Ich bin froh, dass sich in der Indie-Szene sog. "Boomer-Shooter" (ja, die Fanbase nennt die wirklich so) relativ gut durchgesetzt haben. Zwar ist auch da nicht alles Gold was glänzt (erstaunlich viele Spiele kriegen das Movement nicht hin; z.B. bewegt sich die Spielfigur so schnell, dass sie kaum kontrollierbar ist), aber unterm Strich sprechen mich die Spiele von ihrer Spielstruktur deutlich mehr an als alles, was sich als nächster Hyperrealismus verkauft. Und das liegt nicht an der Ästhetik.
Mein Problem bei neueren Shootern ist, dass zugunsten der Inszenierung und eines selbstauferlegten Realitätsbezugs der Spielspaß oft hintenan steht und mit Ballast aufgebläht wird. Vom Gameplay her sind das eigentlich alles supersimple Spiele, ihr Vorteil ist gerade das schnelle Rein- und Rauskommen davon. Die eigene Spielfigur fetzt mit 50 km/h durch die Gegend und bleibt dennoch beherrschbar, hat ein FOV von 90-120°, kann mehr als ein Dutzend Waffen gleichzeitig mit sich herumtragen, die Waffen sind z.T. extrem kreativ (nicht das tausendste Sturmgewehr, sondern z.B. Shrinker, Expander, Eiswerfer, oder einfach mal 'ne vollwertige Kanonenkugel...). Die Gegner unterscheiden sich nicht nur von ihrer Bewaffnung, sondern auch vom Verhalten und ihrer optimalen Strategie deutlich. Die Levels sind einerseits verwinkelt, andererseits aber dennoch von "Landmarks" durchzogen damit man ein Gefühl dafür bekommt, wo im Level man sich befindet und welchen Weg man als Nächstes nehmen muss. Man muss zwar trotzdem überall rein, aber es fühlt sich dennoch nach einer kleinen Entscheidung an die man trifft, statt stur einem Korridor zu folgen. Wenn Inszenierungen stattfinden, reißen sie einem nicht die Steuerung aus der Hand, sondern überlassen es dem Spieler selber, ob ihm der Storyfetzen gerade interessiert oder nicht.
"Anarchisch" ist hier, glaube ich, das Zauberwort. Es soll rummsen, es soll spratzen, es sollen richtig saftige Geräusche beim Eliminieren von Gegnern geben. Die ganze Aufmachung soll absichtlich übertrieben sein, schließlich wird hier eine Power-Fantasy ausgelebt. Wenn, dann richtig! Dumm, aber geil!
Ich mein, die Verkaufszahlen zu Doom (2016) und Doom: Eternal waren jetzt auch nicht schlecht, oder? Beide Spiele haben - wenn auch nicht perfekt (die Story war mir an vielen Punkten dann doch zu Edgy und für eine jüngere Zielgruppe ausgerichtet), aber dann doch deutlich besser als die CoDs und MoHs dieser Welt - gezeigt, dass es für sowas durchaus noch einen Markt gibt.
Doom (1993), Duke Nukem 3D, Quake, Unreal, Blood... Gerade bei den alten Doom-Teilen ist es irre, wieviel Spaß die mit "modernen" Engines (ich bin kein Purist, Doom 1 & 2 zocke ich auch mit Mauslook...) heute noch machen. Es gibt Tage im Jahr, da zocke ich nichts anderes^^.
Tut mir leid, aber bei heutigen Shootern schrecken mich folgende Dinge einfach extrem ab:
- Nicht überspringbare Intro- und Zwischensequenzen, die so tun, als wollen sie eine wichtige, gesellschaftlich relevante Aussage treffen. Ich will ballern!
- Reduzierte Laufgeschwindigkeit, am Besten noch mit einer Ausdauerleiste versehen. Ich bin kein Soldat vom Militär, ich will ballern!
- FOV von 65. Ich will Übersicht, ich bin doch nicht blind!
- Permanent Schrittgeräusche der eigenen Spielfigur. Aus gutem Grund lassen mittlerweile einige Shooter dieses Geräusch wieder weg; nach zig Stunden wo man alle 1-2 Sekunden ein- und dasselbe Schrittgeräusch hört, macht einem wahnsinnig! Da gleitet man nach einiger Zeit in einen Zen-artigen Zustand rüber...
- Eintönige melancholische Musik, die einem wenig subtil eintrichtern will, wie schlimm das doch alles sei. Meinetwegen bei Spielen, die so eine Story als erklärtes Ziel hat (Spec Ops: The Line), aber nicht bei Spielen, die einem absichtlich eine Power-Fantasy geben wollen (besonders CoD hat in früheren Singleplayer-Kampagnen eine Doppelmoral an den Tag gelegt, die rückblickend stellenweise wirklich widerlich war...).
- Aufgeblähte Story, die inhaltlich auf einen Bierdeckel passt, aber so tut als sei sie die nächste Marvell-Filmumsetzung. Mir ist bewusst dass ich hier Computergegner umholze; mehr als eine grobe Rahmenhandlung brauche ich garnicht!
- Alle Waffen, mit Ausnahme von einer oder zwei, sind entweder Pistolen oder Varianten von Sturmgewehren. Ich will Kreativität aus der Vorstellungskraft des Menschen! Ich zocke doch nicht, um die Realität abgebildet zu bekommen...
- Man kann nur zwei Waffen gleichzeitig tragen.
- Die Umgebungen sind Hyper-realistisch. Ich will fremde Welten erkunden, die aus der Vorstellungskraft kreativer Designer entspringen und mit einzigartigen Landmarks punkten, und nicht nur "Wüste", "Stadt", "Großstadt" etc. sehen...
- Das Leveldesign besteht aus einem langgezogenen Korridor mit Kurven drin. Die Immersion bricht schon auseinander, wenn man in die falsche Richtung schaut... Ich will zumindest die (gut gemachte!) Illusion haben, auch entscheiden zu können, wohin ich gehe! Langgezogene Korridore rauben mir das, "nur" ballern alleine ist auch unbefriedigend.
- Die Gegner sind alle gleich, haben die gleichen Proportionen, nur die Farbgebung und deren Waffe (aber nicht deren Verhalten oder Geräusche) unterscheidet sich. Das Problem haben vorwiegend "realistische" Shooter in denen man menschenähnliche Figuren und/oder realistische Gerätschaften (Panzer etc.) abballert...
Gibt nur wenige Spiele, die diese Nachteile haben und mich trotzdem catchen, z.B. ein "Metroid Prime", aber das ist auch nur im Weitesten Sinne ein Shooter...
Und das war einer meiner eher seltenen Beiträge, in denen ich mich über etwas rante. Sorry, ich brauch das ab und zu^^...