Weil Mord in z.B 10% der Fälle gerechtfertigt ist, erlauben wir ALLE Mordspiele? Das Argument zieht nicht.
Hier sind jetzt so viele Aspekte zur Sprache gekommen und wild vermengt worden, da sollte man vielleicht versuchen, sie ein wenig zu sortieren.
1.) Mord vs. Vergewaltigung
Wie schon ganz richtig festgestellt wurde, sind Morde seltener als Sexualdelikte. Das halte ich für ebenso so ausschlaggebend wie den Umstand, dass Sexualdelikte häufig bagatellisiert werden. Die grundsätzlich mysogonistische und/oder "Sie will es doch auch"-Einstellung überträgt sich viel leichter, die Grauzone ist größer und selbst wenn man nicht so drauf ist, kommt man im Alltag schnell mal in uneindeutige Situationen, in denen man mit Prägung durch solche Spiele wohl eher zur falschen Auslegung tendiert. In der realen Welt im Zweifel zu sein, ob man gerade einen Mord begeht oder nicht, ist einer sehr kleinen Gruppe psychologischer Grenzfälle vorbehalten.
2.) "Rape Day" vs. [bitte beliebiges anderes Spiel bei Steam mit Darstellungen nicht einvernehmlicher sexueller Handlungen einsetzen]
Differenzierung ist eine aussterbende Kunst.
Das geht bei der Art der Darstellung los: Gerade die ganzen japanischen oder daran orientierten Spiele mit entsprechenden Inhalten sehe ich zwar ebenfalls als problematisch, aber das Ganze ist deutlich abstrakter und zumeist geradezu absurd. Das macht es nicht grundsätzlich besser, erleichtert aber die Unterscheidung grenzwertigen Kopfkinos von nachahmbaren oder zumindest realitätsnah imaginierbaren Situationen.
Der nächste Punkt ist, wie es beworben wird. Es ist ein Unterschied, ob man sagt "Du hast es dir verdient, reihenweise Frauen/Männer/Diverse zu vergewaltigen; also spiel das hier, du Stecher!" oder "enthält (grüne) Pixel die irgend etwas nicht Einvernehmliches mit fleischfarbenen Pixeln anstellen, außerdem Tentakelmonster und Spuren von dicken Nüssen".
3.) "Mord- und Killerspiele"
Was Mord genau ist, variiert in verschiedenen Rechtssystemen, allen eigen ist aber Vorsatz und die Unterscheidung von anderen Arten der Tötung, sei es aufgrund niederer Beweggründe und/oder besondere Hinterhältigkeit der Ausführung.
Die Zahl der Spiele, in denen man überhaupt im eigentlichen Sinne als Mörder auftreten kann, sind also überschaubar und es werden noch weniger, wenn man als Mörder auftreten "muss", weil das Spielprinzip explizit darauf basiert. Und selbst wenn man tatsächlich uns zweifelsfrei mordet, kann es immer noch Umstände geben, durch die sich die Perspektive verschiebt.
In "Hitman" ist man ein Auftragsmörder, aber das Ganze wird dadurch relativiert (wohlgemerkt: relativiert, nicht zwingend gerechtfertigt), dass man sich recht unangenehmer Zeitgenossen annimmt.
In "Postal" und Co. steht, wenn auch in stark wechselnder Qualität, die Kritik an einer empathielosen Gesellschaft im Vordergrund, in denen Einzelne so lange an den Rand gedrängt werden, bis sie durchdrehen. Ich will nicht behaupten, dass das die Motivation jedes Spielers (und womöglich noch nicht einmal jedes Entwicklers) ist, aber die Möglichkeit ist auf jeden Fall da.
In "Manhunt" und Co. ist die Formel noch einfacher: Töten oder getötet werden. Da gibt es keine künstlerisch-pädagogische Auslegung und keinen rechtlichen oder moralischen Rahmen, nicht unähnlich einem Endzeit-Setting, in dem sich Leute für einen Schluck Wasser umbringen ...
... was wiederum eine gute Überleitung zum Setting von "Rape Day" ist, indem auch die (Zombie-) Apokalypse herhalten muss, um die Rechtlosigkeit zu begründen. Der Haken ist nur der: Eventuell muss man in so einem Setting töten. Vielleicht um sich zu schützen, um Andere zu schützen, vielleicht auch nur für einen Schluck Wasser (auch wenn man ohne diesen Schluck nicht gleich selbst tot umgefallen wäre). Aber warum sollte man vergewaltigen müssen?
Vielleicht habe nur ich da eine defizitäre Vorstellungskraft, aber mir will ums Verrecken nichts einfallen, was diese Kategorien in irgend einer Weise und/oder Situation so dicht zusammenbringt, dass man sie vergleichen könnte. Mir ist grundsätzlich keine Unterscheidung zwischen einer gerechtfertigten oder ungerechtfertigten Vergewaltigung in irgend einem modernen Rechtssystem oder Moralkanon bekannt, ja noch nicht einmal ein entsprechender Diskurs.