Pegelmessungs-App - Flott getestet mit Ergebnissen & Erklärung

Jobsti84

Software-Overclocker(in)
Servus zusammen,


in einer HiFi Gruppe ging's um diverse Apps für's Smartphone um Lautstärkepegel zu messen.
Zu meinem Entsetzen musste ich feststellen wie viele solche Apps sogar nutzen und für tauglich befinden,
es haben sich sogar einige gemeldet, welche vom Einsatz beim Ordnungsamt/Polizei zur schnellen Prüfung von z.B. Auspuff
berichtet haben.

app.png


Da mich die Sache interessiert hat, wollte ich das auch mal flott untersuchen. Gesagt getan.

Auch hier im Forum sollte das für einige interessant sein, denn nutzen wollen sowas einige z.B. für
- Einschätzung der eigenen Lautstärke, bezüglich Nachbarschaft
- Pegel von Hardware ermitteln
- Messen wie laut die eigene Musikanlage oder auch Geräte/Fahrzeuge sind.



Infos vornweg:
Im Regelfall wird der Pegel mit einem Pegelmesser, bzw. Schalldruckpegel-Messgerät ermittelt.
Dieses besitzt idR. ein Mikrofon mit Kugelcharakteristik und lässt sich mit
einem sogenannten Pegelkalibrator auch kalibrieren.
Eigentlich ist sogar wichtig, ob dies Direktfeld- oder Diffusfeld-Entzerrt ist.
Günstigere Messgeräte haben dann auch 2-3 Modi was die zu ermittelnde Lautstärke betrifft,
da sich je nach Pegel Vorverstärker oder Mikro anders verhalten können und somit entsprechend
per Soft- oder Hardware angepasst/umgeschaltet werden müssen.

messgerät.png


Diese Messgeräte messen in Dezibel samt Bewertungsfilter,
oftmals sind diese umschaltbar zwischen A und C-Bewertung, also z.B. dBA, einige können auch den Filter deaktivieren,
als auch ist die Integrationszeit oft in 2 Stufen (Fast/Slow) wählbar.
Genauere Infos siehe Wikipedia, da sieht man schön die Kurven. Bewertungsfilter sollen eine leichte Anpassung an z.B. das Ohr, bzw. Hörempfinden sein.
bewertungsfilter.png

Kurz: Im Bass bei 50Hz misst man mit A-Bewertung ganze 30dB weniger als ohne Bewertungsfilter (Ohne wird oft Z oder L genannt).

Richtige Lärmpegelmessungen kann man damit natürlich nicht machen, denn diese haben weitaus mehr Anforderungen
und werden im Beurteilungspegel LeqA angegeben/ermittelt. Hier benötigt es schon mindestens ein Handgerät vom Kaliber NTI aufwärts.


Theorie:
Wieso kann solch eine App nicht wirklich funktionieren?
Um ein System zu Kalibieren benötigt man
- Das Gain vom Preamp
- Die Empfindlichkeit vom Mikrofon
- Frequenzverlaufskalibration des Mikrofons

Mit Punkt 1 und 2 kann man auf einen bestimmten Pegel kalibrieren, idR. misst man bei 94dB (1PA) bei 1kHz, oder bei 114dB.
Weicht dann der Frequenzverlauf des Mikrofons bei 1 kHz ab, hat man den genauen Pegel bei 1 kHz, darunter und darüber allerdings nicht,
dabei können Mikrofone, je nach Modell gerne mal bis zu 20dB abweichen bei diversen Frequenzen! (Ja sogar spezielle Messmikros, nicht nur das 08/15 Spielzeug).

kalibration.png



Praxis:
Getestet habe ich die App "Schallmessung" mit einem Xiaomi Mi Note 10 Lite.
Den Test habe ich recht schnell, will sagen eher 08/15 durchgeführt, aber er sollte genau genug Zeigen, wie weit sowas abweichen kann.
Dazu habe ich einen Pegelmesser von Peaktech benutzt, welchen ich Klasse-2 kalibriert habe, im Modus "fast" mit Bewertungsfilter A.
Die App gibt leider nicht an, ob und welche Bewertungsfilter sie nutzt.

Auf die Studiolautsprecher habe ich ein periodisches weißes Rauschen gegeben, der Pegel davon wurde dann um jeweils 6dB reduziert.
Pegelmesser als auch Handy wurden an gleiche Position nebeneinander gehalten, mit Mikrofon nach oben zeigend im jeweils gleichen Abstand zum Lautsprecher (50cm).
Mit dazu habe ich noch ein Dayton Messmikrofon an's Handy gesteckt, damit man nicht nur das interne Mikrofon vergleichen kann.
Zum Mic gibt's auch eine Kalibrierdatei, jedoch kann die Handyapp keine einlesen. (Ist sehr wichtig bei z.B. RTA Apps!)

Ich habe natürlich auch komplette, professionelle Messsysteme, hätte Stative nutzen können um die
Geschichte 100% genau machen können, aber auf 0,5dB kommt es bei solch einem Vergleich wirklich nicht an.


Ergebnisse in dB(A):
MessgerätApp Mic InternApp Ansteckmic
60,15153
65,65660
71,66264
77,17071

Wir erkennen, dass wir teils bis zu knapp 10dB Abweichung messen, Minimum sogar schon fast 6dB.

Um dies korrekt zu interpretieren muss dazu folgendes gesagt werden:
Je +6dB entspricht dem doppelten Pegel, heißt 66dB entspricht dem Doppelten von 60dB, 74dB dem 4-fachen.
Subjektiv empfinden wir eine Erhöhung zwischen +6dB bis +10dB als Verdopplung der Lautstärke,
ob 6 oder 10dB oder dazwischen, ist subjektiv und auch je nach Signal/Musikmaterial/Geräusch abhängig.

Wichtig ist auch für viele noch die Information, dass eine reine Pegelangabe nix ohne die jeweilige Entfernung bringt.
Pro Entfernungsverdopplung erhält man immer -6dB Pegelreduktion bei nicht kohärenten Wellenfronten.
Messt ihr also Pegel von Geräten, bitte gebt immer die Entfernung an, sinnvoll sind dann Schritte ab 50cm, besser 1m.
Denn im Nahfeld von einem Objekt beträgt die Pegelreduktion nur -3dB pro Entfernungsverdopplung,
das Nahfeld beträgt oftmals aber nur wenige cm, zum Großteil seid ihr ab 50cm Safe, bei größeren Lautsprecher ab 1m, bei fetten Bässen (Veranstaltungstechnik) oder DBA ab 2-4 Meter.
Faustregel: Diagonale des Messobjektes x3 = Fernfeld.
Wer's ganz genau will, der kann gerne auch den Rechner auf meiner Website nutzen: Link
(Da es verschiedene Rechenwege und Überschneidungen gibt, sind daraus 2 Rechner geworden)


pegelentfernung.png


Kurz:
Wird was verglichen, bitte messt alle Objekte in genau gleichem Abstand.
Geht's um reine Pegelangaben, bitte immer die Entfernung mit angeben.
(Bsp.: "Die GPU macht 40dBA", öhm ja.... bei 30cm oder in 2m?)


Fazit:
Solche Apps sind völlig für die Katz'.
Ausnahmen sind nicht ausgeschlossen, aber hier könnte Apple einen Vorteil haben da es einfach im Vergleich zu Android keine gefühlt 1 Mio verschiedene Geräte gibt und der App-Entwickler auf das jeweilige Iphone die App genau anpassen könnte.

Alle anderen Apps benötigen mindestens eine Funktion zum Pegel kalibrieren, damit man wenigstens halbwegs
genaue Pegel ermitteln kann. Aber wer bitte kauft sich einen Pegelkalibrator ab 300€ aufwärts, sofern er nur eine Handyapp nutzt und es dann nicht mal einen Adapter gibt? ;-)
Dennoch, eine Kalibrierfunktion wäre sehr sinnvoll, wie auch die Wahl eines Bewertungsfilters, samt Deaktivierung.

Am besten auch mit verschiedenen Pegeln kalibrierbar, denn wir sehen in der Tabelle, dass je nach wirklich gemessenem Pegel die Ergebnisse abweichen. Kein Mensch weiß, was die Handyhersteller softwaretechnisch alles vor das Mikrofon bauen,
wie Limiter, dynamische EQ oder auch Kompressoren.
So kalibriert man auf einen bestimmten Pegel, darunter und darüber weicht das Ergebnis dann aber doch wieder ab.


Ich hoffe auch hier im Forum konnte ich einige mit meinen Ergebnissen weiterhelfen.
Diskutiert, teilt eure Meinung und Erfahrung gern fleißig hier drunter mit ;)
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich hatte ein ultraprobe von ue Systems hier
Neben Schallmessung und Thermografie konnte ich sogar bei ausgeschalteter Lüftung damit leckagen meiner Wasserkühlung messen
Leider oder gut so meine war dicht
 
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