Hi,
ich geb jetzt auch mal meinen Senf dazu. Ich empfinde es fast unerträglich was einige hier so schreiben. Auf die Kommentare von z.B. Cleriker gehe ich jetzt besser nicht ein, sonst bekäme ich sicher eine Verwarnung.
@toppic:
Der Pflegenotstand kommt nicht. Er ist schon da. Und das nicht nur bei der Versorgung von alten oder behinderten Menschen. Also nicht nur im Heimbereich. Er ist in allen Bereichen angekommen. Und er ist hausgemacht von Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften.
Der erste große Fehler ist die Annahme, man könne Krankenhäuser und Heime wie Wirtschaftsunternehmen führen. Die Annahme, man könne auf Dauer Gewinne hieraus abschöpfen ohne auf Dauer bei der Qualität zu sparen. Das kann auf Dauer nicht funktionieren.
Der zweite Fehler ist im ersten eingeschlossen. Auf der einen Seite heisst es ein Krankenhaus muss unter der gleichen Bedingungen geführt werden, wie ein Wirtschaftsunternehmen. Aber, und hier wird's wichtig. Die Krankenhäuser sind "gedeckelt". Wenn Audi oder VW z. B. die Kosten ihrer Produktion erhöhen müssen, dann geben sie diese Erhöhung an den Kunden weiter. Ein Grund ist z.B. ein höherer Tarifabschluss für die Angestellten. Gut, denkt sich jeder. Dann kostet der Golf in gleicher Ausstattung halt nicht mehr 27.000€, sondern er kostet 28.000€. Ist halt so.
Nicht so bei den Krankenhäusern. Wenn die Angestellten dort eine Lohnerhöhung aus den Tarifverhandlungen heraus erhalten ändert sich nix.
So bekommt eine Klinik z.B. nach Verhandlungen mit den Kassen für 2018 5 Mio € für Personalaufwendungen. Wenn jetzt die Gehälter um 3% steigen, kann die Klinik diese Kosten aber nicht an die Kassen weiter geben. Und das bedeutet in der Umkehr, dass entsprechend Stellen eingespart werden müssen. Die Folge, die Belastung des einzelnen nimmt zu.
Der dritte Fehler. Jeder ist bereit für einen neuen Golf mit aktueller Technik deutlich mehr auf den Tisch zu legen, als für das Vorgängermodell. Is' ja klar, man bekommt ja auch mehr. Wenn man aber 20€ im Monat mehr an Krankenkassenbeiträgen zahlen soll, ist das Geschrei groß. Welche Entwicklung in den letzten 20 Jahren stattgefunden hat... Das wird gerne als einfach gegeben und selbstverständlich hingenommen.
Der vierte (un m.M.n. größte) Fehler. Unsere Politik hat in den vergangenen Jahren, die Augen vor dem demografischen Wandel verschliessend, dafür gesorgt, dass die großen und potenten Teile der Gesellschaft zunehmend mehr aus der solidarischen Verantwortung genommen wurden. Gleichzeitig wurde der Mittelstand immer weiter abgebaut und abgesenkt. Der Rest ist für jeden, der in Mathe ein kleines bisserl weiter als den einfachen Dreisatz beherrscht, eine logische Folge.
Ich leite eine psychiatrische Akut-Aufnahmestation im Herzen von München. Wir haben große Probleme Personal akquirieren zu können. Klar, welche "kleine Krankenschwester" kann es sich leisten in München zu leben? Ein Teil meiner Mitarbeiter muss neben einer Vollzeitstelle im Krankenhaus noch einen Nebenjob machen.
Der Kabbaretist
Hagen Rether sagte einmal sinngemäß: "... und wir wunderen uns, wenn derjenige in unserer Gesellschaft, der auf unser Geld aufpasst mehr verdient, als derjenige, der auf unsere Kinder aufpasst..." Ich finde, dass trifft den Nagel ziemlich auf den Kopf.
Jedesmal, wenn in den Medien von einem Pflege- Skandal oder Hygiene- Skandal in Heimen oder Krankenhäusern berichtet, ist der Aufschrei von Politik und Gesellschaft groß. Ich kann mich nur wundern, dass nicht mehr passiert.
Dann wird seitens der Politik nach noch mehr Dokumentation, etc. geschrieen. Das Qualitätsmanagement wird angerufen und ausgebaut. Unterm Strich bleibt in weiten Teilen aber nur
dieses hier.
Wenn ich mir anschaue, wie meine Mitarbeiter und ich (hier stellvertretend für alle, die in der Pflege arbeiten) bis an ihre Grenzen und oft darüber hinaus gehen, könnte ich gesellschaftlich das große
kriegen....
Ja, ich habe mir meinen Job selber ausgesucht. Klar, muss ich ja nicht machen. Ändert aber nix an der Gesamtlage. Yout get what you pay for. Wenn diese Gesellschaft nicht bereit ist mehr Geld für die Pflege in die Hand zu nehmen, wird si nix besseres bekommen als zu wenige und ausgebrannte Fachkräfte.
Es bräuchte nur eine winzige Kleinigkeit um große Veränderungen in diesem Bereich zu schaffen: Die Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft müssten verpflichtet werden im eigenen Bedarfsfall exakt die Leistung zu bekommen, die der durchschnittliche Kassenpatient bekommt. Und ich bin mir sicher, vieles würde sich schlagartig änderen. Aber solange auch hier die Devise gilt "Wasser predigen und Wein trinken" wird sich nicht viel tun. Denn diese Herrschaften bekommen ja allesamt Leistungen eines Privatpatienten.
Weiter gehörte das ganze Privatkassen- Prinzip abgeschaft. Denn wenn ein junger Unternehmer sich zunächst privat versichtert, brtingt er den priavten Versicherungen einen Haufen Kohle rein. Und es ist relativ günstig für ihn. In der Regel nimmt er die Versicherung ja auch kaum in Anspruch. Wird dieser dann aber älter, steigen seine Beiträge erheblich an. Und ab einem bestimmten Punkt wird es günstiger für ihn in eine GKV zu gehen. Und die müssen ihn ja dann per Gesetz aufnehmen. Konnten aber im Vorfeld keine Gewinnne an ihm machen. Für die GKV wird das dann zum Minusgeschäft. Tragen dürfen es dann alle. Ist klar, was ich meine, ?!?
Und wir brauchen auch nicht über 200 verschiedenen GKVs. 50 würden reichen um einen gesunden Wettbewerb aufrecht zu erhalten.