Unterschiede zwischen Gewährleistung, Garantie und Fernabsatz-Widerrufsrecht

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Unterschiede zwischen Gewährleistung, Garantie und Fernabsatz-Widerrufsrecht

Hallo zusammen!

der folgende Thread soll die Unterschiede zwischen Gewährleistung, Garantie und dem Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen (z. B. Internet-Handel) näher erläutern. Mir ist in diversen Threads aufgefallen, dass hier doch sehr starke Wissenslücken vorhanden sind und/oder Verwechslungen auftauchen. Die genaue rechtliche Unterscheidung dieser Begriffe bzw., ganz allgemein gesprochen Käuferrechte, ist sehr wichtig. Denn nur wer die Unterschiede kennt, wird auch die Feinheiten und besondere Merkmale verstehen können und die einschlägigen Gesetzesbestimmungen finden.

Der Thread enthält lediglich allgemein zugängliche Informationen und möchte keinen Anspruch auf Vollständigkeit, Richtigkeit oder Aktualität erfüllen. Insbesondere dient er nicht zur Rechtsberatung. Beispiele oder Fälle sind abstrakt formuliert und gelöst. Die Ausführungen unterstellen einen Verbrauchsgüterkauf.

Die Textpassagen stammen überwiegend aus folgenden Artikeln (lesen!) und sind hier noch einmal auf das Wesentliche zusammengefasst worden:

Widerruf beim Onlinekauf: Wertersatz, Versandkosten, beschädigtes Paket Versandhandel mit 18er-Spielen - Eine Analyse
Radeon HD 7970 GHz Edition: Spulenfiepen ein Fall für die Gewährleistung?

Hier findet ihr aktuelle Fassungen der hier genannten Gesetze: BGB - nichtamtliches Inhaltsverzeichnis

Fragen zu den Unterschieden bitte hier im Thread stellen!

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Gesetzliche Gewährleistung bei Kaufverträgen

Die Gewährleistung ist ein gesetzliches Gestaltungsrecht, das der Käufer vom Verkäufer (nicht vom Hersteller) verlangen kann, wenn die gekaufte Sache einen Mangel aufweist. Die Gewährleistung ist zu unterscheiden von der Garantie, die freiwillig vom Händler und/oder Hersteller gegeben werden kann und neben der gesetzlichen Gewährleistung besteht, diese aber nicht einschränken darf. Ein (Sach-)Mangel ist gemäß §434 I BGB jede Abweichung von der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit der Sache. Das können Falschlieferungen, Montagemängel aber auch von der Anzahl der Bestellartikel abweichende Mengen sein. Denkbar sind zudem von der Vereinbarung abweichende Eigenschaften einer Grafikkarte, obwohl diese ansonsten vollkommen funktioniert (z. B. Spulenfiepen, wenn explizit mit dem Händler vereinbart wurde, dass die Grafikkarte kein Spulenfiepen aufweisen soll). Gleichermaßen können auch Mängel an Software einen Sachmangel begründen. Man spricht hier von einem Rechtsmangel (§§435, 453 BGB), da die Übertragung von (Einzel-)Lizenzen, beispielsweise bei Computerspielen, die Einräumung von Rechten darstellt.

Die gesetzliche Gewährleistung gilt regelmäßig nur zwischen Käufer und Verkäufer. Der Verkäufer muss für zwei Jahre ab Kaufdatum/Lieferung (Gefahrenübergang) für die Beschaffenheit der Kaufsache einstehen. Tritt innerhalb dieser Zeit ein Mangel auf, kann der Käufer seine gesetzlichen Rechte geltend machen. Diese Rechte können nicht vertraglich z.B. durch eine AGB beschränkt werden. Der Käufer kann nach seiner Wahl binnen einer angemessen Frist Nacherfüllung (die Lieferung einer neuen oder gleichwertigen Sache) oder Nachbesserung (Reparatur) verlangen (§437 Nr.1, §439 BGB). Läuft die Frist erfolglos ab, kann er vom Vertrag zurücktreten oder den Kaufpreis mindern (§§437 Nr.2, 440, 441, 323, 326 V BGB). Eine Ausnahme des Wahlrechts besteht dann, wenn die gewählte Art der Nacherfüllung/Nachbesserung mit unverhältnismäßig hohen Kosten für den Verkäufer verbunden ist.

Eine Besonderheit bei Verbraucherkäufen ist die Beweislastumkehr nach sechs Monaten ab Kaufdatum/Lieferung (§476 BGB). Innerhalb der ersten sechs Monate trifft den Verkäufer eine Beweispflicht, dass die Sache nicht von Anfang an mangelhaft war. Nach diesen sechs Monaten dreht sich die Beweispflicht. Nunmehr muss der Käufer darlegen, dass die Sache ab Kaufdatum mangelhaft war. Hat der Käufer den Mangel selbst verschuldet oder den Mangel bereits beim Kauf gekannt, sind die Gewährleistungsrechte ausgeschlossen (§442 BGB).


Widerruf von Fernabsatzverträgen (umgangssprachlich auch "14-Tage-Widerrufsrecht" genannt)

Fernabsatzverträge sind Verträge über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich Finanzdienstleistungen, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen werden (§ 312b I S. 1 BGB). Der gesetzlichen Definition ist zu entnehmen, dass nur Verträge zwischen Unternehmer und Verbraucher gemeint sind, das heißt: Schließen zwei Privatpersonen (beide Verbraucher) einen Vertrag über das Internet, gilt das Fernabsatzrecht nicht. Finanzdienstleistungen umfassen zum Beispiel Darlehensverträge, wie sie bei einem Kauf eines Computers per Finanzierung abgeschlossen werden. Das Fernabsatzrecht gilt auch für Internetauktionen (Ebay), da diese keine Auktionen im Sinne des § 156 BGB darstellen, sondern "normale" Kaufverträge [vgl. Jauernig, BGB-Kommentar, 12. Auflage, S. 390, BGH NjW 05, 54]. Ebenfalls notwendig ist, dass der Vertragsschluss über ein Fernkommunikationsmittel (Internet, Briefe, Telefonanrufe) geschehen muss.

Gerne verwechselt werden das Widerrufsrecht und das Rücktrittsrecht im Falle von Sachmängeln (§§ 434 ff. BGB), sprich die gesetzliche Gewährleistung bei Kaufverträgen (aber auch Werkverträgen §§ 633 ff. BGB). Das Widerrufsrecht kann innerhalb der 14-tägigen Frist (u. U. können andere Fristen gelten, insbesondere wenn der Verkäufer nicht ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht belehrt hat) auch dann ausgeübt werden, wenn kein Grund vorliegt. Es reicht, wenn der Widerruf durch das bloße Absenden der Ware oder in Textform (E-Mail) ausgesprochen wird (§ 355 I S. 2 BGB). Die gesetzliche Gewährleistung setzt jedoch einen Sachmangel voraus. Im Falle eines Rücktritts sogar zuvor eine erfolglos gesetzte Frist zur Behebung des Sachmangels (§ 437 Nr. 2 BGB). Daher ist auch das (Nicht-)Vorhandensein eines Grundes für den Widerruf bzw. den Rücktritt vom Vertrag der entscheidende Unterschied zwischen den Begriffen Widerruf und Rücktritt [vgl. Prütting/Wegen/Weinreich, BGB-Kommentar, 6. Auflage, S. 614]. Aus Gründen der Übersichtlichkeit verweise ich auf den umfangreichen Online-Artikel zum Fernabsatzrecht, der das Thema nochmals intensiver beleuchtet.


Garantie

Üblicherweise wird im Bereich von PC-Hardware eine zusätzliche Garantie vom Hersteller der Hardware gewährt. Händler können allerdings ebenso eine Garantie auf die gekaufte Sache übernehmen, die zumeist als Aufpreis mitverkauft wird. Diese Garantie ist streng zu unterscheiden von der gesetzlichen Gewährleistung zu der der Händler ohnehin verpflichtet ist und nicht durch eine Garantie ersetzt werden kann. Die Garantiebedingungen sind in einer gesonderten Garantieerklärung formuliert. Eine gesetzliche Grundlage zur Garantie findet sich lediglich in §443 und §477 BGB. Die Ausführungen dort sind rudimentär. Es kommt daher stets auf den Inhalt der Garantieerklärung an, der auch weniger vorteilhafte Folgen im Garantiefall vorsehen kann, beispielsweise die Auszahlung eines Wertes, der geringer ist, als der Kaufpreis (Zeitwert) oder der Austausch durch ein bereits gebrauchtes Ersatzgerät. Es besteht ein Anspruch des Verbrauchers auf Mitteilung der Garantieerklärung in Textform (§477 II BGB), z. B. per E-Mail, wenn keine Garantieerklärung der Sache beigelegt wurde.

Eine Garantie kann die Gewährleistung nicht ersetzen, allerdings zum Vorteil des Verbrauchers erweitern. Zu unterscheiden ist hierbei von einer selbstständigen und einer unselbständigen Garantie. Die Unterscheidung beider Garantiegestaltungen ist in der Praxis für den Laien schwierig. Einer unselbstständigen Garantie dient als Basis nach wie vor das Sachmängelrecht (§§434 ff. BGB), erweitert dies jedoch zum Vorteil des Käufers. Üblicherweise ist dies eine Erweiterung des Zeitraums des Mängelrechts von zwei Jahren auf drei, fünf oder mehr Jahren. Die unselbstständige Garantie ist Teil des Kaufvertrags. Eine selbstständige Garantie ist vom Mängelrecht vollständig unabhängig. Der Garantiegeber (meistens der Hersteller) formuliert im Rahmen der Garantieerklärung eigenständige Rechte und Pflichten (!) des Käufers im Garantiefall. Diese Rechte bestehen neben den Rechten aus der gesetzlichen Gewährleistung. Nimmt der Käufer eine selbstständige Garantie wahr, kann hierdurch ein eigenständiger Vertrag ("Garantievertrag" oder "Vertrag zur Abwicklung der Garantie") mit dem Garantiegeber abgeschlossen werden.

Das BGB kennt zwei Arten von Garantien bei Kaufverträgen: Beschaffenheitsgarantien und Haltbarkeitsgarantien. Der Garantiegeber übernimmt bei einer Beschaffenheitsgarantie die Gewähr, dass die Sache zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt (meistens der Kaufzeitpunkt, z. B., dass bei Kauf ein Monitor keine Pixelfehler aufweist) eine bestimmte Beschaffenheit aufweist. Im Rahmen einer Haltbarkeitsgarantie übernimmt der Garantiegeber die Gewähr, dass die Sache einen bestimmten Zeitraum diese Beschaffenheit behält (z. B. der gekaufte Monitor drei Jahre keine Pixelfehler aufweist). Die Haltbarkeitsgarantie ist die Regel im Internet-Handel.
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Unterschiede zwischen Gewährleistung, Garantie und Fernabsatz-Widerrufsrecht

Als Start in den Themenabend gibt es einige Grundlagen zum Thema. Sicherlich nützlich. :)
 
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