Blog Alkis Blog #17 - Modernes Lesen

Incredible Alk

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„Jetzt übertreibt er’s aber!“ werden sich wohl einige im kleinen Kreise der Alkis-Blog-Stammleserschaft denken. Da gibt’s vielleicht alle 6 Wochen oder so mal nen Eintrag und dann legt der nach dem Monsterblog 16 gleich noch einen nach? Schlimm so was, aber es ist unvermeidlich (, Mr. Anderson :ugly:).

Dieses Mal wage ich mich ein wenig in die Psychologie und die "moderne" Art, Informationen aus einem Text (nicht) zu erlangen.

Gerade wenn man zu denjenigen Forennutzern gehört, die gerne etwas ausführlichere Posts schreiben, steht man heutzutage vor einem immer größer werdenden Problem. Einerseits schreibe ich lieber einen Post mit 10 Sätzen darin und versuche, eine gestellte Frage möglichst genau und unmissverständlich zu beantworten, als 10 Posts nacheinander mit jeweils einer Miniinformation zu setzen, was leider das weitaus verbreitetere Verhalten ist. Andererseits habe ich (nicht nur im Forum) leider die Erfahrung gemacht, dass die Informationen, die ein größerer Text enthält, immer weniger beim Adressat wirklich ankommen.

Ich erinnere mich an meinen alten Deutschlehrer von vor etwa 10 Jahren… der sagte aus gegebenem Anlass immer: „Lesen ist das aufnehmen und verstehen von allen Informationen eines Textes.“ Und heute habe ich den Eindruck, dass der größte Teil der Menschen, denen ich begegne, nicht mehr lesen kann (aber trotzdem glaubt, es zu können, was gefährlich sein kann…).

Bereits bei der "Aufnahme" scheitern viele, denn Texte mit mehr als drei Zeilen werden oftmals aus Faulheit schon mal gar nicht gelesen oder nur "überflogen" – was das aufnehmen der im Text enthaltenen Informationen schon beinahe ausschließt.
Das "Verstehen" ist dann noch mal eine viel größere Hürde, denn was nicht aufgenommen wurde kann auch nicht verstanden werden – und die lückenhafte Aufnahme macht es oft unmöglich, die Bedeutung des Aufgenommenen zu erschließen.

Und so kommt es, dass ich, sei es im Forum oder auch privat oder auf der Arbeit, schriftlich Fragen beantworte und trotzdem Minuten später entweder das gleiche noch mal gefragt wird oder in einer Weise geantwortet wird die erkennen lässt, dass vom vorher Geschriebenen nichts aufgenommen geschweige denn verstanden wurde.

Selbst wenn man sich die Mühe macht und "Regeln" beachtet wie:
- Höchstens eine Information pro Satz
- So simpel wie irgend möglich schreiben
- Null Kenntnisse voraussetzen
- Wichtiges mehrfach wiederholen
- […]

ist es in vielen Fällen ziemlich aussichtslos, sein Anliegen dem Gegenüber näher zu bringen. Auf das kleine Wörtchen "alle" im Zitat meines Lehrers gehe ich mal aus offensichtlichen Gründen nicht weiter ein; was das in der Realität bedeutet wird wohl jeder verstanden haben, der den Text bis hier hin gelesen hat.

Sicherlich kann (und wird) es jedem mal passieren, dass er etwas überliest, falsch versteht oder ähnliches – momentan geht der Trend aber gerade in der jungen Generation wie ich finde in eine gefährliche Richtung: immer weniger verstehen und immer mehr übersehen.

Warum ist das so? Ist es wirklich weit hergeholt zu behaupten, dass die Medienlandschaft und Industrie bewusst versucht, die Kundschaft möglichst unwissend zu halten (was am einfachsten geht wenn man alles vorkaut, einhämmert, vereinfacht usw.)? Und ist es verwunderlich, dass gerade die noch leichter beeinflussbare junge Generation besonders anfällig für diese Machenschaften ist?

Hier wird sich wohl leider zu Nutze gemacht, dass das Beschaffen und Verstehen von Informationen dummerweise Denkarbeit verlangt – die fast jeder Mensch aus angeborener Faulheit (ist nun mal leider so) möglichst zu umgehen versucht. Daraus resultiert eben auch unter anderem, dass das Lesen im "altmodischen" Sinne, was ebenfalls geistige Arbeit erfordert, immer mehr verlernt wird – und wer keine echten Informationen mehr erlangen kann ist ein gefundenes Fressen für Wirtschaft, Politik, Religion und allem was es da sonst noch gibt – denn je weniger man weiß, desto mehr muss man glauben.

Aber was solls, wenn man es positiv sehen will muss man doch festhalten, dass der beschriebene Umstand, mit dem ich mich nahezu täglich rumschlagen muss doch auch eine zweifelhafte gute Seite hat: Er erhält auf lange Sicht den Frieden in der Schafherde – äähmm Gesellschaft – aufrecht, denn wie Volker Pispers schon vor einiger Zeit feststellte:

„Wir dürfen nicht mehr in Bildung investieren! Was glauben Sie denn, was hier los wäre, wenn jeder wüsste, was hier los ist?!“
 
Jetzt übertreibst du es aber :ugly:

Nee, Spaß :D

Der erste Blog seit längerem, den ich komplett gelesen hab ;) Ich schau hier nicht so oft rein, bei den Blogs :D
 
Tja, meine Deutschlehrerin meinte immer "deine Texte sind Skelett artig, inhaltlich fehlt nichts aber irgendwie fehlt das Fleisch" weil ich mich gerne kurz halte. Die Zeit arbeitet also für mich :fresse: .
 
Was DAS Zitat (Sokrates hinterfragt, was er zu wissen glaubt) nun mit dem Inhalt des Blogs (These, dass die Gesellschaft das Lesen verlernt) zu tun hat... weiß ich auch nicht. :huh:
 
Das sind Themen nach meinem Geschmack, davon kann ich mehr vertragen... :)
Vor allem wenn sie so schön verfasst sind, gute Texte sind rar. :daumen:

Ich stimme deiner Meinung grundlegend auch bei, aber das mit der angeborenen Faulheit hat mich zum Nachdenken gebracht.

Ich denke nämlich das es soetwas nicht gibt, in meinen Augen ist das etwas das man nicht angeboren sondern höchstens anerzogen bekommt. Gerade bei ganz kleinen Kindern kann man das Funkeln in den Augen beobachten wenn sie etwas neues Entdecken. Diese Neugierde ist Elementar und für den Menschen vor allem in jüngsten Jahren unerlässlich um sich grundlegendes Wissen anzueignen und einfache Gefahren zu erkennen. Im Laufe der Zeit lässt dieses Interesse an allem und jedem meist jedoch wieder nach und dies ist kein natürlicher Prozess, sondern gedeiht aus Menschenshand. Nicht unbedingt tragen die Eltern schuld, aber in bestimmmten Maßen auch das Fernsehen und vor allem unser Schulsystem nimmt Kindern ihre Neugierde, indem es veraltete, eintönige, allem voran jedoch "sehr verbesserungswürdige" Methoden einsetzt um zu "Unterrichten".

Man kann anderen Menschen kein Wissen aneignen, das muss schon jeder selber tun, nur eine gewisse Hilfestellung leisten, aber das ist im Prinzip wieder ein anders Thema....

Naja, so viel zumindest dazu...

Was auch zu beobachten ist, so gut wie alle Leute, welche dieses Thema anschneiden, sind in der Lage sich gezielt, mit gut gewählten Wörtern auszudrücken, diese sind in der breiten Masse nicht unbedingt geläufig, deswegen kann es passieren das ein Text einfach nicht verstanden wird, da sich die sprachlichen Niveaus von Autor und Leser nirgends kreuzen...

Dazu trägt auch der schwindende Trend zum Lesen viel bei, ein Sprach/Text-Niveau wie in einem Tolkien oder Simmel findet sich nur schwer in einer Fernsehsendung, zumindest mal nach meiner Erfahrung, ich schaue allerdings auch nicht viel Fernsehen... :D
 
Gute Argumente, Herr ähm Obst. ;)

Was die Neugierde betrifft gebe ich dir uneingeschränkt Recht. Schon andere schlaue Menschen haben mal gesagt "Neugierde ist Grundlage jeden Wissens" oder so ähnlich - und sie ist uns sogar angeboren - viel einfacher kann mans doch nicht haben, oder?

Schade, dass es tatsächlich so zu sein scheint, dass unsere Gesellschaft darauf abzielt, Faulheit mehr zu fördern als Neugier in dem Zusammenhang.

Den schwindenden Trend zu lesen haben wir wenn du mich fragst in hohem Maße dem superschnellen Informationszeitalter zu verdanken. Nur noch möglichst schnell überall jederzeit erreichbar sein und meist unwichtige Informationshappen ("Bayern-Dortmund: 1:2") aufschnappen, man hat das Gefühl die Welt drehe sich immer schneller und schneller. Niemand hat mehr (falsch - nimmt sich mehr) die Zeit dafür, wirklich gute Texte zu verfassen (deswegen wird es auch immer mehr verlernt wie es denn geht) und ebenso wenige haben noch den Elan, solche Texte noch wirklich zu lesen.

Das Fernsehen hab ich in der Hinsicht schon lange aufgegeben. Es ist unglaublich schwierig, hier noch wirklich gute Sendungen zu finden unter dem ganzen anderen Schrott der wohl mittlerweile 99,9% des Programmes ausmacht. Wissen aneignen über das TV? Da werden einem "Wissensmagazine" wie Galileo, Wunderwelt Wissen und wie sie alle heißen um die Ohren gehauen, die so schlecht recherchiert sind dass es lächerlich ist. Da ist der Zuschauer hinterher dümmer als vorher.

Gute Wissenssendungen hingegen (wie beispielsweise "Joachim Bublath" in der ARD oder noch in den 90ern die "Knoff-Hoff-Show" im ZDF) werden hingegen kaum ausgestrahlt/abgesetzt denn sie will keiner sehen. Zu wenig explodiert, zu wenig Tests Mann gegen Frau mit 3 Personen, zu wenige Schwachsinnswettbewerbe und so weiter werden gezeigt und vor allem: zu viel Denkarbeit wird vom Zuschauer erwartet um das Gezeigte zu verstehen.

In dem Sinne bleibt einem nur übrig gespannt zuzusehen, wohin diese Entwicklung noch führen wird... es würde mich überraschen, wenn die Zukunft rosig würde.
 
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