Meine Aussage bezieht sich ausdrücklich auf die Fertigung, nicht auf bei beiden Herstellern in der logischen Arbeitsweise der Architekturen steckende Lecks.
Intel wollte Cannon Lake 2016 bringen – Gerüchte über abweichende Pläne wurden ein Jahr vorher laut. Intel sollte Cannon Lake 2017 bringen – die Absage drang zum Jahresanfang an die Öffentlichkeit. Intel hat Cannon Lake 2018 veröffentlicht – aber nur in homöpathischen Dosen und weil man das ein Jahr vorher den Aktionären versprochen hatte. Gleichzeitig hat alle Welt auf Ice Lake gewartet, aber das der nicht kommt, wurde mal wieder 6-9 Monate im voraus klar. Genau das gleiche Spiel wiederholt sich jetzt 2019 mit den Desktop-Ice-Lakes, die erst dieses Jahr und jetzt frühestens 2020 erscheinen sollen. Währenddessen scheint das erwartete komplette Mobile-Line-Up auf den ULV-Bereich zu schrumpfen, sodass auch hier wieder große Teile der diesmal sogar offiziell angekündigten Produkte 9 Monate nach der Ankündigung doch nicht lieferbar sind, stattdessen geistern schon wieder neue 14-nm-Codenamen durch die Gerüchteküche.
Sorry, aber das ist nicht normal und das kann auch nicht auf einen Fehler zurückzuführen sein. Mindestens seit Mitte der 90er waren zu jedem Zeitpunkt Intel-Roadmaps bekannt, die mindestens zwei-drei Generationen in die Zukunft reichten. Und dieses wurden 1:1 abgearbeitet wie ein Uhrwerk. (Einzige Ausnahme: Der Wechsel von Netburst auf Core, als Teile der Roadmap ausgetauscht wurden. Aber selbst da war der alte Plan on track und der neue wurde reibungslos ausgeführt.) Gab es Probleme, verschob sich der Launch entsprechend nach hinten, das wurde aber lange vorher absehbar und es liegt in der Natur der Sache, dass sich komplexe Entwicklungen nicht tagesgenau prognostizieren lassen. Nicht so bei 10 nm: Dreimal hätten entsprechende CPUs laut Roadmaps schon ihre Vorgänger beerben sollen, eine vierte Verschiebung ist sehr wahrscheinlich. Und kein einziger dieser Schritte war langfristig absehbar, maximal tauchten 12 Monate vorher erste Andeutungen auf, die auch ebenso gut eine Ente oder ein Plan B sein konnten. Diese Kette von plötzlichen Verschiebungen kann in meinen Augen nicht eine einzige Ursache haben. Intel muss jedesmal gedacht haben "Damn. Ein Fehler. Aber egal, den lösen wir jetzt und dann kommt der große Durchbruch." Aber jedesmal kam nach der Lösung nur der nächste Fehler und das ist in dieser Dichte wirklich sehr ungewöhnlich und, zumindest aus meiner Sicht, auch sehr spannend.
Nicht nur aus rein technischem Interesse – sondern auch mit Blick auf die Zukunft. Intel 10 nm ist nicht nur eine Größenschrumpfung, sondern beinhaltet COAG, SDG und die, wenn es denn gelingt, ambitionierteste Anwendung von SAQP, die Intel einen komplette Node Vorsprung bei vergleichbarer Belichtungstechnologie bringen sollte. Wenn Intels Verzögerungen tatsächlich auf die Vielzahl potenzieller Problemquellen und deren erfolgreiche Lösung zurückgeht, dann könnte sich der heutige Rückstand in einen technischen Vorteil wandeln lassen. Denn "feineres Licht führt zu feineren Strukturen" kann Intel im nächsten Schritt sehr leicht von allen Konkurrenten kopieren. Der Weg zu sauberem 7nm+ (die aktuellen 7-nm-AMD-Produkte liegen nur auf Augenhöhe mit Intel 14 nm und Nvidia 12 nm) besteht bei TSMC letztlich nur darin, die neueste Anlagengeneration bei ASML zu bestellen; Samsung wird ähnliches nachgesagt. So eine Bestellung kann auch Intel aufgeben und mit bestehenden Entwicklungen kombinieren – aber die Konkurrenten können von Intels 10-nm-Techniken nur die Grundkonzepte nachlesen und müssen alles andere selbst entwickeln, wenn sie mit ihren "5 nm" gegen Intels "7 nm" antreten.
(Wenn. Wenn Intel so weitermacht, kommt denen ihr 7-nm-Node erst gegen 3-nm-Samsung.)