Das ist zum Beispiel eine der "Erfindungen". Es mag naheliegend sein, dass hohe Leistungsaufnahmen und schwere Kühlbarkeit eine schmlimmere Elektromigration bedeuten - das ist aber faktisch schlichtweg falsch. Ob eine CPU 100, 300 oder 600W aufnimmt ist für die Elektromigration völlig belanglos. Letztere ist ausschließllich abhängig von Stromflussidchte und Temperatur. Natürlich ist beides bei einer CPU die 300W bei 100°C läuft auch höher als bei derselben CPU die 100W bei 50°C läuft - aber kühlt man eine CPU stark genug und weit genug herunter ist Elektromigration komplett vom Tisch. ein 14900K der bei -150°C und 1,8V bei 800W und 7+ GHz läuft kann das praktisch ohne jeden (elektromigrationsbedingten) Verschleiß tun. Und wenn kein besodnerer Effekt/Defekt wie hier vorliegt ist Elektromigration auch bei 300W und 100°C belanglos. Leute klammern sich da instinktiv an "hohe" Zahlen und schlussfolgern irgendwelche Dinge - dabei ist das einfach nur ein Ankereffekt. Vor 20 Jahren waren 50W extrem viel und sicherlich schlecht für die CPU - den Prescott Pentium4 mit seinen exorbitant hohen 82W (!!) nannte man Herdplatte. Heute sind 50-80W (bei viel feineren und empfindlicheren Strukturen!) auf einmal der Effizienz-/Sparsamkeitskönig. Warum? Weil damals der Anker "20W" war und heute der Anker "200W" ist. Der Physik ist all das aber egal.
Prescott war mit bis zu 115 W TDP spezifiziert und ging mit dieser Einstufung großzügiger um, als seine Vorgänger.
Eine 82-W-CPU hätte drei Jahre nach den 72 W von Williamette und Athlon 1400C niemanden mehr gestört und jeglicher "20 W" Bezugsrahmen wurde bereits vom Ur-Athlon um Faktor 3 pulverisiert, ohne dass Normalverbraucher die Augenbraue gehoben hätten. Genau genommen lag da schon die erste Pentium-II-Generation spürbar drüber, in den 0er Jahren waren erst >100 W ein Thema.
Aber deine Grundaussage stimmt trotzdem: Aus Absolutwerten kann man nichts ableiten. Für einen Threadripper sind 300 W gesundes Mittelmaß, Sapphire Rapids hatten wir @OC bei 900 W aber manch Pentium III würde ist bei 60 W schon um Faktor 3 über Spec und sollte vielleicht unter Raumtemperatur gekühlt werden. Es hängt stark von der Architektur und vor allem der Fertigung ab, wie viel eine CPU verträgt und bis einschlägige Erfahrungswerte vorliegen (was Jahre und viele Fehlschläge erfordert), hat man halt nur Herstelleraussagen (@Stock immer "ist okay") oder veraltete Vorurteile von vorangehender Technik.
Erst wenn einschlägige Fehler in größerer Menge auftreten, steht die
Vermutung im Raum, dass es an ungesunden Betriebsbedingungen liegt. Aber auch da braucht es für eine belastbare Diagnose Aussagen zum zeitlichen Verlauf. "Ist jetzt instabil" kann halt viele Ursachen haben. Erst "ist neuerdings instabil in Szenarien, die lange Zeit stabil waren, wird aber wieder stabil wenn man 100-200 MHz runtergeht" stellt ein starkes Indiz da und für einen Beweis müsste man dann eigentlich noch ein paar Monate abwarten, bis er 200 MHz tiefer wieder instabil wird, weil er weiter degradiert.
Und bei aktuellen Intel-CPUs folgt dann noch das wirklich große Rätsel: Unter welchen Bedingungen lief die CPU eigentlich? Die Spanne der Möglichkeiten reicht ja von 125 W/1,1 V/75 °C bis 400 W/1,6 V/100 °C, je nach System, Einstellungen und Mainboard-Defaults. "Kann durch Überlast zerstört werden" ist unter letzteren Bedingungen eine Randnotiz für Rekordübertakter, unter ersteren Bedingungen dagegen eine Katatstrophenmeldung. (Anmerkung: Eigentlich wäre ersteres auch eine Katastrophenmeldung. Nämlich für all diejenigen, die sich nicht ins UEFI trauen und deswegen immer mit Mainboard-Defaults unterwegs sind. Nur kaufen solche Leute halt keine Hardware-Magazine.)
@PCGH_Torsten Hast du H610er eigentlich auch da? Wenn ja, könntest du mal testen, mit einem 13(4)900K/S, ob spielen damit möglich ist, oder die Wandler da schon lustlos werden?
Sie müssen das Bios ja für jedes einzelne Brett machen, das ist schon großer Aufwand, aber das ist quasi ein Muss für die Hersteller, weil es ja echt lebensbedrohlich für die CPUs ist.
Die Portierung für weitere Platinen scheint einfach, vielleicht sogar automatisch zu erfolgen. Arbeit machen eher andere CPUs. Mittlerweile haben die meisten (alle?) 1700-Platinen UEFIs mit "Intel Default" 125 W/253 W für 13900K und 14900K bekommen. Aber ein 13500F, für den Intels Pressemitteilungen keine neuen Vorgaben geliefert haben, steht nicht selten weiterhin mit 4.096 W/4.096 W drin und ein 12900K genauso, wenn das zuvor der Fall war. Offensichtlich ist das Roll-Out eines neuen Settings über alle Platinen naheliegender, als eine Korrektur der Schrott-Defaults für alle Prozessormodelle.
Zu H610 konkret: Nein, habe ich nicht da. Leser fragen zu selten nach solchen Boards und nachdem ich schon den Test Asrock B660 Pro RS abbrechen musste, weil es die PCGH-Stabilitäts- und Temperatur-Messungen schlicht verweigert hat (mindestens 35 Minuten @200 W, 15 Minuten @241 versus maximal 224 Sekunden >125 W hardgecoded), habe ich auch davon abgesehen, mal was kleines in regulären Tests mitlaufen zu lassen. Man kann einfach keine vergleichbaren Werte ermitteln. Die beiden kleinsten LGA1700-Boards, die es seitdem nochmal in die Redaktion geschafft haben, waren MSI B760M Gaming Plus und Gigabyte B760 Gaming X AX. Ersteres quittierte obigen Test mit Taktabsenkungen, wenn man seine Spannungswandler nicht zusätzlich belüftete, letzteres sogar, wenn man das tat.
Die Frage ist damit aber im Prinzip auch schon beantwortet: Wenn schon die 160-Euro-Preisklasse keine 241 W dauerhaft verträgt, dann werden 100-Euro-Mainboards ganz sicherlich keine CPU mit 24/7 300 W grillen. Die drosseln vorher, entweder wegen sinnvoller Firmware oder wegen überhitzenden Spannungswandlern.