Was die Schläuche angeht hab ich ja bereits gesagt, dass wir da im laminaren Bereich liegen - keine Frage. Darum geht´s aber bei der 30l/h-Regel nicht. Es geht um die Kühler, genauer gesagt um die Kühlstrukturen über den Chips. Ich glaube das Problem liegt darin, dass du einerseits die kritische Reynoldszahl als scharfe Grenze zwischen laminarer und turbulenter Strömung begreifst und dich andererseits darüber wunderst, warum bei höheren Re-Zahlen immer noch laminare Strömungsanteile feststellbar sind.
Um das aufzuklären, muss man den eigentlichen Unterschied zwischen laminarer und turbulenter Strömung betrachten:
Auf was es in der Kühlstruktur ankommt, ist die Tatsache, dass die laminare Grenzschicht möglichst großflächig aufgelöst wird, damit die direkte Wärmeübertragung von der Wandung ans Wasser über möglichst große Flächen erfolgen kann. Bereits bei unterkritischen laminaren Strömungen wird die Grenzsicht deutlich dünner, aber sie ist noch vollflächig erhalten (außer an Abrisskanten etc.), was die Wärmeübertragung aufgrund der schlechten Wärmeleitfähigkeit des Wassers massiv behindert. Die Wärmeübertragung erfolgt innerhalb der laminaren Grenzsicht rein über Wärmeleitung. Kommt die Strömungsgeschwindigkeit innerhalb einer Struktur in den Bereich überkritischer Re-Zahlen ändert sich das. Mit dem lokalen Erreichen der kritischen Re-Zahl wird es für Wassermoleküle mit einem Vektor quer zur Flussrichtung der Kernströmung erstmals möglich die Grenzsicht bis zum Festkörper zu überwinden. Das geschieht zunächst lokal bei erreichen der kritischen Re-Zahl (aber zuvor eben gar nicht) und bereits mit nur geringfügig höherer Strömungsgeschwindigkeit passiert es auf einem großen Anteil der angeströmten Fläche. Dadurch steigt der Strömungswiderstand etwas aber der Wärmeübergang profitiert enorm. Sobald ein Großteil der Übertragungsflächen turbulent angeströmt ist (das bedeutet nicht verwirbelt o. ä., sondern einfach schnell genug, um die Grenzsicht bis zur Oberfläche aufzulösen) wird der Wärmeübergangskoeffizient innerhalb eines kleinen Deltas der Re-Zahl extrem verbessert. Die Überwindung der Grenzschicht durch Moleküle aus der Kernströmung ist im Übrigen auch eine Methode um die kritische Re-Zahl zu ermitteln. Erst wenn es für ein Teilchen der Kernströmung mit einem Geschwindigkeitsvektor quer zur dieser möglich ist die Grenzschicht komplett zu überwinden ist die kritische Re-Zahl erreicht. Bei überkritischen Re-Zahlen können dann sehr schnell auch viele Wassermoleküle aus der Kernströmung bis zur Wandung gelangen und dort direkt Energie aus der Gitterschwingung des Festkörpers aufnehmen. Im streng laminaren Fall ist das nicht möglich, und der gesamte Wärmetransport erfolgt durch die Grenzschicht mit ihrem schlechten Lambda, was den Wärmeübergangskoeffizienten extrem verschlechtert.
Der laminar-turbulent-Übergang ist aber deshalb kein abrupter Übergang, sondern nur einer, dessen Auswirkungen sich sehr abrupt ändern - nämlich u. a. im Sinne des Wärmeübergangskoeffizienten.
In PC-Wasserkühlern ist und war auch schon vor vielen Jahren, als die Kanäle der Kühlstrukturen noch etwas breiter waren, innerhalb der Speedchannels oder innerhalb der Pinfelder bei 30l/h stets turbulente Strömung mit Re-Zahlen weit bis sehr weit oberhalb von 2500 vorherrschend. Dass man auch bei noch höheren Re-Zahlen noch laminare Strömungsanteile feststellen kann ist zwar unbestreitbar, allerdings mit steigender Strömungsgeschwindigkeit in zunehmend geringer werdendem Umfang. Daher gilt es die kritische Re-Zahl, die streng genommen in jedem Punkt der Struktur, außer gleichförmigen Kanälen, lokal zu betrachten wäre, sicher zu überschreiten und so den direkten Wärmetransport zu ermöglichen. In üblichen Kühlstrukturen ist die kritische Re-Zahl je nach Feinheit und Geometrie der Kühlstruktur meistens bereits ab ca. 10-15l/h erstmals erreicht und der Wärmeübergang verbessert sich gegenüber noch niedrigeren Strömungsgeschwindigkeiten bei denen streng laminare Strömung vorherrscht plötzlich deutlich (auch da gibt es an Abrisskanten durch Verwirbelung schon sehr kleine Bereich mit direkter Wärmeübertragung aber das ist vernachlässigbar). Bei 30l/h kann man in heute üblichen Kühlstrukturen, aber auch in Strukturen wie sie vor fünf Jahren oder noch früher üblich waren, bereits von massiv überwiegend turbulenter Anströmung der aktiven Flächen ausgehen, was sich auch im Wärmeübertragung mehr als deutlich zeigt. Dass dabei immer noch Strömungsanteile laminar sind (das bedeutet letztlich, dass eben nicht jedes Wassermolekül die Wandung erreicht) ist richtig - aber nicht mehr fürchterlich relevant . Grundsätzlich ist das theoretisch wie gesagt auch bis zu deutlich überkritischen Re-Zahlen möglich, aber es spielt mit zunehmendem Turbulenzgrad eine immer geringer werdende Rolle. Das ist auch der Grund warum das DeltaT zwischen Chip und Wasser mit zunehmendem Durchfluss immer weniger abnimmt. Bereits ab ca. 60l/h ist der Wärmeübergang in üblichen Kühlstrukturen so gut, dass die Weitere Steigerung der Strömungsgeschwindigkeit nur noch verhältnismäßig geringe Auswirkungen hat. Alles was darüber hinaus geht, verbessert zwar grundsätzlich noch den Wärmeübergang, aber eben nur noch in sehr geringem Ausmaß. Oft steht der Aufwand den man für den geringen Effekt betrieben muss in einem sinnvollen Verhältnis dazu.
Allgemein muss man einfach sagen, dass der laminar-tubulent-Übergang eben keine scharfe Grenze ist. Er wirkt sich nur wie eine recht scharfe Grenze aus.
Was die nicht strukturierten Teile ein full-cover-Kühler angeht gebe ich dir natürlich recht, dort herrscht in der Regel keine turbulente Strömung, und u. U. sogar geringere Re-Zahlen als im Schlauch. Entsprechend schlecht ist der Wärmeübergang im Vergleich zur Kühlstruktur über dem Chip. Allerdings ist hier halt auch kein perfekter Wärmeübergang nötigt da die Wärmestromdichten der zu kühlenden Spannungswandler und RAM-Bausteine viel geringer sind. Die Wärme verteilt sich hier stärker in Lateralrichtung und wird vergleichsweise langsam und ineffektiv durch die laminare Grenzsicht übertragen. Das ist aber kein Drama. Beim Chip mit seiner Wärmestromdichte die in vielen Fällen der Wärmestromdichte an der Nasenkante beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre gleichen kann, sieht das ein bisschen anders aus...