Klar hat das Ding nicht die Leistung aktueller Notebooks. Vom Prinzip her muss es das aber auch gar nicht - für die meisten Standardanwendungen für Büros/Behörden reicht das aus. Internet, Office (Linuxalternativen), Drucken, einfache Bildbearbeitung sowie Videos funktioniert damit auch. Wie stark China hier in Zukunft Rußland unterstützt wird sich zeigen - dank der aktuellen Handlungen, darf man aber nicht viel positives aus westlicher Sicht erwarten.
Eine Leistungseinschätzung ist schwierig, aber ich würde deine Beschreibung für optimistisch halten. Die erste Annäherung an 8× A57 1,5 GHz, die ich finden kann, sind AMDs A1100 Seattle Opterons (etwas höher getaktet) – an die sich vermutlich niemand mehr erinnert und die niemand öffentlich getestet zu haben scheint, von denen aber eine Performance deutlich unter dem Niveau von Intels zeitgenössischen Atoms erwartet wurde. Als zweite Näherung zeigt
dieser eine Benchmark (Aussagekraft in dem Zusammenhang unklar) die Leistung eines A57-Quadcore knapp über einem Celeron N2920. Also der Billigausgabe einer Mobileversion eines Quadcore aus der 2013 Vorgängergeneration zuletzt genannter Atoms. Der einzige andere x86-Quadcore, der in dieser Auflistung ähnlich lahm ist, wäre Vias Eden bei 1,2 GHz. Alle anderen sind (aaaaaalte) Dual-Cores, aber von den Quad-Core-Atoms ist bereits die Single-Thread-Leistung als größtes Problem bekannt. Vermutlich werden dem Baikal auch seine gegenüber besagtem Celeron verdoppelten Kerne in Desktopanwendungen eher wenig bringen. Das reine Single-Thread-Rating liegt dagegen auf dem Niveau eines
Pentium 4 2,2 GHz, also aus der 400er-FSB-kauft-lieber-Pentium-III-Generation. Bei typischer Multithreadnutzung könnte ein Vielkerner vielleicht die Nutzererfahrung eines späteren Pentium D oder Athlon 64 X2 bieten (die zwei Kerne mit je gut 50 Prozent mehr Leistung bieten.
Damit wären dann Textverarbeitung und Office-Drucken drin, bei nicht all zu hohen Ansprüchen an Echtzeitfeedback auch Bildbearbeitung. Aber bereits große Excel-Dokumente können Prozessoren dieser Leistungsklasse an ihre Grenzen bringen, Datenbanken erst recht. Für professionellen Druck/Layout wurden damals teilweise noch Multi-CPU-Workstations verwendet. Video? Da die Baikals eher mit Blick auf Server entwickelt wurden, dürften Multimedia De- oder gar Encoder fehlen. Moderne Codecs kann das Ding möglicherweise nicht einmal in FHD abspielen, Bearbeitung wird vermutlich auf DVD-Formate oder schlechter beschränkt sein. Internet hängt natürlich stark vom Inhalt ab, aber sagen wir mal so: Den Zugriff auf westliche Seiten mit modernem Javascript muss Raussland dann nicht mehr aktiv blocken, die werden automatisch gemieden.
Das alles unter der Annahme angemessen optimierter Software – an die ich aber nicht glaube. Android dürfte aufgrund westlicher Kontrolle weder von Russland gemocht noch aufgrund westlicher Sanktionen sonderlich gut nutzbar sein. Selbst wenn sind für 10 Jahre alte Tablets entwickelte Apps heute nur noch über Archivseiten zugänglich und waren nie als Ersatz für Desktopanwendungen ausgelegt, weil damals eben schlicht die Leistung fehlte. Stattdessen wird Russland auf ein selbst kompiliertes ARM-Linux setzen müssen und auf Software, die eigentlich für weitaus leistungsfähgiere Systeme oder gar solche mit abweichender Architektur entwickelt wurde. Möglicherweise ist die Alltagserfahrung also noch einmal 20-50 Prozent schlechter, als bei oben zitierten x86-Systemen mit zeitgenössischer Windowsumgebung. Ich glaube ein gewisser Präsident hat vor einem halben Jahr eine Rückkehr zu Verhältnissen aus den 90er Jahren gefordert – elektronisch stimmt der Kurs schon mal.
tl;dr: Das Ding ist nicht schlecht, das Ding ist RICHTIG schlecht.