Diese "Kultur", die die Amerikaner da entwickeln ist unfassbar.
Es kann doch nicht sein, dass irgendeine Frau mit der man "privat" leider nicht zusammengekommen ist, evtl. ist es "unglücklich" verlaufen etc., am Ende so viel Macht hat dein gesamtes Geschäft mit einer simplen Anschuldigung zu vernichten?
Ich mein, die bloße Anschuldigung reicht doch inzwischen und schon beginnt die Hexenjagd.
Das Grundproblem bei solchen Storys ist meiner Meinung nach die amerikanische Prüderie. Nicht nur bei Vergewaltigungsvorwürfen, auch in jeder anderen Situation wird dort derjenige, der Sex haben will als Halbdämon und derjenige, der nicht will, als Halbengel geführt. Entsprechend einseitig fallen dann ganz schnell die Schuldzuweisungen, wenn Aussage gegen Aussage steht.
Leider scheint das einer der vielen Trends zu sein, die Europa importiert.
Weiß ich nicht, aber es ist auffällig, dass aktuell sehr viele Berümtheiten und Personen des öffentlichen Lebens bei sowas genannt werden.
Brett Kavanaugh, Neymar, Johnny Depp, Angry Joe...
In den ersten 3 Fällen hat sich rausgestellt, dass es gelogen war. Zufall? Sicher nicht.
Das Personen, die viel rumkommen und bei denen die Teilnahme an Partys praktisch zum Beruf gehört, gehäuft sexuelle Belästigung praktizieren, ist genauso naheliegend wie dass Personen, die einflussreiche Positionen in einer von starkem Machtgefälle und persönlichen Gefallen geprägten Branche einnehmen, häufiger Macht missbrauchen, ebenfalls. Die haben einfach mehr Gelegenheiten und mehr Möglichkeiten, sexuellen Missbrauch zu begehen, als andere. Und natürlich werden Stars auch häufiger genannt, wie sie bei absolut allem häufiger genannt werden.
Es ist eben immer eine Gratwanderung. Bloße Vorwürfe sind schnell erhoben, allerdings scheint es hier ja schon reichlich Vorgeschichte(n) zu geben:
Also wenn ich die Quelle richtig lese, dann wurde er ein einziges Mal einer Con verwiesen. "Reichlich" nenne ich das nicht und dafür kann auch schon ein einvernehmlicher Flirt mit einer Person, deren Alter er falsch eingeschätzt hat, ein nicht-sexuelles Fehlverhalten in betrunkenem Zustand oder eine weitere unbelegte Anschuldigung ausreichen. Also letztlich ist das, wie alles andere auch, nur ein weiterer Vorwurf, aber kein harter Fakt. Leider ist es von außen nicht möglich zwischen jemandem zu unterscheiden, der ein schlechtes Bild von einem mittemäßigen Typen zeichnen möchte und jemandem, der ein realistisches Bild von einem Arschloch zeichnet.
Hinzu kommt, dass Mr. Avellone selbst dann, wenn die Vorwürfe zutreffen sollten, weder ein Triebtäter ist, noch mit Gewalt zu einem solchen erklärt werden soll. Es wird ihm lediglich ein inkorrektes und unprofessionelles Verhalten vorgeworfen.
Wenn er in seiner Freizeit durch die Clubs ziehen, dort den Schürzenjäger mimen und dabei die selben Grenzen wie jetzt nicht überschreiten würde, krähte kein Hahn danach, aber dummerweise scheint er sich auch dann nicht zurückhalten zu können, wenn er die Branche bei offiziellen Anlässen vertritt. Und da sieht man das halt nicht so gern.
Also Branchen, die Besäufnisse als Teil offizieller Anlässe betrachten, sollten ihre Sichtweisen mal allgemein neu ordnen. Für mich klingt das aber eher nach After Work und Event Partys. Da ist er bei der eigentlichen Veranstaltung zwar in offizieller Funktion, aber was er danach an seinem Feierabend macht, sollte den Arbeitgeber eigentlich nichts angehen - hier führt es aber praktisch zum Verlust des Arbeitsplatzes, was ich nicht mit "lediglich" einleiten würde.
Aber das ist nur das Internet, bewegen wir uns also in die analoge Welt:
In Deutschland lag die Verurteilungsquote bei Sexualdelikten im Jahr 2016 bei etwas mehr als 8%. Nach Schätzungen wurden nur etwa 10% der Vorfälle überhaupt zur Anzeige gebracht. Ergibt 8 Verurteilungen auf 1000 potenzielle Delikte. Bei einer Dunkelziffer von 50% Falschanschuldigungen sind es 8 von 500. Ergibt 1,6%. Das klingt irgendwie nicht so, als wenn allen mutmaßlichen Opfern automatisch geglaubt werden würde.
Vor Gericht waren bis zur Gesetzesänderung vor 2 (?) Jahren tatsächlich die Opfer massiv im Nachteil, seitdem ist es auch bestenfalls ausgeglichen. Aber ehe ein Gericht zu einem Entschluss kommt, können Jahre vergehen und auch in anderen 92% der Fälle ist bis dahin gegebenfalls die Karriere und das Sozialleben hinüber. Und sie kommen nach einem Freispruch aus Mangel an Beweisen auch nicht wieder zurück, denn nur selten wird in Gegenrichtung der Vorwurf wiederlegt werden können. Das breittreten solcher Vorwürfe in der Öffentlichkeit ist definitiv keine harmlose Angelegenheit.
Dabei sollte man nicht vergessen, dass auch die Belästigung häufig öffentlich stattfindet. Sprich, den Opfern wird eine öffentliche Demütigung aufgenötigt, die man dann den Tätern nicht zwingend ersparen muss.
Da bewegen wir uns aber schon auf dem Territorium der Selbstjustiz. Außerdem sollten die Fälle, in denen eine Demütigung vor Zeugen stattgefunden hat, recht einfach zu klären sein. Hier dagegen beschränkte sich die "Öffentlichkeit" scheinbar auf zwei betrunkene Kumpels, die auf dem Weg ins Hotel geholfen haben und eins kann man, denke ich, annehmen: Wenn zwei von drei besoffenen Männern dem dritten dabei helfen, mit seinem Flirt in Richtung eines Bettes zu kommen, dann nimmt sieht "Öffentlichkeit" den ganzen Ablauf nicht als demütigend gegenüber dem Flirt. Ganz im Gegenteil, die dürften eher unterstützend anfeuern.
Was nicht heißt, dass der ganze Ablauf für ein Oper nicht sehr unangenehm sein kann. Aber zu einer öffentlichen Demütigung wird das erst, wenn der Unmut auch öffentlich und die Position somit als die eines Genötigten erkennbar wird. Damit ist man dann aber eben wieder bei, überspitzt gesagt, "Entführung vor Zeugen".
Übrigens ist der Fall Kachelmann weiterhin kontrovers, da er sich - ebenso wie die Klägerin - in etliche Widersprüche verwickelte.
"Der heutige Freispruch beruht nicht darauf, dass die Kammer von der Unschuld von Herrn Kachelmann und damit im Gegenzug von einer Falschbeschuldigung der Nebenklägerin überzeugt ist. Es bestehen aber nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme begründete Zweifel an der Schuld von Herrn Kachelmann. Er war deshalb nach dem Grundsatz ‚in dubio pro reo‘ freizusprechen." (
Quelle)
Seit Ende des Strafprozesses hat Kachelmann vier Instanzen eines Zivilprozesses gegen die damals Anschuldigende gewonnen (die letzte Verhandlung läuft lauf Wiki noch) und ein weiteres Verfahren komplett gewonnen. Dazu kommen erfolgreiche Klagen gegen zwei große Verfahren. "Kontrovers" würde ich das nicht nennen.
Kachelmanns Karriere bekam den Knick übrigens nicht durch den Vorwurf selbst, sondern dadurch, dass sich insbesondere die Boulevard-Medien wie Aasgeier auf den Fall gestützt haben und sich mit Mutmaßungen zugunsten der einen oder anderen Seite überboten haben.
Auch hier hatte aber Herr Kachelmann eine starke Basis an Unterstützern, zog sich freiwillig aus der Öffentlichkeit zurück, hat weiterhin als Meterologe gut verdient und ist seit zwei Jahren wieder im TV präsent.
Kachelmann hatte mehrere Standbeine und durch das Medienecho wurden ihm nur einige davon zertrümmert. Wenn die gleiche Aufmerksamkeit jemanden mit nur einem Job trifft, ist das aber existenzbedrohend. Da darf man zwischen "schadet nicht so viel" und "war vorher so priveligiert, dass er auch nach schwerem Schaden immer noch weit über dem Durchschnitt steht" nicht verwechseln.
Seh ich anders. Johnny Depp hat sich nicht wirklich falsch verhalten und seine Karriere litt darunter. Er ist bei Disney wegen der Nummer für neue Rollen und den kommenden Fluch der Karibik rausgeflogen.
An der Abwertsspirale nicht beteiligt zu werden würde ich jetzt eher als Karriere-Aufwertung bezeichnen
Geht ja nicht nur um die Karriere. Er hat selbst mal gesagt, dass ihn die ganze Nummer wesentlich mehr gekostet hat, als er an Entschädigungen bekam und die Strafe seiner Ex war im Vergleich wohl lachhaft.
Und das hat ne Weile gedauert, sein Leben für einen gewissen Zeitraum komplett zerstört und ihm finanziell einen haufen Geld gekostet, den er nie wieder sieht.
Finanziell gehen solche Dinge für Stars zwangsläufig schlecht aus, ganz unabhängig von der Lage. Wer wegen seinem Image Millionenverdienste hat, dem gehen eben auch Millionen durch so einen Imageverlust verloren und sei er nur vorübergehend. Umgekehrt wird bei den Anschuldigenden oft nicht einmal eine sechsstellige Summe zu holen sein. Da muss man allerdings auch sagen: Diese Bilanz ist durch das Vermögensgefälle bedingt, trifft also per Defintion nur Leute, die es verschmerzen können. Anders sieht das halt in Fällen aus, die am Ende offen bleiben oder in denen auch die anschuldigende Partei große Teile ihres Vermögens verbraten hat. Da gibt es am Ende auch dann keinen (angemessenen) Schadensersatz, wenn vorher beide gleich vermögend waren.