Naja. Die Umsiedlungen in dieser Richtung begannen eigentlich erst in den 50ern/60ern, Stalin hat eher ihm nicht genehme deportiert. In dem Zeitraum kommen Karnikel auf vier Generationen, aber die heutigen politischen Akteure sind erste oder zweite Generation.
Etliche Sowjetrepubliken hatte sich Russland schon zur Zarenzeit einverleibt und mit Russen besiedelt. Besonders
in der Ukraine war das extrem früh der Fall:
"Durch die Verträge von Perejaslaw 1654 und Andrussowo von 1667 kam die linksufrige Ukraine in ein polnisch-russisches Kondominium. Durch den Russisch-Türkischen Krieg (1768–1774) kamen weitere, zuvor osmanische Gebiete unter russische Herrschaft. In dem damals sehr dünn bewohnten Gebiet wurden nun zahlreiche Städte neugegründet und Kolonisten aus anderen Teilen des Russischen Reiches angesiedelt. Russisch wurde in der Ukraine als Verwaltungs- und Amtssprache etabliert, die von der ukrainischen Elite schnell übernommen wurde. Auch andere Bevölkerungsgruppen, insbesondere Juden, wurden kulturell schnell russifiziert."
Aber auch wenn du erst nach Stalins Tod in den 50ern beginnen möchtest, müsstest du bitte noch einmal und nicht mit heutigen und hiesigen Verhältnissen rechnen: Zur damaligen Zeit und insbesondere im Ostblock - einschließlich der DDR - bekam man früh Kinder, im Schnitt mit 23 Jahren. Die Sowjets haben dort junge Leute hingeschickt, *damit* sie zwecks "Russifizierung" Familien gründen und das mit Bereitstellung von Wohnungen und anderen Vergünstigungen versüßt, die in der UDSSR bekanntermaßen nicht selbstverständlich waren.
Sprich, die Umsiedler brachten zumeist schon kurz nach ihrer Ankunft die erste Generation auf dem Weg. Ende der 70er / Anfang der 80er gab es die zweite Generation. Um den Fall der Eisernen Vorhangs herum erblickten Vertreter der dritten Generation das Licht der Welt. Ab da waren die Verhältnisse etwas unsicherer bzw. die berufliche Karriere wurde wichtiger, aber trotzdem werden Etliche noch vor ihrem 30 Lebensjahr die vierte Generation produziert haben.
Von drei Generationen muss man folglich in jedem Fall ausgehen.
aber praktischen gehen alle eskalierten Konflikte mit eingewanderten Russen darauf zurück, dass diese teilweise russische Vorherrschaft über Einheimische gefordert haben und nach Ausbruch offener Kampfhandlungen in der Regel auch direkt die Eingliederung in Russland. Das ist nichts weiter als eine 1:1 Fortsetzung des Sowjetimperialismus und natürlich setzt man sich Feindseligkeiten durch die Opfer aus, wenn man das offiziell prädigt.
Das ist sicherlich eine bequeme, aber (siehe oben) nicht nur historisch unhaltbare Sichtweise. Ohne Russland gäbe es de facto keine Ukraine heutigen Gepräges und dass *auch* die ukrainische Zentralregierung nach Erklärung der Unabhängigkeit aktiv daran gearbeitet hat, entgegen den Mehrheitsverhältnissen Kontrolle in den wirtschaftlich bedeutsamen, aber nun einmal russischstämmig dominierten Verwaltungsbezirken zu etablieren.
Sprich, für ethnische - oder in diesem Fall eher ideologische - Auseinandersetzungen braucht es mehr als einen Stänkerer. Es gibt für äußere Betrachter eine Tendenz, sich - wenn nicht ohnehin eigene Interessen die Sichtweise bestimmen - mit der unterlegen wirkenden Partei zu solidarisieren (Underdog-Syndrom), aber das ist für die rationale Klärung von Ursachen wenig hilfreich.
Die Ukraine erklärte sich 1991 auf Basis eines Referendums für unabhängig, dem bei über 80% Wahlbeteiligung über 90% der Bevölkerung - also auch die klare Mehrheit der russischstämmigen Bevölkerung - zustimmten.
Dass diese Zustimmung in weniger als 30 Jahren dermaßen kippte, kann man natürlich auf russische Propaganda schieben. Man kann es aber auch mit dem politischen Hickhack und der miesen Wirtschaftsentwicklung in der Ukraine erklären, die Russland als vergleichsweise bessere Partie wirken lässt.
Die Wahrheit dürfte wie üblich dazwischen liegen, die Verantwortung für die Entwicklung mithin auch.
Der Knackpunkt ist zudem der, dass auch der Westen die Ukraine seit ihrer Unabhängigkeit intensiv umwirbt. Wir nehmen es nicht so wahr (oder wollen es nicht wahrhaben), aber die Ukraine wird aus russischer Sicht auch vom Westen seit knapp dreißig Jahren mit Propaganda bombardiert, sich doch bitte auf keinen Fall in Richtung Russland, sondern in Richtung Westen zu orientieren.
Das hört man nicht gerne, aber *wir* bearbeiten die Ukraine ebenfalls und sind somit an der Zerrissenheit und den daraus resultierenden Konflikten mitschuldig.