Blog Alkis Blog #18 - Werks OC und seine Tücken

Incredible Alk

Moderator
Teammitglied
Nach dem überraschenden „Erfolg“ meines letzten…äähhmmm… ausgeuferten Blogs über die Glaubwürdigkeit von Programmen und Sensoren werde ich mich dann mal ein weiteres Blogmonstrum ablassen, dieses Mal zum häufig diskutierten Thema werksübertaktete Grafikkarten.


„Welchen Grund gibt es denn noch, sich eine normale Grafikkarte zu kaufen, wo doch das gleiche Modell mit 10% mehr Takt und Leistung nur 5€ mehr kostet?!“

So oder so ähnlich lauten häufig die Fragen die mir gestellt werden, und je nachdem wie tief der Fragende in der Materie ist (üblicherweise nicht grade tief…) kann es durchaus schwierig werden, plausible Erklärungen abzuliefern.

Eins vorneweg: OC-Modelle sind keineswegs generell schlecht und auch zu einem vermutlich sehr großen Teil entweder problemlos einsetzbar oder aber die Probleme werden vom Nutzer mangels Erfahrung niemals bemerkt (was natürlich nicht grade erfreulich ist). Es ist aber falsch zu glauben, dass solche Karten keine Nachteile gegenüber den Standardmodellen haben. Einige der größten Probleme, die Werksübertaktete Karten mitbringen (können), möchte ich hier näher beleuchten um etwas Licht in die teils an der Grenze zum Betrug liegenden Machenschaften mancher Hersteller zu bringen. Im einzelnen wären dies:

1.) Stabilität vs. Wirtschaftlichkeit
2.) Stabilität vs. Wirtschaftlichkeit 2 (:ugly:)
3.) Probleme mit Leistungsbegrenzern
4.) Lüfter im Rausch


1.) Stabilität vs. Wirtschaftlichkeit

Versetzen wir uns mal in die Lage eines Herstellers, der ein übertaktetes Modell einer Grafikkarte unter die Leute bringen will. Wie alles andere auch in der freien Marktwirtschaft muss auch dieses Vorhaben gewissen wirtschaftlichen Ansprüchen genügen, denn ohne einen Gewinn zu erwirtschaften wird niemand so etwas tun wollen.
Beispielsweise muss die Stabilität der Karte gewährleistet sein, ohne aber dafür jede Karte stundenlang Belastungstests unterziehen zu können um die besten Einstellungen für den gewünschten Takt zu ermitteln (diese sind bei jeder Einzelkarte anders!), das wäre viel zu teuer – niemand kauft ein OC Modell, das für 10% mehr Takt 20% mehr kostet.

Wenn man sich nun in den Preissuchmaschinen umsieht fällt auf, dass OC Varianten mancher Karten nur wenige Euro mehr kosten als das Standardmodell. Das hat zwar auch ein Bisschen was mit Angebot und Nachfrage und sonstigen wirtschftlichen Aspekten zu tun; die Tatsache, dass es aber meist nur kleine Beträge sind, lässt darauf schließen, dass die Tests der OC-Karten nur sehr rudimentär ausfallen können – nämlich höchstwahrscheinlich folgendermaßen:

Der Hersteller schnappt sich einige wenige Karten und testet diese auf Stabilität, während der Takt schrittweise erhöht wird. Auf diese Art stellt man mit der Zeit fest, dass selbst die schlechteste getestete Karte sagen wir mal statt 800 MHz eben 930 MHz bei geringfügig angehobener Spannung stabil schafft.

Um noch eine gewisse Sicherheit zu haben und RMAs zu vermeiden wird der Takt des OC Modells nun auf 900 MHz festgelegt und zukünftig alle OC Modelle schlichtweg auf diese Settings geflasht – und nach einer kurzen Endkontrolle (man sieht kurz nach ob die Karte läuft nach dem BIOS-Flash) als OC Modell verkauft. Einen echten Stabilitätstest der Karte (mehrere fordernde Spiele über Sunden testen) wäre viel zu teuer.

Nun kann es dummerweise vorkommen, dass es vielleicht irgendwann Karten gibt, die schlechter übertaktbar sind als diejenigen, die für das ausloten der 900 MHz verwendet wurden, denn die Fertigungsqualität von GPUs ist nicht 100% konstant.
Oder es kann passieren, dass neue Spiele auf den Markt kommen, die eine höhere GPU-Auslastung erzielen als die im Test verwendeten Spiele und Anwendungen. Das hat dann dummerweise zur Folge, dass die OC Modelle ihren Takt nicht stabil schaffen und abstürzen – so flächendeckend geschehen bei diversen GTX560Ti OC Modellen, die beim Release von Battlefield 3 reihenweise die Segel streckten.

Und was taten die Hersteller? Sie hatten keine Wahl außer das Problem totzuschweigen (was die übliche Vorgehensweise ist, nur dieses Mal war die Menge der instabilen Karten im Umlauf einfach zu groß) oder ein BIOS-Update für die Karten anzubieten, das das OC verändert.

Nun konnte man dem Kunden schlecht sagen „tut uns leid, dein OC Modell ist einfach ne billige Karte die den Takt nicht schafft und der Takt muss wieder runter“ sondern musste den beworbenen Takt irgendwie halten. Wie ist klar – mit mehr Spannung für die GPU. Und so taten diese Problemlösungs-BIOS-Updates nichts mehr, als die Spannung der GPU anzuheben – so viel, dass die Karte auch ja nie wieder instabil werden würde, heißt auf deutsch in astronomische höhen. Und das auch noch auf das Risiko der Kunden, denn bei (auch offiziellen) BIOS-Updates geht die Garantie der Karte verloren.

Offensichtlich ist man an diesem Punkt auf folgende Idee gekommen: „Wieso denn nicht gleich so?“, was uns zum zweiten Abschnitt führt:


2.) Stabilität vs. Wirtschaftlichkeit 2

Anstelle langwierig zu testen und am Ende doch zu riskieren, dass schlechtere GPU-Qualitäten oder andere Bedingungen in Spielen zu Abstürzen führen, so dass man ein „Spannungsupdate“ nachschieben muss könnte man die Karte doch gleich mit einer „sicheren“ Spannung ausliefern!
So erspart man sich nicht nur das teure testen und ausloten der richtigen Einstellungen sondern muss auch noch keine instabile Karten mehr in der RMA ersetzen. Ist doch toll, oder?

So sind mittlerweile Karten im Umlauf, die als OC Modell Spannungen anlegen, die weit über dem liegen, was tatsächlich für den anliegenden Takt nötig wäre.
Das hat natürlich einen deutlich höheren Verschleiß, höhere Leistungsaufnahme und am Ende auch eine höhere Lautstärke zu Folge als eigentlich nötig. Die Krönung davon ist dann, dass teilweise dennoch die normale (von AMD/Nvidia vorgegbene) TDP angegeben wird obwohl diese bei einer solchen Spannungserhöhung niemals eingehalten werden kann.

Und so wundert sich der eine oder andere, warum sein Netzteil die neue Grafikkarte nicht packt obwohl die laut Datenblatt doch nur höchstens 175 W verbraucht… dass das OC-Holzhammer-Modell (in dem Falle älterer Karten, dazu später mehr) aber vermutlich 200-250W verbrät um 100 MHz mehr zu schaffen lässt man oft im dunkeln.

Wenn man dann noch das Pech hat eine Karte gekauft zu haben, die das Anpassen der Spannung per Softwaretool nicht erlaubt kann man (ohne komplizierten BIOS-Mod oder gar dem Lötkolben) nicht mal was daran ändern, dass die Karte sinnlos Strom verheizt.
Man kann höchstens den Takt noch weiter anheben um die Reserven, die durch die zu hohe Spannung nun mal da sind, wenigstens auszunutzen… spätestens da stellt sich aber das Problem der Leistungsbegrenzer, sollte es sich um eine Kerte der neueren Generation handeln.


3.) Probleme mit Leistungsbegrenzern

Spätestens sei der momentan aktuellen Generation von Grafikkarten (HD7000, GTX600) können beide Lager den Stromverbrauch ihrer Karten in Echtzeit messen und ihn durch eine dynamische Taktänderung der GPU in beide Richtungen beeinflussen.
Eigentlich eine tolle Sache, man kann nicht nur garantieren, dass die Karte niemals mehr verbraucht als auf der Packung steht, sondern auch vielleicht vorhandene Reserven im Stromkontingent in mehr Takt umwandeln – werbeintensiv „Turbo“ genannt.

Fortgeschritteneren Benutzern bietet man sogar die Möglichkeit, diese Funktion nach Belieben anzupassen! Reicht die Leistung für ältere Spiele massig aus so senkt man den erlaubten Stromverbrauch und kann mit reduziertem Takt und leiser Karte ökonomisch die weniger fordernden Spiele spielen. Darfs etwas mehr sein erhöht man das Limit und die Karte läuft konstant im Turbomodus – oder eben noch darüber hinaus sollte man da ebenfalls Hand anlegen.

Wo liegt nun das Problem mit OC Modellen wird man sich fragen. Es liegt darin, dass die allermeisten Kunden keine Ahnung von dieser Funktion haben und die Funktion standardmäßig natürlich auf „0“ steht, also die Karte darf genauso viel verbrauchen wie die TDP eben vorgibt.

Man erkennt nun vermutlich das Problem: Die Holzhammer-Spannungs-OC-Karten haben ihre 100 MHz mehr und ihre Stabilität mit sehr hoher Spannung und entsprechend hohem Stromverbrauch erkauft. Wird nun das erlaubte Stromlimit nicht mit angehoben (was nun mal nur per Treibersoftware geht), so stoßen viele Karten bereits an dieses Limit, bevor sie überhaupt ihren Standardtakt erreicht haben – und werden vom Limit eingebremst und heruntergetaktet.

Ergebnis ist (als Beispiel die HD7970 genommen): Eine Karte, die ab Werk mit 925 MHz laufen soll wird im OC Modell mit 1100 MHz angepriesen. Die stark erhöhte Spannung bewirkt jedoch, dass das Stromlimit bei hoher GPU-Last bereits bei 750 MHz erreicht wird und die Karte dort vom Treiber eingebremst wird.
Wo also etwa bei Half-Life 2 oder ähnlichem dank geringer Last noch 1100 MHz anliegen wird bei Battlefield 3 oder vergleichbarem gerade wenn man die Leistung braucht der Takt bei 700-800 MHz hängen bleiben – und am Ende ist die OC-Karte langsamer als die Standardkarte!

Das alles kann man zwar einfach umgehen, indem man im Treiber eben ein höheres Stromlimit erlaubt und die Karte dann auch in BF3 die 1100 MHz fährt, da aber der größte Teil der Kunden (ok, bei einer 7970 vielleicht schon aber bei Mainstreamkarten, die das gleiche Problem haben sicher nicht) davon nichts weiß erhält der Kunde für seinen Mehrpreis unter Umständen eine geringere Leistung als mit einer Standardkarte!


4.) Lüfter im Rausch

Doch nicht nur mit fps, Taktraten, Wattangaben und so weiter kann man hier ins Klo greifen, auch was die Karte nach außen hin von sich gibt könnte den ein oder anderen erzürnen.

Die Rede ist vom Kühlsystem der Karten, das unter dem Auftrag, die nun erheblich angestiegene Abwärme der OC-Karze wegzuschaffen, gehörig ins schwitzen geraten kann. Besonders bei Modellen mit Referenzkühlern (die nun mal eben auf die Standard-TDP für die entsprechende Karte dimensioniert sind), aber auch bei manchen Custom Modellen kanns da sehr laut werden.

Hintergrund für das alles ist (sonst würde es nicht funktionieren), dass man die Sicherheitsreserven der Kühlsysteme ausnutzt (die eben bei Referenzkarten kleiner und bei Customlösungen meist größer sind).
Die Kühler für eine sagen wir mal 200 W Karte werden so ausgelegt, dass man dauerhaft 200 W Abwärme an die Umgebung abgeben kann, ohne dass die GPU ihre Maximaltemperatur überschreitet.
Das muss nun dummerweise auch in extrem schlecht belüfteten und verstaubten Kleingehäusen die in einem Schrank stehen funktionieren, weswegen die Kühler für die allermeisten Menschen bei denen das eben nicht so ist überdimensioniert sind.
Das ist daran zu erkennen, dass die Karte in einem gut belüfteten Gehäuse unter Vollast eben nicht bei 100% Lüfterdrehzahl grade eben unter ~100°C verweilt.

Bei OC Karten wird dieser Spielraum nun ausgenutzt, aber es ist oftmals zu unsicher, sich auf die normale Lüftersteuerung der Standardkarte zu verlassen… man will ja keine gegrillten Karten in der RMA haben, und außerdem in den Tests der Karte mit möglichst geringen Lasttemperaturen glänzen (mit den Lautstärkewerten können nur wenige wirklich was anfangen, Temperatur ist da wichtiger weil’s jeder kennt).

Und so wird manchmal auch bei viel leistungsfähigeren Custom-Kühlern eine Kennlinie ins BIOS gebrannt, die bereits bei (für eine GPU geradezu kalten) 60°C eine ohrenbetäubende Lüfterdrehzahl vorsieht.

Auch hier bestünde für den geneigten Nerd wieder Handelungsbedarf – schließlich lassen sich solche Lüfterkennlinien mit einschlägigen Tools manuell einstellen und so kann die Karte auch leise und trotzdem kalt genug betrieben werden.

Aber wehe wenn denn etwa das Problem des Lüfters UND das Problem der Leistungsbegrenzung gleichzeitig auftreten! Wenn man dann nicht sehr viel Glück hat und ein Tool oder Einstellungen findet die es erlauben, gleichzeitig den Lüfter zu regeln UND das Stromlimit der Karte anzuheben kann man wählen aus „Schnell und sehr laut“ oder „langsam und leise“ – die Option „schnell und leise“ wäre zwar technisch kein Problem, wurde in dem Falle leider von den erklärten Mechanismen der Marktwirtschaft gesperrt.



Fazit:

Übertaktete Modelle können tatsächlich für kleines Geld eine nennenswert höhere Leistung aus einer Grafikkarte holen und auch wenn das Glück mitspielt problemlos laufen und so ihren weniger bewanderten Eigentümern gute Dienste leisten.

Da es aber hier und da doch sehr ärgerliche Dinge zu beklagen sind, die hauptsächlich aus der Prämisse „Es muss so billig wie irgend möglich sein!“ entstehen sollte man doch wenn entsprechende Kenntnisse vorhanden sind in Betracht ziehen, das OC selbst vorzunehmen – sofern man nicht unter keinen Umständen auf die Garantie der Karte verzichten will.

Das alles ist zwar etwas mehr Arbeit, dafür bleiben einem aber viele (leider noch nicht alle) Miseren erspart, man erhält falls gewünscht eine maximal effiziente Karte, spart noch ein paar Euro und vielleicht machts am Ende sogar ein wenig Spaß.
 
Genau wie die anderen Blogs von dir super:daumen::hail:

Aber ich muss sagen mit meiner EVGA GTX 680 Superclocked bin ich sehr zufrieden:D zumal sie beim Kauf nur 5€ mehr gekostet hat als die normale Version
 
Klasse Beitrag, werd ich weiterempfehlen:daumen: Mit meiner Karte habe ich zum Glück die für mich "eierlegende Wollmilchsau" gefunden. Sehr fix und trotz zusätzlicher manueller Übertaktung fast unhörbar:hail:

Gruß
 
das war mein 2ter blog den ich überhaupt lese und so langsam gefällts mir =)
super beitrag
außerdem fühle ich mich jetzt echt bestätigt das ich mit meiner VTX3D Radeon HD 7950 X-Edition (V2), nem ASIC von 92,5% und 1GHz bei nur 1,00V, 78°C unter Dauerlast und noch aktzeptabler Lautstärke ein Glücksgriff gelandet habe :hail:
 
Zurück