AW: Politik fern ab der virtuellen Realität: Sperren, löschen, abschalten! - die wöchentliche Redaktions-Kolumne
Tatsächlich? Würde das Parlament tatsächlich den Ergebnissen der Wahl entsprechen, bliebe fast die Hälfte der Sitze leer. Und selbst dann würde die Mehrheit der verbliebenen "Volksvertreter" alleine entscheiden dürfen. Dass vielen Wahlberechtigten sich von keiner Partei vertreten fühlen, wird ja nicht berücksichtigt.
Die meisten Abgeordneten haben jedenfalls scheinbar beim Thema "Internet" nur Begriffe wie "Überwachen", "Zensieren", "Verbieten" und "Abschalten" im Sinn.
Mit Ausnahme weniger Abgeordnete der FDP, der Grünen und der Linken scheint für mich kaum ein Abgeordneter das Internet verstanden zu haben. Nur kann man ja in unserem Wahlrecht schlecht einzelne Politiker wählen. Auch nicht einfach ist es einer Unter-5%-Partei wie die Piraten zu wählen, die m. E. Themen der digitalen Gesellschaft kompetent vertritt, aber sonst auf schmalen Grat zwischen reiner Internet-Partei und generell linker Partei wandelt.
Ganz meine Meinung.
Es mangelt an Kompetenz, und zwar vorne und hinten. Meiner Meinung nach liegt das am Alter. Die sogenannten Spitzenpolitiker sind zu großen Teilen in Zeiten aufgewachsen, in denen "Informationstechnik, vulgo IT" noch "Rechentechnik" hieß, das Internet wenn überhaupt noch als streng geheimes Projekt der US-Army galt und Festplatten so groß waren, wie Kuchenschachteln - bei Kapazitäten unter denen eines modernen CPU-Registers. Informationstechnik als Konsumgut haben sie nicht kennengelernt, als es nötig war, um den kritischen, kompetenten und reflektierten Umgang damit zu erlernen - nämlich in einem Alter, das dem durchschnittlichen Alter der Mitglieder dieses Forums entspricht.
Diese sogenannten SPitzenpolitiker sind keine smarten Anfang-/End-Zwanziger. DIE veranstalten bspw. LAN-Parties im Bundestag, um den Diskurs mit Kritikern und Unwissenden zu suchen und schämen sich womöglich für solche allseits bekannten/verhassten/verlachten Äußerungen.
Weiterhin mangelt es an Interesse. Doch was soll man machen? Politik als solche ist eine Geisteswissenschaft. IT in (fast) all seinen Formen ist klar den Naturwissenschaften zuzuordnen. Geisteswissenschaften und Naturwissenschaften schließen sich jedoch, was Talent und Interesse angeht, in den meisten Fällen aus, nur wenige schaffen den Spagat aus beidem und die werden meiner Einschätzung nach eher Spitzen-Manager, als Politiker.
Und zu guter Letzt ist es schlichtweg einfacher, etwas zu verbieten, als sich damit auseinanderzusetzen und aufzuklären - das gilt für ALLES!
Ich denke, es werden solange Stoppschilder aufgehängt, Killerspiele verboten und Sperren aufgestellt, bis diese informationstechnisch unmündige Generation von Politikern aus den Ämtern, Landtagen und dem Bundestag veschwunden ist und größtenteils durch Politiker UNSERER Generation Stück für Stück ersetzt wurde. Sie (unsere Generation, 198x+) ist mit Internet und Spielekonsolen aufgewachsen, hat es erlebt und damit Umgang gepflegt. Sie hat eine völlig andere Beziehung dazu und sie erzieht ihre Nachfahren entsprechend völlig anders.
Niemand hier würde auf derart hirnrissige Ideen kommen. Und das wird sich eines Tages auch auf unsere Volksverteter übertragen.
Übrigens, als nettes Beispiel: als die Dampflokomotive erfunden wurde, nahm man an, die hohe Geschwindigkeit (um die 30 km/h...) und der Fahrtwind seien ungesund.
Also: abwarten und die Ohren auf Durchzug stellen.