Das ist halt eben das bittere daran, die CPUs hätten das wohl nicht nötig gehabt ...
Das würde ich als Fehleinschätzung auslegen, denn AMD hat es sehrwohl nötig, denn hier werden Consumer/Gamer angesprochen, die (im Mittel) auf andere Reize reagieren (als bspw. die Industrie, so konkret bspw. ein Datacenter).
Intels 9900K hat bereits 5,0 GHz Boost-Takt und gar 4,7 GHz AllCore-Boost-Takt (und wenn Gamer hier manuell Hand anlegen betreiben sie diesen Chip dauerhaft bei 4,5 - 4,7 GHz; natürlich mit entsprechender Verlustleistung).
Hätte AMD hier eher realistisch min. 100 MHz weniger angegeben, wäre es eine weitaus plausiblere Aussage und Werbung, aber deren Marketing hatte da wohl Einwände und am Ende das letzte Wort. Und auch wenn AMDs Entscheidung hierzu bereits Monate zuvor gefallen sein wird, wie "Empfindlich" oder eher "Verständnislos" Gamer da reagieren, haben die Vor-Veröffentlichungen zu Ice Lake U doch deutlich gezeigt, wo man das Produkt schon vorab verrissen hat, nur weil am Ende des Spektrums eine zu niedrige Taktzahl steht (und ohne dass konkret vermessbare Produkte verfügbar sind, d. h. wie das tatsächliche Taktverhalten aussieht kann man noch gar nicht absehen).
Ein derartig massiver Shrink des Fertigungsprozesses zieht nun einmal gewissen Einschränkungen nach sich und denen kann sich auch AMD nicht entziehen und offensichtlich ist man hier bei Matisse in Verbindung mit TSMCs 7 nm-Prozess (N7) bis ans Äußerste (oder vielelicht gar noch eher leicht darüber hinaus) gegangen. Epyc ist dagegen weitaus konservativer ausgelegt (selbst bei den 8- und 16-Kernern) und es bleibt zu hoffen, dass sie mit Threadripper nicht diesen gleichen Ego-Schmeichler-Unsinn versuchen. Eine Besserung diesbezüglich ist erst mit TSMCs N7P (u. U. auch eingeschränkt mit N7+) zu erwarten, eine Umstellung wird jedoch voraussichtlich erst mit Zen3 erfolgen.
Derweil wird Intels (zweifelsfrei teuerer) 9900KS mit 5,0 GHz AllCore-Boost-Takt verfügbar sein und der für Anfang 2020 zu erwartende Comet Lake-S wird ebenfalls in vergleichbarer Art takten können (und auf dessen 10 Kerne kann man gamingtechnisch gut verzichten, sodass man mit bspw. dessen 8-Kerner dort eine ausgereiftere Iteration erhält).
AMDs Marketing hat hier durchaus einen guten Grund grenzwertig hohe Werte anzugeben, denn auch wenn man P/L-technisch zweifelsfrei besser dasteht, bzgl. absoluter Performance kann man Intel nur bei den wenigen Spielen und Applikationen überbieten, die massiv MultiThreaded ausgelegt sind.
Anmerkung: Interessant werden dürfte auch der 3950X, der gar (derzeit) mit 4700 MHz Boost angebene wird. Beim 3900X erreichen bereits nur 0,6 % aller Chips diesen Takt (gemäß RHs Erhebung) und das, obwohl jeweils ein Core pro CCX deaktiviert ist.
Abseits dessen ist der Peak-SingleCore-Boost-Takt für die Praxis aber auch reichlich irrelevant, denn der liegt so gut wie nie an. Wie RH auch erklärte, hat man dennoch den Peak-Wert verwendet und keine Mittelung versucht auszuweisen, d. h. selbst wenn man mal irgendwo während der Laufzeit des Cinebench 4400 MHz auslesen konnte, dann lief die CPU dennoch bestenfalls vielleicht 30 % der Laufzeit mit um die 4300 MHz und nahezu 70 % der übrigen Zeit sogar mit weniger als 4300 MHz.
Da AMDs Rechtsabteilung die Produktspezifikation sehr sorgfältig ausgearbeitet hat, kann man ihnen hier jedoch leider nur ein moralisch verwerfliches Vorgehen vorwerfen. Transparenter und ehrlicher wäre zweifelsfrei die Ausweisung niedrigerer Werte gewesen, aber so funktioniert der Markt leider nicht.