Und wo sind Griechenland, Persien, Ägypten und Rom (Italien) heute?
Geographisch gesehen immer noch dort, wo sie schon immer waren.
Ansonsten ist Italien auf Platz 8 der wirtschaftsstärksten Länder.
China, bekanntlich ebenfalls ein sehr altes Großreich, sogar auf Platz 2.
Indien, auch ein sehr altes Großreich, auf Platz 5 direkt hinter Deutschland.
Man kann natürlich auch andere Kriterien wie Sterbealter, PISA-Studien, Zufriedenheitsindex etc. heranziehen und käme in jedem Fall zu so durchwachsenen Ergebnissen, dass deine "generalisierte Dekadenz-Theorie" vermutlich eher nicht haltbar ist.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass alle Hochkulturen an ihrer eigenen Dekadenz zugrunde gehen.
Ich behaupte, dass Hochkulturen daran zugrunde gehen, dass zu viele ihrer Angehörigen "offene Geheimnisse" vorgeschoben haben, anstatt die nachweislichen Ursachen für ihre Probleme zu suchen.
In einer Wohlstandsgesellschaft passiert folgendes:
Die schlauen und erfolgreichen Menschen führen ein luxuriöses Leben mit wenig Kindern. Ergo wird ein eventueller, vielleicht sogar wirklich vorhandener Vorteil in Sachen Intellekt, Kreativität und Auffassungsgabe nicht in ausreichender Anzahl weitervererbt. Gleichzeitig vermehrt sich die Unterschicht wie die Karnickel, weil jedes Kind benötigt wird, um durch die niedere Arbeitskraft die Existenz zu sichern. Irgendwann gibt es keine signifikante Mittelschicht mehr. Das ist dann häufig der Bruchpunkt.
Die Sache hat nur einen Schönheitsfehler: Erfolg, Kreativität und Auffassungsgabe sind nicht erblich.
Einige Anlagen dafür natürlich durchaus, aber das ist zu vernachlässigen: Was am unteren Ende fehlt, ist die Förderung guter Anlagen, die daraufhin verkümmern. Man könnte also sagen: Was eine Kultur in Bildung investiert bzw. investieren kann, hat - unter zahlreichen anderen Faktoren - Auswirkungen darauf, wie lange sie bestehen bleibt.
Das mit dem Mittelschicht vergisst du am besten sofort wieder. Zahlreiche Hochkulturen wurden groß, ohne von Anfang etwas gehabt zu haben, was auch nur annähernd unserer heutigen Definition einer Mittelschicht entspricht.
Und natürlich ist die Völkerwanderung nicht zu unterschätzen, denn von dem großen Kuchen will jeder was abhaben.
"Die" Völkerwanderung gibt es nicht. Die zahlreichen Völkerwanderungen der Menschheitsgeschichte hatten sehr unterschiedliche Ursachen. Die wenigsten hatten zum Ziel, in eine Hochkultur einzuwandern; vielmehr führten die meisten Wanderungen überhaupt erst zur Gründung von Hochkulturen.
Das ist, evolutionär betrachtet, übrigens absolut logisch: Entweder ziehen Menschen aus Not los und haben das Ziel und die Motivation, sich anderswo zu verbessern. Oder sie ziehen ohne unmittelbare Not, aber aus Entdeckerdrang und Abenteuerlust los. Diejenigen, die auf Wanderschaft gehen (und diejenigen, die das Ziel auch lebend erreichen) sind die Kreativen, Einfallsreichsten, Mutigsten und Kräftigsten. Alle anderen gehen lieber am alten Platz ängstlich und/oder dekadent (!) zugrunde bzw. bleiben auf der Strecke.
Läuft heute noch genauso. Ein Abi, dessen Anspruch immer weiter nach unten korrigiert wird, damit die Einstiegshürde so niedrig wie möglich gesetzt ist, hilft dieser Entwicklung nicht wirklich entgegen (als Beispiel).
Korrekte Detailbeobachtung, jedoch fehlerhafte Einordnung.
Man muss überlegen, was das Ziel eines Abiturs ist bzw. wie es sich in das gesamte Ausbildungs- und Karrierekonzept einfügt. Wenn inzwischen etliche Handwerksbetriebe lieber Abiturienten statt gute (!) Real- oder Hauptschüler nimmt, versuchen sich mehr Leute am Abi, die eigentlich kein Material für den höheren Bildungsweg sind, sich da jedoch irgendwie durchwursteln müssen.
Das Abi hat sich in Deutschland zum Dreh- und Angelpunkt eines als elitär verstandenen Bildungsweges entwickelt, den aber Viele beschreiten müssen und möchten, um nicht abgehängt zu sein. Das Ganze Konzept ist falsch und eine Reduzierung der Ansprüche ist nicht einmal ein Symptom, sondern eher ein hilfloser Behandlungsversuch. Das ist, als ob du ein abgerissenes Bein mit einem Druckverband behandeln willst. Der Druckverband ist nicht das Problem, sondern das abgerissene Bein. Der Druckverband ist aucbn nicht falsch, sondern einfach nur zu wenig.
Das Bildungswesen leidet unter einem Anspruch, den es weder es selbst, noch die Auszubildenden erfüllen können. Was hier hilft, wäre entweder die Einrichtung eines höheren Bildungsweges über dem Abi oder ein gesellschaftlicher Diskurs über dessen Bedeutung.
Aber das alles hat wenig bis gar nichts damit zu tun, dass wieder einmal reflexartig ein/das Problem bei der Jugend und deren Zeitvertreib gesehen wird.
Dass beispielsweise Brettspiele per se weniger schädlich oder mehr nützlich wären als digitale Spiele bzw. Lesen im Vergleich zum Schauen, ist nur unzureichend erforscht und von den existierende Untersuchungen legen etliche eher nahe, dass das komplett unerheblich ist.
Entscheidend ist nicht das Medium, sondern was darüber vermittelt wird und wie dies verarbeitet wird. Um es einmal
sehr grob zu vereinfachen: Ich bezweifle stark, dass ein Stunde Solo Halma mehr für die kognitiven und motorischen Funktionen tut als ein beliebiges Strategiespiel.
Mit Anderen zu spielen ist sicherlich besser als alleine, nur spricht das in Zeiten von Kontaktbeschränkungen ja eher
dafür, sich in Online-Spielen zu messen, statt Oma und Opa bei "Mensch ärgere dich nicht" anzuhusten.
Nun gut, der Ton und die generelle soziale Einstellung in zahlreichen Online-Spielen ist stark verbesserungsfähig. Wenn ich mir jedoch vergleichsweise anschaue/-höre, was auf bundesdeutschen Bolzplätzen für Worte fallen (und manchmal Taten folgen), ist das Getöse in Teamchats zumindest nicht schlimmer.
Es ist ja auch nicht so, dass Frau Ludwig
grundsätzlich falsch liegen würde: Eltern sollten tatsächlich darauf achten, was ihre Kinder tun und vorzugsweise sogar
Anteil daran nehmen, statt es nur zu überwachen.
Das würde den Generationenkonflikt abmildern, der genau zu dem falschen Eindruck führt, dass die Jugend und deren Freizeitgestaltung für den Verfall der Gesellschaft verantwortlich wäre.
Verantwortlich sind zu jeder beliebigen Zeit und in jeder beliebigen Epoche und Kultur immer die Erwachsenen. Sie tragen die Verantwortung und sollten diese kennen, sie haben die Mittel und die Macht für grundlegende Veränderungen und sie müssen die Gesellschaft in eine Richtung führen, in der sie floriert, statt zu stagnieren und unterzugehen.
Die kleinen (und auch größeren) Scheißer hingegen haben nur eines zu tun, nämlich sich an dem zu orientieren, was ihre Erzeuger ihnen vorleben und hoffentlich zu versuchen, das Schlechte zu unterlassen und das Gute zu verbessern, wenn sie selbst damit dran sind. Aber sie haben nicht, ich wiederhole: NICHT, die Aufgabe, als billige Entschuldigung dafür herzuhalten, wenn es bergab geht.
Selbst wenn es nämlich so wäre, wäre das deren Problem, nicht das der Erwachsenen. Die sind dann nämlich schon Kompost.
Schreibt ein alter Sack (und eigentlich zu später Papa eines lebhaften Sechsjährigen), der bis zur Rente nicht mehr lange durchhalten muss und eigentlich auch keine Gelegenheit auslässt, über Jungspunde herzuziehen, wenn ihm diese gerade besonders störend bzw. nutzlos vorkommen.