@hoffgang: Lindner als Parteiführer steht unter Druck, ja, aber Lindner ist niemand, der eine Niederlage oder auch nur die Existenz einer rest-Partei eingesteht. Und solange die Grünen nicht von sich aus Kuschen (wieso sollten sie?) wäre Jamaika eine Niederlage auf ganzer Linie, gerade auch wegen 2017 als er es abgelehnt hat, obwohl sich Grüne und FDP damals noch weitaus näher standen. Ich würde erwarten, dass er die Koalitionsverhandlungen platzen lässt und danach vom Vorsitz geschmissen wird, als dass er sich einigt, um die FDP voranzubringen, wobei aber derart an Glaubwürdigkeit verlieren würde, dass sein Sitz genauso wackeln würde. Bei der Frage wird ihm persönliche Gesichtswahrung weit vor Parteiinteressen gehen.
Genau darauf wollte ich mit meinem Hinweis hinaus: Die Liberalen wollen gerne Königsmacher sein und liebäugeln längst mit anderen Optionen. Dazu passt auch, dass aus dem gelben Lager - ganz im Gegensatz zum schwarzen - keine oder doch nur seeehr verhaltene Spitzen gegen die SPD und die Grünen gibt, während man gleichzeitig mit Progressivität wirbt und dieser eine wirtschaftsliberale Richtung zu geben versucht. So nach dem Motto "Egal mit wem, wir kümmern uns darum, dass unsere Klientel nicht zu kurz oder doch zumindest geschont wird, soweit irgendwie möglich."
Man könnte es auch krass übersetzen mit "Rot und/oder Grün lässt sich in der Regierung eh nicht mehr vermeiden, aber wir kümmern uns, dass es nicht ganz so schlimm wird, liebe Zielgruppe!"
Blöd nur, dass Lindner vorher monatelang die Grünen zum Hauptfeind erklärt und auch das Wahlprogramm so geschrieben hat. Und die ganz wenigen Punkte, wo man sich eigentlich einig war, auch wenn beide in Wahlkampf und -program genau darum große Bögen gemacht haben (ggf. genau deswegen) sind eigentlich die Punkte, in denen man beide die SPD und Union ablehnen. Inhaltlich wären sowohl Schwarz/Grün/Gelb als auch Rot/Grün/Gelb ein einziges Pulverfass an dem außer der FDP niemand so wirklich großes Interesse haben dürfte. Trotz aller legendären Flexibilität würde ich aber nicht darauf wetten, dass Lindner sich aus Regierungsgeilheit diesmal so klein machen lässt, dass die FDP zum Trittstuhl für defacto Schwarz-Grün wird.
Die beste Möglichkeit für eine FDP-Regierungsbeteiligung ist in meinen Augen Rot/Schwarz/Gelb. Ironischerweise sollte die FDP dafür aber auf ein möglichst schlechtes Wahlergebnis hoffen. Denn die bisherige Koalition wird möglichst wenig Stress mit einem weiteren Juniorpartner haben wollen - und nachdem sich die SPD 8 Jahre, die Grünen 8 Monate bei der Union eingeschleimt haben, ist der Koalitionsvertrag für Rot/Schwarz/Grün praktisch schon geschrieben. Die beste Chance für die FDP, da rein zu kommen, ist "ein kleineres Stück vom Kuchen haben wollen als die Grünen", denn die bestehen eigentlich immer auf mehr, als ihnen vom Ergebnis her zusteht. Also steigen die Chancen der FDP mit jedem Prozent, dass sie hinter den Grünen abschneidet. (Aber nur, wenn sie den Abstand durch eigene Verluste erreicht. Werden die Grünen stärker, droht stattdessen natürlich R/G/R oder G/S)