist sich die Autorin nicht zu schade, ihr vermeintlich harmlos-positives "Tschaka! Das können wir schaffen!"-Bild mit reichlich Kampfbegriffen (s. "Prügeleinheiten" etc.) anzureichern, die verraten, was für ein Bild der jetzigen, tatsächlichen Lage sie hat. Darüber kann man dann zwar wiederum debattieren, nur will man das vielleicht nicht unbedingt mit Leuten, die so einen Einstieg hinlegen. Dieser zielt nämlich weniger auf Debatte, als vielmehr auf das Abgrasen von Zustimmung innerhalb der eigenen ideologischen Wohlfühlzone ab.
Und wenn dann als Beispiel bewaffnete und teils militante Bürgermilizen als Ersatz für die Polizei angeführt werden, muss man sich ernstlich fragen, ob der Autorin etwas in den Tee geraten oder ob sie einfach zu früh von der Baumschule abgegangen ist. Sie scheint gar nicht zu begreifen, dass das im Kern dasselbe ist: Eine Gemeinschaft - egal welche - betreibt ein Sicherheitsorgan und im Idealfall versieht dieses seinen Dienst für die Gemeinschaft neutral und unkorrumpierbar. Tatsächlich ist es aber so, dass solche be(voll)mächtigten Organe immer eine Mentalität haben, die ständige Kontrolle durch die Gemeinschaft braucht, aus der sie entspringt und zu der sie gehört. Letzteres ist übrigens ein Umstand, der
sowohl den (nicht nur) bundesdeutschen Sicherheitsbehörden als auch (nicht nur) der Autorin dieses Artikels gelegentlich in Erinnerung gerufen werden sollte.
Der Europäische Polizeikongress tagt in Berlin - unter anderem, um Repressionen gegen People of Color und linke Aktivist*innen noch besser zu koordinieren.
www.supernovamag.de
Auch hier basiert die Argumentation (Wenn man es denn als solche bezeichnen darf ...) im Wesentlichen auf der Prämisse, dass man irgendwann ja in die Phase des "wahren Sozialismus" eintreten würde, in der jeder dem Anderen das Seine gönnt, weil er/sie/es selbst genug hat und man keine Polizei mehr bräuchte, weil keine Besitzdifferenzen mehr zu schützen wären, denn etwas Anderes macht die Bullerei bekanntlich nicht. Alle anderen möglichen Reibungspunkte im menschlichen Miteinander hat der sozialistische Übermensch bekanntlich gleichermaßen abgelegt.
Wenn dann doch mal jemand ausschert und seinen Nachbarn im Streit erschlägt, Frau und Kind verprügelt oder die Besitzgemeinschaft der Werktätigen ein wenig zu liberal auslegt, dann schreitet ein wachsamer Nachbar (vorzugsweise nicht der Erschlagene) ein und die Sache würde in der Ortsgruppe diskutiert und den Delinquenten ins Gewissen geredet.
Das klingt so gut, dass ich gerne einen verbindlichen Termin genannt hätte, an dem weltweit der wahre Sozialismus beginnt, in dem wir keine Polizei mehr brauchen. Dann können sich auch der Horst und seine *hüstel* sicherlich vergleichbar kompetetenten Nachfolger schon mal einen Plan zur geordneten Auflösung machen.
Als im Hier und Jetzt lebender Bürger würde ich allerdings bis dahin lieber praktisch darauf hin arbeiten, die Polizei zu reformieren, wenn's recht ist. Und mich nicht so unbedingt darauf verlassen, dass das mein Nachbar im Zweifelsfall neutraler oder auch nur pfleglicher agiert als die Polizei, selbst wenn er zufällig Abschnittsbevollmächtigter oder Ähnliches sein sollte.