Eine Wahl hat man immer. Man müsste sich mal zusammenrotten und nen Brandbrief an die deutsche Gesellschaft fürs Internet schreiben, klar darlegen dass es Geschäftsmodell schädigend ist.
Das Problem ist hier, dass schwergewichtige Stakeholder in diesem Spiel gar kein großes Interesse daran haben, dass sich die Spielregeln im Sinne der Nutzer ändern, da sie eben nicht unmittelbar von deutscher oder EU-Gesetzgebung betroffen sind oder sich mit ihren Walled Gardens ohnehin aus dem Spiel verabschieden können. Und die Publisher sind sich untereinander ebenfalls nicht einig, da sie eben ein sehr unterschiedliches Publikum bedienen - die einen haben aufgrund ihrer extrem breiten und sehr lokale-spezifischen Themenlage ein verhältnismäßig großes Publikum, das sich durch Login- und Paywalls ausreichend ohne Werbung monetarisieren lässt. Die anderen agieren in einem Special-Interest-Umfeld mit Non-EU-Alternativ-Angeboten, wo sich so etwas nicht so ohne weiteres durchsetzen lassen wird.
Alles Andere wäre halt die Gesetze und Vorgaben, wie man sie bekommt, immer nur blind zu befolgen und am Ende pleite zu gehen, weil keiner mehr auf die Webpages geht.
Gesetze müssen befolgt werden, DSGVO-Strafen sind für mittelständische Unternehmen existenzbedrohend, das hat absolut nichts mit "blind" zu tun.
Ich persönlich vermute eher, dass in Zukunft zur Bewältigung der ganzen Informationsflut durch das Netz, die Bündelung und Plattformen mehr zu nehmen werden. Also mehr news die über reddit, discord gestreut werden, u.U. Erweiterungen des Programmumfangs dieser tools. Könnte mir vorstellen, dass unsere Kindeskinder das http Protokoll als veraltet ansehen.
Das wäre äußerst bedauerlich, auch für die Nutzer: Die genannten Plattformen genießen einen unfairen Wettbewerbsvorteil allein dadurch, dass sie sich eben als US-Unternehmen nicht großartig um die DSGVO und andere lokale Gesetzgebungen gebunden fühlen und mit den Daten ihrer Nutzer im Grunde tun und lassen können was sie wollen.
Offen gestanden sehe ich (Vorsicht: persönliche Meinung) in diesen Zustimmungs-Dialogen auch nicht die Lösung des eigentlichen Problems - das wird letztendlich hoffentlich irgendwann eher im Sinne von Nutzern und auch uns Special-Interest-Publishern gelöst werden, indem wir Publisher uns wieder mehr Kontrolle über und Verantwortung für unser Publikum aus dem Vermarktungs-Ökosystem zurückholen, dem wir das über die letzten 20 Jahre sehr bereitwillig überlassen haben - wir wollten Inhalte produzieren, um die Monetarisierung und alles drumherum sollten sich unsere Partner kümmern. Wir sind jetzt leider in einer sehr unschönen Umbruchphase, in der sich die Nachteile dieser Arbeitsteilung exzessiv auswirken - vor allem eben bei unseren Nutzern, unserem Publikum, ohne die wir absolut nichts wären. Noch ist allerdings die Zeit nicht reif genug, um diese bisherigen Vermarktungsprozesse EU- oder gar weltweit komplett auf die Giftmülldeponie zu entsorgen, da wird eben mit diesen Zustimmungsdialogen eine Infrastruktur geflickt, die bei näheren Betrachtung fast nur noch aus Flicken und Schlaglöchern besteht. Ich bin einigermaßen zuversichtlich, dass die Cookie-Dialoge nicht das letzte Wort sein werden, aber ich fürchte, wir werden alle noch sehr viel Geduld aufwenden müssen, bis der aktuelle AdTech-Dinosaurier ausstirbt und wir mit einem vernünftigeren Ansatz von vorne anfangen können, bei dem Werbetreibende und Publisher zusammenfinden, ohne dass dabei massenweise Nutzerdaten abfließen müssen.
Mit reiner Technologie hat das allerdings wenig zu tun. Es geht hier eher um gesetzgeberische und vertragliche Konstruktionen, die die bisherigen Prozesse ersetzen - und letztendlich auch um Vertrauen aller Beteiligten untereinander. Interessant ist ja schon, dass Google und Facebook die Daten ihrer Nutzer in der Regel auch nicht direkt an Dritte weitergeben und es trotzdem ermöglichen, dass Werbende ihr gewünschtes Publikum weiterhin gezielt erreichen können. Diesen Geist haben wir Publisher vor langer, langer Zeit sehr blauäugig aus der Flasche gelassen und jetzt wird es eben schwer, wenn auch nicht unmöglich, das wieder einzufangen.