Ich finde nicht, dass "Geh doch anderswo hin!" ein guter Ansatz ist. Ich meine, jeder ist doch mal an dem Punkt, wo ihn irgend etwas (nicht nur) in Deutschland tierisch ankotzt und man sich dementsprechend öffentlich darüber auskotzt. Das ist aber kein Auswanderungsgrund, egal ob man Bindungen anderswo hin hat oder nicht.
Wenn man sich über etwas aufregt, bedeutet das, dass es einem eben *nicht* egal ist. Sprich, es gibt neben den Aspekten, die einem abstoßen auch solche, die einen anziehen.
Duvar darf (und soll) wie jeder andere Dinge in Deutschland kritisieren. Wenn hierzulande Einiges nicht okay ist, aber Vieles eben doch und es anderswo nicht besser ist, dann bleibt man eben und versucht die Dinge anzusprechen, die nicht okay sind.
Wenn man jedoch hier alles Schei3e und nichts gut findet, oder das zumindest nie zur Sprache bringt, aber gleichzeitig anderswo alles super findet, oder zumindest dortige Probleme nie anspricht, wird es ... nicht so gut aufgenommen.
Mich stört bei Duvar eigentlich nur, dass seine Kritik an Deutschland eigentlich immer Kritik ist, die gleichzeitig dazu diente, die Türkei zu erhöhen. Und dann gibt es eine Diskrepanz zwischen dem, was man sagt und wie man sein Leben eingerichtet hat.
Ich vermute - denn mit Sicherheit wissen kann ich's nicht - allerdings, dass sich Duvar hier trotzdem ganz wohl fühlt, aber die guten Seiten Deutschlands so gegeben hinnimmt wie jeder Andere, der hier aufgewachsen ist. Gleichzeitig fühlt er sich aber vermutlich nicht vollständig akzeptiert und dann tritt der Effekt ein, dass man sich auf die andere Identität konzentriert, die man von Geburt an mitbekommen hat.
Grundsätzlich: Das Gras wächst bekanntlich immer etwas grüner in Nachbars Garten. Wäre Duvar in der Türkei aufgewachsen, wäre er stärker mit den Dingen konfrontiert, die dort nicht in Ordnung sind. Und hätte er von dort aus Bindungen nach Deutschland, würde er den erstrebenswerten Zustand womöglich eher hier verorten.