AW: Anthropogener Klimawandel mit kleiner Erklärung
Ich bin kein großer Freund von Psychologie oder Verhaltensforschung. Diese Wissenschaften sind mir einfach zu weich.
Aber...
Das Gehirn des Menschen ist ein Problomlösungsapparat.
Dummerweise allerdings nur für akute Probleme.
Der Säbelzahntiger vor der Höhle.
Das anstürmende, übergroße Mammut, das einem vor dem Verhungern bewahrt.
Evolutionsbedingt.
Da ist es leider verständlich, dass es vielen schwer fällt, auf Probleme zu reagieren, die einem in einhundert Jahren drohen.
Und wie könnte man da einem Ottonormalverbrauchen einen Strick draus drehen, wenn schon Politiker höchstens in Legislaturperioden denken können?
Oder einen Schritt weiter (oder näher):
Die Planung des Urlaubs für 2020 steht an. Allein das fällt doch schon schwer, oder?
Und wenn die Reise doch schon gebucht ist, packt man dann heute seine Koffer?
Oder die Hochzeit im nächsten Frühjahr.
Je näher der Termin, umso mehr gibt es noch zu machen. Die wenigsten haben eine Woche nach der Verlobung den Festsaal gemietet, das Essen bestellt, die Kleider gekauft, die Karten verschickt etcpp.
Nicht ganz so fern: Weihnachten. Hand hoch, wer schon alle Geschenke hat.
Oder noch näher: Die Kostüme für die Kids zu Halloween sind schon alle fertig?
Verdammt, ich gebe zu, ich bin gerade mal in der Lage, die nächsten 4 bis 8 Wochen die Wochenenden zu verplanen. Und was das Essen angeht, plane ich von Wochenendeinkauf zu Wochenendeinkauf. Und was ich zur Arbeit anziehe? Jeden Morgen.
Bitte nicht falsch verstehen.
Ich möchte hier niemanden in Schutz nehmen.
Oder gar eine Entschuldigung präsentieren, eine Ausrede, dass wir alle doch so weitermachen können wie bisher.
Es wird aber auf diese Weise verständlich, warum so viele Menschen so ablehnend reagieren, wenn das Thema Klimawanel zur Sprache kommt.
Deren begrenzter Geist kann die Ausmaße nicht überblicken.
Nicht im Umfang, nicht im Zeitraum.
Dabei ist die Aussage, die uns alle motivieren sollte, egal ob wir den Umfang und die Zeit überblicken oder nicht, doch ganz einfach:
Wir betreiben Klimaschutz und Umweltschutz nicht, um den letzten sibirischen Tiger zu retten. Oder den letzten Blauwal.
Wir machen das für uns, um unsere Lebensgrundlage zu sichern.
Reicht nicht? Dann vielleicht ein wenig mehr Populismus, ist ja eh gerade "in" dieser Tage:
Wer seine Kinder mit dem SUV zur Schule fährt, spielt mit der Zukunft seiner Enkel.
Das Problem, was ich sehe:
Mit unserem aktuellen Wirtschaftssystem wird das nichts.
Nicht mit der freien Marktschft, oder der sozialen.
Nicht mit einer Konsumgesellschaft, die vergessen hat, dass man Dinge auch reparieren kann.
Nicht mit einem Börsensystem und Großaktionären, die immer nur auf Wachstum setzen. Wachstum, Wachstum, Wachstum, grenzenloses Wachstum in einer begrenzten Welt mit begrenzten Resourcen.
Wir, jeder einzelne, muss lernen, sich selbst zu zügeln, maß zu halten, sich ein zu schränken, nicht viel, aber eben soweit, dass wir nicht immer mehr wollen.
Mehr Geld, mehr Güter, mehr sinnentleerten Konsum.
Ansonsten müssen wir uns maßregeln. Selbstgeißelung.
Und die Konzerne, die Großaktionäre, jene gesichtslosen und seelenlosen Konstrukte menschlicher Fantasie, die lachen über CO2-Steuer.
Da müssen wir die Wirtschaftsform ändern.
Wenn
"Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen - abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind."
gilt, dann auch
"Marktwirtschaft ist die schlechteste aller Wirtschaftsformen - abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind."
Damit ist klar: Kommunismus oder Sozialismus ist auch keine Lösung.
Etwas anderes muss her.
Doch unser Gehirn ist nicht nur ein Problemlösungsapparat, es bevorzugt auch Lösungen, die sich als erfolgreich erwiesen haben.
Es wiederholt gerne.
Im besten Falle Transferleistungen, also eine Problemlösung von einem Bereich auf einen anderen anwenden.
Wirklich neues entsteht selten.
Und wenn es neu ist, dann muss es gegen die Widerstände der Gesellschaft an.
Das ist schwer.
Ein weiterer Punkt:
Der Brexit zeigt: 3 Jahre nach dem Referendum ist nichts passiert.
Der Termin rückte im März immer näher, doch anstatt endlich konstruktiv zusammen zu arbeiten (der Druck war anscheinend nicht groß genug) beantragte das britische Parlament lieber einen Aufschub.
Das läßt mich zweifeln.
Wie groß muss der Druck des Klimawandels, des Temperaturanstiegs, der Aussterbenden Tiere und Pflanzen, auf die der Mensch angewiesen ist, sein, damit gehandelt wird?
Ich fürchte, der ist erst groß genug, wenn es zu spät ist, um die Menschheit vor dem Aussterben zu bewahren. Man wird das dann bestenfalls noch hinauszögern können.
Und noch ein Punkt:
Unsere Bundeskanzlerin ist promovierte Physikerin.
Die weiß eigentlich, wie man Statistiken und Diagramme liest.
Die weiß eigentlich auch, was Freiheitsgrade in der Thermodynamik sind, warum Methan schlimmer ist als CO2.
Und trotzdem handelte sie seit ihrer Wahl zur Kanzlerin sehr zögerlich, wenn es um den Umweltschutz geht.
Erst der Ausstieg vom Atomausstieg und dann, unter dem Eindruck von Fukushima, doch wieder zurück.
Die Aussage, Deutschland solle Vorreiter beim Klimaschutz werden, die jetzt auch schon keine-Ahnung-wie-viele-Jahre her ist, man wolle E-Busse etcpp., und nun stellt man fest, dass eigentlich nichts passiert ist und China hier Vorreiter ist.
Jetzt, nach wieder x verschwendeten Jahren (das Kyoto-Protokoll ist von 1997, das Pariser Abkommen von 2015 - es musste erst 2018 eine 16jährige Greta Thunberg zum Schulstreik aufrufen? In der Zwischenzeit ist so gut wie nichts passiert. Ernsthaft?) kommt so langsam Bewegung in die Sache. Immer noch zu zögerlich, immer noch mit den falschen Ansätzen.
Was die Politik oder Frau Merkel im Speziellen angeht, so ist meine einzige Erklärung, dass wir alle inzwischen eine Lüge glauben, die uns immer und immer wieder präsentiert wurde:
Klima- und Umweltschutz kostet Geld und Arbeitsplätze.
Ein Beispiel:
Ja, für den Unternehmer oder den Vorstand bleibt weniger Geld, wenn man teure Filteranlagen für die Fabrikschornsteine kaufen muss.
Die wollen verständlicherweise nicht auf ihre Boni verzichten (soviel zu, "sich selbst zügeln"), also spart man bei den Arbeitnehmer.
Dabei wird gerne so getan, also ob "das kostet Geld" bedeutet, dass das Geld verschwindet.
Die Wahrheit ist doch aber, dass das Geld nur einen anderen Weg im Wirtschaftssystem nimmt. Es verdienen die Firmen, die die Filter herstellen.
Und die bauen und warten sich ja auch nicht von allein. Hier entstehen neue Arbeitsplätze.
Ja, das bedeutet eventuell, dass man den Arbeitsplatz wechseln und umschulen muss.
Dass man sich als 55jähriger mit einer Umschulung schwer tut - okay, geschenkt.
Dass aber im letzten Jahr, als es um die Räumung des Hambacher Forsts ging, Azubis von RWE auf die Straße gingen, weil sie unbedingt Jobs erlernen wollen, die die Zerstörung der Natur vorrantreiben - da stellen sich mir die Nackenhaare auf.
Da sind wir wieder beim fehlenden Weitblick, der Planung für die Zukunft. Das selbst so junge Menschen, die möglicherweise die Auswirkungen unseres exzessiven Lebensstils im hohen Alter selbst erleben, Atemprobleme, Hungersnöte, Trockenheit, Hitzewellen, Sturmfluten, Unwetter mit Überschwemmungen, Stürme...dass die Aussicht darauf nicht aussreicht, einen anderen Job erlernen zu wollen.
Traurig.
Ich habe die Hoffnung fast verloren.
Für mich hat das Fermi-Paradoxon eine Erklärung. Möchte-gern-intelligentes Leben löscht sich selbst aus. Die Menschheit ist gerade dabei. Auf dem besten Wege. Mit Anlauf. Und Ansage.
Das einzig tröstliche daran: Der Mensch wird es nicht schaffen, die Erde zu einem leblosen Planeten zu machen.
Irgendwas wird überleben: Ratten, Kakerlaken, Moose, Algen. Das Leben findet einen Weg.
Immer. Die Natur wird weitermachen, die Evolution neue Wege gehen.
Nur eben ohne die Menschheit.
Wer bis hierher gelesen hat:
Glückwunsch, Du bist ein armer Irrer, der seine Zeit nicht besser zu nutzen weiß.
Willkommen im Club.
Mein Wort zum Sonntag.
Gute Nacht.