Sockel 775 war in vieler Hinsicht ähnlich dem Sockel A: Man brauchte für fast jede neue Generation ein neues Mainboard, weil wieder irgendwas geändert/beschleunigt wurde. Respektive nach der ersten Generation eine verdächtiger Weise schon vorher existierende Funktion zurückkehrte. Aber die Platinen waren immer abwärts kompatibel. Intel hat erst sehr spät die ersten Generationen aus dem offiziellen Support gestrichen, aber da wurde einfach nur die Zertifizierung eingespart. Es gab keinen technischen Grund und auch keine künstlichen Sperren und bei vielen Mainboards läuft es einfach oder wurde vom Mainboard-Hersteller selbst zertifiziert. Generationen, so wie ich sie im Kopf habe:
#1: i915/925: Netburst 500, 600 (aber keine Dual-Cores)
#1,5: i925xe: 500, 600 + 3,46ee (Upgrade auf 266er FSB)
#2: i945/955: 500, 600, 800, 900 (55 auch EE)
#3: i965/975: 500, 600, 800, 900, Core 2 6000
#4: P35/X38: 500, 600, 800, 900, Core 2 6000, 9000
#4.5: P45/X48: (500), 600, (800), 900, Core 2 6000, 9000 (und DDR3, was aber nur selten genutzt wurde)
Joker: Der i865 stammte noch aus Sockel-478-Zeiten und die damit versehenen Billig-Boards unterstützten in der Regel alles bis zum Pentium D 9XX. Asrock hat damit auch noch Conroe-taugliche Platinen nachträglich rausgebracht.
Wenn man sich nicht an die Takt-Specs gehalten hat, waren meiner Erinnerung nach zudem 9000er Core 2 auf i965/i975 kein Problem oder P4EE auf i865/i915/i925. Harte Schranken existierten innerhalb der Plattform nur in Form der Dual-Core-Sperre bei 915 & 925 und in Form der neuen Stromversorgung für Core 2, die bis einschließlich 955er Platinen halt noch nicht existierte. Besagte Sperre wäre reichlich ärgerlich gewesen, hätte es überhaupt einen Grund gegeben die 500er Prescotts zu kaufen. Aber sonst war der Sockel 775 sogar relativ Aufrüster-freundlich. (Es sei denn natürlich, man hat Nforce-Boards gekauft. Nvidia hat teils nicht einmal eine komplette Generation unterstützt und auch offiziell kompatible CPUs liefen nicht immer fehlerfrei.
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Zum Vergleich: Der Sockel A hatte, trotz kürzerer Laufzeit, drei FSB-Abstufungen (100, 133, 166 MHz und OEM gab es meiner Erinnerung nach auch einen 200er = FSB400), die Chipsätze aber selten genug OC-Reserven, um so einen Schritt ohne Mainboard-Neukauf mitzumachen. Ich glaube von den frühen 133-MHz-Platinen waren zudem einige noch aus anderen Gründen nicht Athlon-XP-tauglich. Man konnte zwischen Thunderbird 1000 und XP 3800+ also bis zu fünf Platinen kaufen. Der eigentlich ebenfalls recht langlebige Sockel 370 brachte derweil zwei Wechsel der Stromversorgung (da waren nicht einmal alle Boards abwärtskompatibel) und anderthalb des FSB-Takts (66 => 100 erfolgte mit dem ersten Stromversorgungswechsel), um von der späten Pentium-II-Ära (respektive 2. Celerons, die Pentium liefen im Slot 1) bis zum Tualatin zu kommen. Der Sockel 775 skaliert derweil mit seinen 4-5 Board-Generationen vom 1-MiB-Prescott mit 3,4 GHz bis zum viermal-3,2-GHz-12-MiB-Penryn. Allerdings tauschte man die Northbridge damals halt nicht mit der CPU aus, sondern musste für 400 MHz FSB ab Werk, gerne über 600 MHz mit OC, in der letzten Generation einfach eine andere Platine als die auf 100 MHz ausgelegten, ersten Boards haben, selbst wenn sich nichts an der Spannungsversorgung getan hätte. In der Hinsicht ist der Sockel AM4 klar im Vorteil. Umgekehrt ermöglichte eben diese Bauweise den FSB-Plattformen, durch einen (relativ günstigen) Platinenwechsel von DDR1 auf 2 auf 3 aufzurüsten oder von einem auf zwei ×16-Slots.
Hat halt alles Vor- und Nachteile. Was ich persönlich nicht abkann: Wenn das physisch durchaus mögliche (z.B. 1800X auf B550, 8700K auf Z170, 11900K auf B460 oder, for that matter, warum nicht direkt 11900K auf Z170?) an der Software oder an künstlich geschaffenen Änderungen scheitert. Sowas ist fies. Genauso wie auf extrem vielen Mainboards diverse Super-I/O-Legacy-Schnittstellen (Dual-PS/2, COM, LPT, vermutlich sogar noch Floppy) nicht zugänglich sind, weil man die Kontaktleisten eingespart hat.
Alles andere stellt dagegen nur mehr oder minder weit vorausdenkende Ingenieurskunst dar. Intel zum Beispiel hat beim Sockel 1156 die Grafikausgabe von der Grafikberechnung abgespalten und letztere in den PCH, erstere in die CPU gepackt. Beim Sockel 1155 kamen sie dann vollkommen überraschend auf die Idee, dass aus gutem Grund früher beides in der Northbridge lag und hat die Ausgabe auch in die CPU umziehen lassen => für Sandy Bridge musste ein neuer Sockel her. Aber nicht aus Böswilligkeit, sondern weil man sich vorher so blöd angestellt hat. Genauso der folgende 1150 mit grundsätzlich neuer Stromversorgung, die aber eigentlich weniger Anforderungen an die Platine stellt. Hätte man da 2-3 Jahre früher schon die Eckparameter festgelegt, hätte sowas einseitig abwärtskompatibel sein können – hat man aber halt nicht. Ebenso wie man im Frühjahr 2017 nur den 1151 (CFL) als Vorbereitung auf CFL-R brachte, aber nicht an die Anforderungen dachte, die knapp zwei Jahre später zum 1200 führten. AMD wiederum hat die gesamte AM4-Ära über acht PCI-Express-Lanes ungenutzt vergammeln lassen, weil der AM4 als Billig-Plattform konzipiert wurde und man sich danach nicht mehr traute, das Erfolgskonzept zu erweitern (respektive weil er sich auch mit diesem Makel gut genug verkaufte. Druck von Intel gab es ja nicht.)