Wir hatten das Thema hier ja schon einmal und die meisten waren sich einig, dass es zum Krieg dazu gehört und so ist auch.
Nö, das gehört nicht zu "Krieg" dazu. Das ist nur LEIDER typisch für undisziplinierte Streitkräfte VON RUSSLAND und von kriegsführenden, armen Staaten, eigentlich aber eher für nicht-Regierungstruppen. In z.B. Afrika ein großes Problem, aus Südostasien hört man schon deutlich weniger Beschwerden über Plünderungen (gut, mag auch daran liegen dass man besser über Massentötungen reden sollte und beim Einsammeln von jüngst besiterzlos gewordenen Dingen die Grenzen verwischen), aber z.B. aus den zahlreichen US-geführten Kriegen gab es so gut wie keine Beschwerden über Plünderungen.
Emotional bin ich auf Deiner Seite, aber...
Uns muss alle klar sein, dass das, was in Mariupol (und anderswo ) statt findet, "normal" in einem Krieg ist.
Klassische Kesselbildung des Angreifers und Vernichtung der Truppen.
Soweit ich heute Morgen die Nachrichten verstanden habe, handelt es sich wohl um die 600 Zivilisten und ca. 2000-3000 Mann der ukrainischen Armee respektive des Asovregiments (paramilitärischer Verband).
Da war die 4-jährige Belagerung Sarajewos 1992-1996 mit ca. 11.000 Toten Zivilisten (darunter ca. 1.600 Kinder) und 56.000 verletzten Zivliisten eine ganz andere Liga (sofern Massengräber in Mariupol nach dem Krieg nicht eine andere Wahrheit zeigen werden)
In Mariupol wird schon seit langem keine Stadt voller feindlicher Truppen mehr eingekesselt. Russland hat sich die beine täglichen Propagandabilder von der "Eroberung der Stadt" nicht gänzlich aus den Fingern gesogen, sondern einen Stadtteil nach dem anderen unter Kontrolle gebracht und seit mindestens zwei Wochen, wenn nicht länger, ist auf ukrainischer Seite nur noch übrig, was man in einem Keller verstecken kann. Entpsprechend konzentrieren sich die Kampfhandlungen auf eine einzige Industrieanlage.
Trotzdem wird aber weiterhin über fehlende Versorgung der gesamten Stadt berichte, Zivilisten werden am Verlassen der Krisenregion hinter der Front gehindert und Evakuierungen komplett ausgeschlossen. Das ist nicht "normal" in einem Krieg, das ist keine Operation gegen feindliche Truppen. Das ist einfach nur massenhafte, qualvolle Tötung Unschuldiger aka Massenmord.
Um bei dem Beispiel Sarajewo zu bleiben: Dort waren 400.000 Menschen 4 Jahre lang eingekesselt.
Aber nicht in einem Kampfgebiet, geschweige den interniert hinter der Front, und mit Versorgung auf dem Luftwege. Iirc auch mit Fluchtmöglichkeiten. Sarajevo kannst du mit Westberlin während der Luftbrücke vergleichen, nur dass die im Doppelring drum stehenden Streitkräfte sich nicht kalt angestart, sondern heiß beschossen haben. Aber das hatte vergleichsweise wenig Einfluss auf die Zivilisten. (Auch wenn Artillerie natürlich teilweise bis in die Wohnviertel gefeurt hat.)
Nochmal, emotional ist es für uns schrecklich, nun quasi live im Kriegsgeschehen zu sein.
Ich stelle lediglich die Frage, ob ein direktes Eingreifen des Westen:
a) die Situation vor Ort verbessert
b) in Abwägung, dass ganz Europa sich im aktiven Krieg befände, unterm Strich nicht noch höhere Opferzahlen fordern wird.
Ein aktives eingreifen mitten in russisch kontrolliertem Gebiet wäre selbst als internationale Aktion unter dem Dach der UNO riskant, vom Westen allein würde es aus gutem als Kriegserklärung aufgefasst werden.
Wie so oft rächt sich hierbei, dass der Westen Putin nach Lust und Laune hat gewehren lassen: Ohne die Brücke von Kerscht wäre Mariupol bis vor 3-4 Wochen ein regulärer ukrainischer Hafen mit direktem Zugang zu interantionalen Gewässern gewesen und eine unbewaffnete Versorgungs- und Evakuierungsmission (natürlich mit z u f ä l l i g in der Nähe patroullierender bewaffneter Flottille, die aber komplett unnötig ist, weil ja n i e ma n d ein Schiff voller Nahrungsmittel auf dem Hin- / voller Flüchtlinge auf dem Rückweg angreifen würde) wäre nur schwer als Provokation darstellbar gewesen. Aber wenn man durch Gewässer fahren muss, in denen man seit 8 Jahren russische Einschränkungen der Schiffbarkeit duldet und in einem Hafen anlegen will, der längst unter russischer Kontrolle ist, dann kann man ohne russische Kooperation eben nichts mehr machen, außer "Sonderaktionen" zur Unterstützung bedrohter Volksgruppen im Donbass durchzuführen.
vor allem aber komme ich mehr und mehr zu der überzeugung, dass putin bei aller säbelrasselrei "nur" in zwei fällen nukleare waffen einsetzen wird.
erstens wenn das tatsächliche russische territorium direkt angegriffen wird, egal ob konventionell oder nuklear.
zweitens mit taktischen nuklearwaffen bei sich abzeichnendem totalem kriegsverlust in der ukraine und bei der sicherheit, dass der westen ohnehin nicht eingreifen wird.
Putin erachtet die Krim als russisches Territorium und die andere Seite der asowschen Meeres ist es sogar. Du kommst nicht nach Mariupol, ohne Russland direkt anzugreifen.