Das ist ja alles halbwegs richtig. Auch ich möchte das aufgearbeitet haben, neutral, und das Israel einen Gang zurückschaltet und Netanjahu geht.
Das berechtigt aber niemanden, Israel pauschal seine Selbstverteidigung abzusprechen oder Kriegsverbrecher zu schreien, weil sie Maßnahmen eingeleitet haben, als Reaktion auf den 07.10.2023.
Nein, dass sie Maßnahmen eingeleitet haben, berechtigt niemanden, Kriegsverbrecher zu schreien.
Aber WELCHE Maßnahmen sie eingeleitet haben und was für Folgen die haben, das rechtfertigt eine gerichtliche Untersuchung und eine Festnahme von Schuldigen. Eine fünfstellige Zahl von Zivilisten stirbt nicht mal eben so und sie zu ermorden ist in aller Regel ein Verbrechen, für das jemand verantwortlich ist.
Ich bin kein Häuserkampfexperte.
Eine Spezialeinheit müsste Informationen haben, wo sie wann sein muss. Vermutlich ist das schwerer als wir alle denken. Willst du eine kleine Gruppe in die Tunnelsysteme schicken?
Israel muss das managen, wie sie vorgehen und offenbar ist die Führung der Meinung, dass sie nur so das Ziel erreichen.
Ich persönlich glaube nicht, dass man die Hamas auslöschen kann, ich würde erst mal die Geiseln retten und danach weiter sehen.
Die letzte Geisel wird man im vorletzten Raum der Hamas finden. Die kann man nur über Verhandlungen befreien (dann sogar lebend), oder in dem man die Hamas auslöscht (eher nicht). Die israelische Regierung hat letzteres x-fach zum Ziel erklärt.
Die Probleme sind:
- Sie haben nicht erklärt, dass das Überleben der Palästinenser ebenfalls zu ihren Zielen gehört und zumindest für einen erheblichen Teil ist das wohl auch nicht der Fall.
- Wie du selbst gesagt hast sieht es nicht danach aus, als würde das eine genannte Ziel mit den gewählten Methoden überhaupt erreicht werden. (Wie vorhergesagt.)
Bislang sind 0% der Gaza-Streifens nachhaltig frei von Hamas. Aber 100% sind nachhaltig frei von Schulen, 95% sind nachhaltig frei von medizinischer Versorgung, >>50% sind frei von Unterkünften und wie groß der Teil ist, in dem es keine Nahrung oder kein Trinkwasser gibt, dazu schwanken die Zahlen regelmäßig, aber sie sind immer zu hoch.
Was das für die Größe der nächsten Generation Hamas bedeutet, kann sich jeder ausrechnen. Außer scheinbar Netanjahu. (Oder es ist ihm egal verglichen mit seiner persönlichen Zukunft. Stichwort Selbtbegnadigung. Einigen seiner Regierungsmitgliedern ist es auf alle Fälle egal, die haben ja schon vor Kriegsbeginn alle Palästinenser und nicht die Hamas als Tiere eingestuft, ihnen also sämtliche Menschenrechte abgesprochen.)
Das Problem ist aber, dass das keinerlei Konsequenzen hat.
Sieht man doch an Russland. Da kann der Gerichtshof labern, wie er will.
Die Partner und Unterstützer Israels sind aber Mitglieder der internationalen Gerichtshofs (im Gegensatz zum Großteil der Putin-Unterstützer), das macht einen erheblichen Unterschied. Spannend wird nach Inkraftsetzung der Haftbefehle natürlich, beim wem Rechtsstaatlichkeit und Völkerrecht weiterhin hinter Israel-Loyalismus zurückstehen und wer den IGH ernst nimmt und seinen Verpflichtungen nachkommt.
Südafrika bringt einmal den Genozidvorwurf und dann noch den Apartheidvorwurf. Letzterer trifft sicherlich nicht auf den Staat Israel zu, aber in den Siedlungsgebieten sieht das aber schon anders aus.
Israel behandelt nicht nur die Siedlungsgebiete, sondern ganz Palästina, als wären sie Teil seines Staatsgebiets und hat einige Abschnitte mit dem Bau der Grenzanlagen sogar ganz offiziell dazu erklärt.
Ich hab die südafrikanische Anklage nicht gelesen, aber darauf stützen sich zumindest die meisten Apartheidsvorwürfe: Die Palästinenser leben de facto in Israel. Sie haben aber keinerlei Bürgerrechte, dürfen nicht wählen, nicht frei reisen, sich nicht frei niederlassen, nur eingeschränkt Handel treiben, sie unterliegen gesonderter Rechtssprechung, etc. etc. etc.. Klarer Fall für einen Menschenrechts-Gerichthof.
Die andere Betrachtungsoption ist freilich kein bisschen israelfreundlicher: Wenn die Palästinenser in einem eigenen Land leben, dann ist das in großen Teilen seit Jahrzehnten von Israel besetzt, das die einheimische Bevölkerung unterdrückt, seinen Versorgungspflichten als Besatzungsmacht nicht nachkommt und sich nach belieben besetztes Gebiet aneignet und an die eigene Bevölkerung gibt, während die eigentlichen Besitzer vertrieben werden. Klarer Fall für einen Völkerrechts-Gerichthof.
Gute Frage. Es müsste eine Alternative zur Hamas etabliert werden, die dann im Gaza die Kontrolle übernimmt, wenn Israel sich daraus zurückzieht. Solange Israel Gaza militärisch kontrolliert, sind sie auch dafür verantwortlich. Das läuft jetzt auch nicht so super. Die Situation hat schon was vom Gordischem Knoten.
Die Hamas hat schon vorher jeden in Gaza ausgeschaltet, der auch nur einen Hauch von Macht und israelfreundliche Ansichten hatte. Israel hat jetzt dafür gesorgt, dass allgemein keine israelfreundlichen Ansichten übrig geblieben sind.
Wenn Israel Gefahren aus Gaza ausschließen will, dann werden sie selbst die Kontrolle übernehmen müssen. Offen ist nur die Frage, ob es die Kontrolle über einen Friedhof, über ein Lager von Untermenschen oder über ein von Israel wiederaufzubauendes Gebiet sein wird, in dem die Menschen langfristig lernen, in ihren Nachbarn etwas anderes als Bringer von Mord und Vernichtung zu sehen. (Vergl. Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg. Nur dass die deutsche Bevölkerung da im Schnitt vielleicht 70 Wochen lang direkten Schaden durch die Alliierten genommen hatte, nicht 70 Jahre. Entsprechend würde der Versöhnungsprozess rund um Israel deutlich länger als 4-5 Jahre intial + 20 Jahre wirtschaftlich dauern. Aktuell scheint diese Option aber auch von israelischer Seite her die mit Abstand unwahrscheinlichste zu sein.)