Aber mit leben und einen eigenen Staat haben, ist grundlegend was anderes.
Das britische Mandat endete 1948 und die Juden haben an dem Tag Israel als unabhängig erklärt. die Palästinenser hätten das genauso machen können. Das Land war ja da.
Die Kontrolle über das Land aber nicht. Die wurde von den Briten an die Zionisten übergeben, ohne die Einheimischen zu fragen. Die an zweiter Stelle genannten haben sie dann genutzt, um letztere zu vertreiben.
Ein palästinensischen volk gab es schon, auch ohne Staat.
Es gibt ja auch Holsteiner und Schleswiger, die auch kein Staat hatten, aber die Volksgruppe gibt es ja schon länger als es das Bundesland gibt. Wie lange gibt es schon Nordfriesen?
Wie lange haben sie schon eine gemeinsame Sprache, Kultur, Geschichte? Die "Palästinenser" hatten bis 1948 nichts von alldem. Natürlich war der weit überwiegende Teil der Bevölkerung in der Region arabischstämmig. Aber auf hoher Eben betrachtet waren es alles Einwohner des osmanischen Reichs respektive später des britischen Herrschaftsgebiets und feinskalig waren sie in kleinere Stämme gegliedert, deren Verteilung, wie so oft, nichts mit den kolonial gezogenen Grenzen zu tun hat. Die Anwohner des linken Jordan-Ufers hatten schon damals mehr mit denen des rechten gemeinsam, als mit den Küstenbewohnern aus Gaza, die sich eher mit ihren unmittelbaren Nachbarn aus dem heute zu Ägypten zählenden Gebiet verstanden. Und die Haifianer hätten sich, hätte man sie gezwungen eine Zugehörigkeit zu heutigen Staaten der Region zu wählen, vermutlich am ehesten als Libanesen gezählt.
Aber de facto gab es da überhaupt keinen fortgeschrittenen Nationalismus. Höherrangige Selbstorganisation hatten sowohl Osmanen als auch Briten nach Möglichkeit verhindert. Das "wir"-Gefühl entstand erst aus der Nakba heraus, als auf einmal ein von Kolonialmächten definierter Teil dieser nebeneinander her lebenden arabischen Stämme die gemeinsame Erfahrung "von Israel vertrieben oder von Israel Vertriebene aufgenommen und auf von Israel beanspruchten, vertreibungsgefährdeten Territorium lebend" gemacht hat. Selbst dann dauerte es noch eine halbe Generation, bis man die Ost- und Westvertriebenen im Westjordanland und Gaza als "Palästinenser" zusammenfasste. Vorher wurden sie vorübergehend als Jordanier respektive Ägypter eingestuft, aber da hatte Israel dann (aus innerhalb dieser Situation vollkommen legitimen Gründen) etwas dagegen und so wurden sie schließlich genauso staatenlos, wie die in libanesische Lagern festgesetzten Flüchtlinge.
Ok, ich halte fest: Die Menschen verschiedener Religionen im Gebiet Palästina, nennen sich Palästinenser und leben jahrhundertelang friedlich miteinander. Eine aus Europa initiierte Gründung eines jüdischen Staates, namentlich Israel, wird mit Abstimmung überwiegend europäischer Staaten (UN Mitglieder vor 48) dort durchgeführt, woraufhin gewaltsame Konflikte entstehen. In den weiteren Jahrzehnte wird dann immer mehr Gebiet der muslimischen Bevölkerung mit Gewalt besiedelt und ein großer Teil der muslimischen Bevölkerung hinter einer mehrere Meter hohen Steinmauer eingepfercht.
"Friedlich" und "woraufhin gewaltsame Konflikte entstehen" sind ganz sicherlich nicht die richtigen Ausdrücke für das, was zwischen Ende der osmanischen Unterdrückung vor 1948 in der Region los war. "Überfälle", "bürgerkriegsähnliche Zustände" und "Völkermordversuche" trifft es besser. Und zwar sowohl von zionistischer Seite als auch von einigen einheimischen Akteuren, obwohl die erste Siedler noch größtenteils legal an Land kamen, in dem sie es palästinenischen Eigentümern abkauften, also nach absolut jedem Rechtsverständnis dort zu Hause waren. Die ersten Panzerfahrezuge in der Region hat nicht Israel eingesetzt und auch kein Angreifer gegen Israel, sondern Großbritannien. Und die waren heilfroh, als sie abziehen konnten um den Schlamassel anderen zu überlassen.
Blöd halt, dass das mit dem "über-" und "zurücklassen" in einer globalisierten Welt nicht funktioniert.