Ich fasse das mal zusammen.
Der von dir genannte Casual:
- gibt wenig Geld für Hardware aus
- stört sich nicht an hoher Latenz
- ist bereit neben einem teuren Breitbandtarif eine Grundgebühr und den Kaufpreis für Spiele zu zahlen
- möchte bessere Grafik als ein Konsolenspieler
Diesen Spielertypus gibt es nicht. Jeder existierende Spielertypus erfüllt mindestens eins der oben genannten Merkmale nicht. Er müsste aber alle erfüllen, wenn er zur Stadia Zielgruppe gehören soll. Das ist Googles Problem.
Falsche Auflistung. Ein Casual gibt gar kein Geld für Spiele-bezogene Hardware aus. Er hat ein Smartphone (samt Google-Konto), einen Smart-TV und einen Office-PC, aber keine aktuelle Konsole. Er weiß nicht einmal, wie gut oder schlecht deren Grafik sein kann, ihm reicht Stardew Valley auf Android (spielt man das noch? Ich habe keine Ahnung von Casual Games
), und das Wort "Latenz" hat er noch nie gehört. Aber er hat, wie >95 Prozent der Bevölkerung, die sich überhaupt für digitale Unterhaltung interessieren, wenigstens 16er DSL (reicht für Basis-Stadia), mit recht hoher Wahrscheinlichkeit sogar 50er Kabel-Internet oder besser. Für Netflix und weil die wenigen 25er Tarife, die es noch gibt, sowieso nicht billiger sind.
Was er außerdem hat: Den Tipp von einem Freund, mal Spiel X auszuprobieren. "Könnte dir gefallen, auch wenn es nicht Casual ist." Mit diesem Tipp kann er jetzt (beziehungsweise im Frühjahr, wenn Stadia Basis verfügbar ist)
a) Eine Playstation/Xbox bestellen, warten bis sie da ist, Platz im Wohnzimmerregal schaffen, sie verkabeln, einrichten und aufstellen, das Spiel installieren und somit am folgenden Wochenende und geschätzt 500 Euro ärmer gucken, ob ihm das Spiel wirklich gefällt.
b) Seinen Browser öffnen, stadia.com eingeben, das Spiel kaufen und sofort 30-60 Euro ärmer gucken, ob ihm das Spiel wirklich gefällt. Vielleicht sogar günstiger, je nach Spiel; ich würde mittelfristig auch mit kostenlosen Demos oder Aktionen wie auf anderen Plattformen rechnen.
Welche von beiden Optionen werden wohl mehr Causals wählen?
Wie gut oder schlecht Stadia wirklich ist, spielt gar keine Rolle bei der Gewinnung dieser Kundschaft. Es hat eine Einstiegshürde von quasi null, das ist der enorm wichtige Vorteil gegenüber physischen Plattformen. Und mit einer gewissen Verbreitung potenziert sich dieses Potenzial noch. Dann gibt der Freund keinen Tipp mehr, sondern hält kurz sein eigenes Smartphone hin: "Hier, probier mal Read Dead Redemption 2 aus". Oder der Kollege spielt es einfach während der Mittagspause im Browser des Arbeits-PCs und auf die erstaunte "wie machst du das??"-Frage lautet die Antwort: "Kannst du auch. Mit Google Stadia."
Google erhält hier Zugang zu einer riesigen, bislang nicht oder nur auf Smartphones spielenden Zielgruppe, die andere Plattformen gar nicht erreichen.
Du vergisst bei diesen Überlegungen die ganze Zeit, dass Musik immer auch offline gehört werden kann. Klar, es heißt Musik-Streaming, aber mindestens genauso wichtig dabei ist, dass man Musik eben laden kann und sie auch dann genießen, wenn man keinen Empfang hat. Und genau diese essentielle Möglichkeit fehlt Stadia.
Wenn ich mich richtig erinnere, hatte Musik-Streaming seinen Durchbruch vor der Einführung von Offline-Optionen und in einer Zeit, als die meisten Mobil-Tarife winzige Datenfreivolumen boten, das Streaming also überwiegend über stationäre Verbindungen genutzt werden musste.