Edles Ziel, keine Frage. Aber was ist "W"ohlergehen? Kann und soll "W" eine materiell darstellbare Groesse sein (und das ist der Ansatz praktisch aller Parteien)? Und darf das Ziel der Weg sein, auch um den Preis, dass er ins Fiasko fuehrt?
In wie weit sich W materialistisch, genauer -so der meist versuchte Ansatz- in Geld umrechnen lässt, ist sicherlich schwer zu sagen und ich würde erstmal jeden anzweifeln, der behauptet, eine feste Formel zu haben. Da in unserer Gesellschaft aber ausnahmslos alles ans Geld gebunden ist, gibt es einen direkten Zusammenhang - die Parameter, die W letztlich ausmachen sind nur zu komplex und individuell, um einen festen Faktor anzugeben.
Ein gesellschaftliches Fiasko (ggf. <> wirtschaftliches Fiasko) dürfte wohl eine Minimierung von W darstellen und ist somit nicht erstrebenswert.
Der Staat ist letztlich nur eine Umverteilungsmaschine. Insoweit liegt es im Interesse der Buerger, ihn zur Wirtschaftlichkeit anzuhalten. Um das "W" werden sich die Menschen selbst kuemmern muessen, so muehselig das auch sein mag.
Zur Wirtschaftlichkeit, im Sinne von "nichts verschwenden" sollten sie in anhalten (wobei da imho häufiger der Unterschied zwischen verschwenden und verbrauchen klargestellt werden sollte), aber zu ihrem Wohlergehen sollte er dadurch letzten Endes beitragen, und zwar in einer effektiveren Form, als sie es selbst könnten.
Denn sonst würde man den Job ja lieber selbst machen.
Dann verstehe ich nicht, warum man sich ueber die Verringerung der Sozialabgaben echauffieren kann? Im Idealfall schafft dies Arbeit und fuehrt so Individuen aus der Arbeitslosigkeit und steigert die Staatseinnahmen durch Abgaben (auch der Unternehmen).
Im Idealfall (der historisch nicht 100%ig belegbar ist) führt es dazu. Beachte aber, dass es in deiner Aussage bislang noch niemandem besser geht. (Es sei denn, man nimmt zusätzlich die Idealfälle an, dass es "gute" Jobs sind und der Staat mit dem Geld großes für die Bevölkerung vollbringen kann - beides Idealismen, die sich man so auch nicht zu 100% erwarten kann)
Was aber schon von der ersten Zeile feststeht ist, dass es allen schlechter geht.
Ich will mit dem Beispiel aber auch gar nicht in die Tiefen der Sozialpolitik einsteigen, hier sollte es um die Menschen, ihre Wahrnehmung und ihr verhalten gehen:
Die Politik sagt:
"wir nehmen den Unternehmen weniger Geld, dann gibts vielleicht mehr Arbeitsplätze"
- und alles freut sich, dass es
vielleicht mehr Arbeitsplätze gibt.
Dabei sollte jeder, der auch nur einigermaßen ganzheitlich denken kann, sofort stutzig werden: "Geld ist nicht endlich, der Staat hat bislang nicht zuviel davon. Also was ist der Gegenpart?"
Die vollständige Gleichung lautet:
"Wir geben euch weniger Geld, nehmen im Gegenzug den Unternehmen weniger...."
Wie gesagt - ich will hier nicht drüber diskutieren, ob das richtig sein könnte. Es geht mir darum, dass genau das eine Frage ist, die 99% der Bevölkerung nicht in ihrer Vollständigkeit erfassen und auf Anhieb mit "jo, ist es" beantworten können. Diverse Stammtischparolen geben Grund zu der annahme, dass sie eher mit "spinnen die????" reagieren dürften. Das bringt mich zu dem Schluss, dass ein extrem großer Teil der Bevölkerung nicht diesen winzigen Denkschritt macht und sich fragt, wo das Geld dann fehlt.
Und das ist nicht nur ein extrem trauriges Bild von der Denkweise der Menschen, es ist auch ein ganz großes Problem für eine Demokratie, wenn schon so primitive Gleichnisse von den Wählern nicht mehr nachvollzogen und daraufhin überprüft werden, ob sie dem Wählerwillen entsprechen.
Beobachtung sicherlich richtig, Diagnose vermutlich total falsch. Waere der Kapitalismus die Wurzel solcher Uebel, haette z. B. in einem Land vor unserer Zeit (mit drei Buchstaben, die ich nicht nennen mag) die Forschung ja zum Umweltschutz beitragen koennen (muessen?). Wer je Bitterfeld vor 1989 besucht hat, weiss, dass es ganz so wohl doch nicht war.
Die Ursache auf "Kapitalismus" zu verknappen, mag also trendy sein und den Zeitgeist treffen, aber richtig ist sie vermutlich nicht.
Bei einem System einen Fehler festzustellen sagt nichts darüber aus, ob er in einem bestimmten anderen System nicht auftritt.
Dieses eingeschränkte bipolare Denken habe ich bereits weiter oben kritisiert. Damit kam vielleicht im kalten Krieg zurecht, aber solangsam muss man sich mal mit der wahren Komplexität der Welt beschäftigen.
Um auf das konkrete Beispiel einzugehen: Ich stimme dir durchaus zu, dass das ultimative Problem letzten Endes der Egoismus ist und der kann in einer Diktatur genau die gleichen negativen Auswirkungen wie in einer kapitalistischen Demokratie haben. Das Problem konkret beim Kapitalismus ist aber, dass er auf den Egoismus als funktionelles Element aufbaut (s.u.) - weswegen es richtig (und derzeit populär) ist, auf Egoismus basierende Fehler auch dem Kapitalismus anzuheften - sie gehen zwangsläufig damit einher.
(s.o. - das heißt nicht, dass im Umkehrschluss das erstbeste Gegenkonzept die einzig mögliche Alternative ist oder, wenn nicht, dass Kapitalismus eben doch optimal ist. Es heißt, dass man differenziert einzelne Punkte hinterfragen muss und dazu gehören auch und gerade kapitalistische Grundprinzipien. Nicht die Aussage "Wirtschaft gehts besser -> Leuten gehts besser" als Naturgesetz hinnehmen. Sondern "Stimmt das?" "Kann es verbessert werden?" bzw. "Gibt es Alternativen?" "Hat es weitere Auswirkungen?"...)
Ich sehe nicht, inwieweit Grundlagenforschung straeflich vernachlaessigt wuerde. Gelegentlich habe ich eher den Eindruck, dass bedenklich viel Geld fuer sie verplempert wird (z. B. in Genf).
Würdest du Solarzellen mit 50% Wirkungsgrad und einem m² Preis von unter 100$ als hilfreich in der aktuellen Situation ansehen?
Glaubst du, es wäre für die Wirtschaft und die Gesellschaft (jup, ausnahmsweise diese Reihenfolge) verträglicher und somit insgesamt besser gewesen, wenn bereits seit 1990 auf die Klimaschutzziele hingearbeitet worden wäre, zu denen uns der heutige Wissensstand zwingen sollte?
Wäre eine bessere Regulierung der Finanzmärkte aus deiner Sicht wünschenswert gewesen?
Ich hoffe mal, dass du mindestens eine der Fragen mit "Ja" beantwortest - und mir dementsprechend zustimmst, dass es schön gewesen wäre, wenn der heutige Forschungsstand in diesen (damals noch) abstrakten, der Grundlagenforschung zugehörigen Fragen bereits vor 10-20 Jahren erreicht wurde.
Finanzierung von Großprojekten ist ein heikleres Thema... Leider haben Politiker wenig Ahnung von Wissenschaft. Aber sie lassen sich von großen Dingen beeindrucken. Siehe bei uns:
Personen müssen, abseits ÖPNV irgendwie von A nach B? (in der Biologie häufiger der Fall
)
In 90% der Fälle Privat-PKW, Uni-Fahrzeuge gibts fast keine/nur für sehr wenige Zwecke und Anmeldung besser >1Jahr im vorraus.
Aber 5 Millionen für n ROV, die stellt das Land mal eben aus nem anderen Töpfchen zur Verfügung.
Teilchen- und Kernphysik ist da imho das allerbeste Beispiel dafür. Nicht dass ich hier irgend jemandem die Bedeutung absprechen möchte... - aber es ist schon einige Zeit her, dass Teilchenbeschleuniger irgendetwas herausgefunden habe, dass irgend wann mal praktische Relevanz haben könnte - schon allein deswegen, weils einfach zu klein ist. Ähnliches gilt für die ganze Fissions/Fusionsforschung, die zwar gelegentlich was nutzbares herausgebracht hat, aber -nicht zuletzt dank der militärischen Unterstützung- dafür Budgets verschlingt, mit denen man an anderer Stelle (z.T. wortwörtlich) die Welt erklärt hätte...
Wird höchstens noch von den Raumfahrtprogrammen getoppt, aber nach Wegfall des militärischen und propagandistischen Interesses nähern die sich langsam wieder nutzbaren, erdnahen Schwerpunkten an.
Stichwort wofuer? Humboldt hat immer wieder die Eigenverantwortung des Individuums und die Zurueckdraengung des Staates gefordert. Ihn als Beispiel von jemandem angefuehrt zu bekommen, der in einem anderen Thread (noch) mehr Staat in den Universitaeten gefordert hat, mutet ... inkonsistent an. Vielleicht verstehe ich auch nur nicht, was Dein Stichwort mir sagen soll.
Ich fordere weniger Wirtschaft an den Universitäten - am einfachsten ermöglicht durch eine bessere staatliche Finanzierung. Das Ziel ist aber das gleiche wie zu Humboldts Zeiten:
Weniger Einflussnahme durch Kräften, die von Wissenschaft eh keine Ahnung haben, sondern die Bildungseinrichtungen in Richtung ihrer Ideale steuern wollen.
Zu Humboldtszeiten war das ganze noch n bissl einfacher über Grundbesitz/eigene Wirtschaft im Bestitz der Unis zu regeln, heute würde ich diesen Teil von der öffentlichen Hand verwalten lassen.
Einmal mehr verschliesst sich mir, was Du damit sagen willst? Das Individuum ist egoistisch, weil die Gesellschaft es ist? Umgekehrt wird ein Schuh daraus.
Dieses Gesellschaftssystem setzt vorraus, dass das Individuum egoistisch ist.
Sie geht sogar soweit, den Egoismus zu loben und zu fördern.
Wie auch schon von dir festgestellt, führt dieses egoistische Individuum aber zu Problemen. Eine Möglichkeit, diese zu verringern, wäre eine Verringerung des Egoismus. Das ist aber mit diesem Gesellschaftssystem gar nicht vereinbar.
Der Mensch ist egoistisch. Waere er es nicht gewesen, wuerden heute Stechmuecken oder Leguane die Erde beherrschen.
Tjo, dummerweise gibt es in jeder Entwicklung irgend ein Niveau, oberhalb von dem ein Konkurrenzprinzip unterm Strich keinen Vorteil mehr bringt - weil es soviel Schäden anrichtet, dass selbst der triumphierende am Ende schlechter dasteht, als beide in einem kooperativen Modell.
Imho hat die Menschheit diesen Punkt spätestens dann erreicht, als sie Rohstoffvorräte und Umweltkapazitäten in global-signifikantem Maßstab vernichten bzw. überlasten konnte.
Ein ganz primtives, drastisches (und mangels Kommunikation auf beiden Beinen hinkendes) Beispiel: Kampf=Krieg.
Es machte Sinn, dem Typen aus der Nachbarhöle den Schädel einzuschlagen um seinen eigenen Besitz zu verdoppeln.
Es machte Sinn, Afrika zu unterjochen, um das eigene Reich zu vergrößern.
Es machte nur noch wenig Sinn, sich an einem der Weltkriege zu beteiligen - aber für die Siegermächte ging es immerhin ±0 aus.
Jetzt haben wir den "Krieg gegen den Terror" - und der führt selbst der hoffnungslos überlegenen Seite massive Schäden zu.
Wie gesagt: Hinkt, weil das jüngste Beispiel so stark ideologisch belastet ist, dass auch mit Einsicht in die objektiven Fakten keine Kooperation denkbar ist.
Aber ähnliches gibt es auch in Gesellschaft und Wirtschaft, nur das die Schäden da meist mit mehreren Jahrzehnten Verzögerung bemerkt werden, weil man sie erstmal der Umwelt anlasten kann. (und auf die wenigen Leute, die sich letztere näher angucken, hört dann wieder keiner)
(n mögliches Beispiel wäre vielleicht Hochwasserschutz: Flüsse zu begradigen und einzudeichen bringt einem Vorteile zu Lasten anderer entlang des Flusses. Aber wenn es alle machen, haben letztendlich alle massive Nachteile - mit dem Ergebniss, dass jetzt Unsummen in Deichverlagerungen und Renaturierung investiert werden, nachdem man schon einmal Unsummen für das Gegenteil ausgegeben hatte. Hätt man auch vorher wissen können. Hätte man jemanden damit beauftragt, sich die Sache mal objektiv, ganzheitlich und grundlegend anzugucken. Man hat aber lieber mit "praxisnahem Wissen" gearbetiet)
Die Aufgabe des Staates ist es, die verschiedenen Interessen einander anzunaehern
Klingt nach Diktatur.
und Ausgleiche zu schaffen. Das kann er mit seinem buerokratischen Apparat aber letztlich nur monetaer schaffen, in dem er Geld einnimmt und an anderer Stelle wieder ausgibt. Eine wahrhaft solidarische Gesellschaft ist (derzeit) Utopie, leider. Vielleicht hat der Mensch sich irgendwann weit genug vom Affen entfernt, so dass das funktionieren kann. Falls ja, wird es dazu auch keiner Gesetze beduerfen.
Entwicklungen verlaufen nur selten sprunghaft. Solange der Mensch eisern an einem System festhält, das mehr Wettkampf und mehr Egoismus gut heißt, stehen die Chancen sehr schlecht, dass auf einmal was solidarisches bei rauskommt.
Sollte es doch kommen, käme es mit einem Knall, ein radikaler Bruch zwischen altem und neuem System ist zwangsläufig notwendig. Und derartig revolutionäre Umbrüche führen selten zu dem gewünschten Ziel und sie sind nie ein effektiver, verlustfreier Weg.
Besser ist es, die kleinen Ansätze, die da sind, zu fördern und zu mehren und entgegengerichtete Tendenzen als das darzustellen, was sie sind (?): negativ.
Gesetzte braucht es dazu eigentlich nicht, da hast du recht. Aber in Deutschland wird wohl mindestens eine Vereinssatzung geschaffen werden müssen