Immer wieder wird darüber gemeckert, dass Minister keine Ahnung haben und jetzt haben wir in der Pandemie jemanden der das gelernt hat und jetzt schon wieder solche Kommentare.
Viel von seiner "Ahnung" ist auch Interpretation, manches ein wenig anmassend - und haetten die Medien ihn nicht aufgebaut (es geht das Geruecht, er haette mit Lanz in einer WG gelebt), waere er heute immer noch launiger Fliegentraeger ohne Verantwortung.
So ist er z. B. zwar durchaus Arzt, Ja. Konkret hat er zwischen 1982 und 1989 in Aachen, Duesseldorf und Texas Humanmedizin studiert. Die Approbation - also die Zulassung als Arzt - hat er aber erst 2010 erhalten, als er laengst Berufspolitiker war. Lauterbach ist also, Achtung Wortwitz, praktischer Arzt ohne praktische Erfahrung. Das bedeutet nun nicht notwendigerweise, dass er ein schlechter Arzt ist - es laesst aber den Sockel, auf den man ihn stellt und auf dem es ihm auch sichtlich gut gefaellt, etwas weniger hoch erscheinen.
Und apropos Sockel. Er wurde (inzwischen ist das nicht mehr der Fall) gerne als "Epidemiologe" anmoderiert und hat das auch selbst nie geradegerueckt. Tatsaechlich hat er aber an der Harvard Public School of Health in Boston "Health Policy and Management" studiert und darin auch einen Dr. sc. inne. Die Abschlussarbeit umfasst mit Vorwort, Inhaltsverzeichnis und Quellennachweis 117 Seiten; einen (eher nichtssagenden) Auszug daraus gibt es bei ihm selbst zu
besichtigen. Fun Fact - meine Frau lernt u. a. in ihrem Universitaetsklinikum Pflegekraefte an. Um sich dafuer zu qualifizieren, musste sie selbst eine 1jaehrige Zusatzausbildung absolvieren und u. a. mehrere Hausarbeiten und eine Abschlussarbeit schreiben. Die war laenger.
Fazit - verfuegt Lauterbach ueber genug Sachverstand, um die Studien, die er inhaliert, zu verstehen? Hoffentlich. Macht das einen Epidemiologen aus ihm? Noe.
Und noch ein "apropos" hinterher. Der Sozialdemokrat (!) Lauterbach findet neben dem Lesen von Studien zwar noch Zeit, Buecher ueber das Zwei-Klassen-Gesundheitssystem in Deutschland zu schreiben - darauf, dass er einen gut dotierten und ihn scheinbar nicht all zu sehr beanspruchenden Vorstandsposten bei den Rhoen-Kliniken hatte, wurde er aber nicht so gerne angesprochen und insbesondere zur Hoehe seines Salaers gab er sich recht zugeknoepft - obwohl er ansonsten scheinbar nichts so sehr liebt wie: Airtime. 2013 hat er das Gremium dann (der Aussenwirkung wegen?) verlassen. Seine Einkommensnachweise bei Abgeordnetenwatch sind traditionell eher duenn (Einstufungen statt konkreter Zahlen) und bestehen aktuell vor allem aus Nachmeldungen - obwohl niemand! sonst 2021 so oft in Talkshows zu besichtigen war.
Das Relativieren von Aussagen, die mit seiner Agenda ueber Kreuz liegen, ist bei Kalle Unwirsch uebrigens nicht neu. In der Pandemie hat er wiederholt solchen Aussagen oder Studien in plakativen Einzeilern widersprochen, die ihm nicht passten und z. B. englische Wissenschaftler ueber die Infektioesitaet von Delta (also quasi die englische Variante) belehrt und spanische Behoerden implizit des Verfaelschens von Inzidenzen bezichtigt. Im Wahlkampf verstieg er sich sogar zu der Aussage, Cannabis sei mit Heroin verunreinigt - was von Strafverfolgungbehoerden als Mythos bezeichnet wurde. Man koennte auch sagen: Verschwoerungsgeschwurbel.
Um Olaf Scholz mache ich mir wenig Sorgen - wenn der seinem Muster treu bleibt, hat er in spaetestens einem Vierteljahr eh wieder vergessen, dass er Kanzler ist. Aber Lauterbach ist eine schwere Hypothek.
P. S. Ich bin mal gespannt, wie lange das hier steht - formal sind ja Corona-Diskussionen unerwuenscht. Es waere nur schoen, wenn dann konsequenmt durchgewischt wuerde und nicht selektiv.