AW: Rußlands Atombomben kommen mit 27-facher Schallgeschwindigkeit
Und warum genau sollte der Iran Europa angreifen wollen
Sanktionen, Israel, NATO, Einmischung,.....
Es gibt einen Extra Thread zu dem Thema, aber wenn es neben Nordkorea irgendwen auf der Welt gibt, bei dem Europa ein halbes Jahrhundert daran gearbeitet hat, kein Freund zu sein, dann wohl der Iran. Und zugleich ist er ein Regionalmacht und mit reichlich eigenem technischen Know-How, der Raketen zu einer primären Komponente seiner Verteidigung gemacht hat, er kann es also auch.
Zudem, anscheinend scheinst du das Grundprinzip der nuklearen Abschreckung nicht verstanden zu haben. Die USA dürfen ja auch die Russen jederzeit angreifen
Ehe du mir vorwirfst, etwas verstanden zu haben, zeige doch bitte auf, wo in meinem Post zu Iran und Europa ich etwas zu US-Angriffen auf Russland gesagt habe. Man kann den USA ja viel vorwerfen, aber noch ist keiner von beiden ein 55tes Sternchen...
Ich sollte dir mal meine Diplomarbeit geben, ist von 2008
Wenn sie eine exakte Vorhersage der Ereignisse bis 2015 enthält oder eine ausführliche Darlegung, warum Russland Hoheitsrechte über die Ukraine hat: Immer her damit.
Wenn du nur dargelegt hast, warum Russland bestimmte Ereignisse nicht mag, verzichte ich. Das ist, wie du selbst sagst, trivial. Was, und damit sind wir wieder beim Begriff "Putinversteher", der ausdrücklich nicht "Auch-Putin-Versteher" heißt, nur eine Seite diverser Fragestellungen beschreibt. Die andere Seite sind zusammengerechnet über eine halbe Milliarde Menschen, die umgekehrt die gegenteilige, von Russland geliebte Entscheidungsoption ablehnen. In diesem Spannungsfeld gilt es eine gerechte Entscheidung zu treffen, wobei es nicht zuletzt auch um das Selbstbestimmungsrecht einer ganzen Reihe von Nationen geht. Ein Selbstbestimmungsrecht, dass Völkerrechtlich weit über russischen Sicherheitsgefühlen steht und militärische Aktionen, wie Putin sie mehrfach abgezogen hat, ausdrücklich verbietet. Denn "etwas nicht mögen" und "einmarschieren" sind zwei verschiedene Dinge. (siehe den Eingangs erwähnten Iran: Den sowie seine Aktionen mag die EU definitiv und aus gutem Grund auch nicht. Trotzdem begegnet man sich an Verhandlungstischen, nicht auf dem Schlachtfeld. So funktioniert Frieden. So, wie Putin es macht, funktioniert Krieg.)
Oder anders gesagt, die Möglichkeit Russlands, in Europa aufmarschierende Armeen, welche Russland angreifen wollen, mit Raketen anzugreifen wäre hinfällig.
Wenn es zu Russland Doktrin gehört, konventionelle Streitkräften unter erheblichen Kollateralschäden unter der Zivilbevölkerung mit nuklearen Mittelstreckenrakten zu vernichten, dann sollten wir wirlich aufhören, über russische Sicherheitsbedürfnisse zu reden und uns um unsere eigenen zu kümmern. Derartige Erstschalgs-/Vernichtspläne sind nichts weiter als Brüche von Völker-, Menschen- und Kriegsrechten sowie nahezu aller relevanten Rüstungsabkommen und damit garantiert kein Faktor für, sondern das Ende jeder Diplomatie.
Bitte: Ich zeige auf welche Möglichkeiten gegeben oder genommen werden, das bedeutet nicht, dass ich diesen Punkt stütze. Aber wie mehrmals erwähnt, man muss Russland verstehen um das eigene Ziel auch zu erreichen.
Wir wollen Stabilität und Frieden in Europa, handeln aber seit Jahrzehnten bewusst antagonistisch gegenüber Russland und beschweren uns dann, dass Russland Europa destabilisieren will.
Eigentlich war die EU die ganzen 90er über recht offen gegen Russland und die einzigen Antagonismen in den 0ern war eine Intensivierung positiver Beziehungen zu einer Reihe von Staaten, gegenüber denen sich Russland
selbst zum Antagonisten gemacht hat...
Und der Grund dafür war unter anderem, dass wir und andere Frieden in Europa wollen. Frieden in ganz Europa. Nicht eine Galgenfrist für Westeuropa, während Putin nach Herzenslust durch den Rest marschiert. Das ist nunmal für sehr viele kein Frieden und auch wenn Putinversteher das ignorieren:
Auch Menschen im Baltikum, auf dem Balkan und am schwarzen Meer haben Rechte, Interessen und Bedürfnisse.
Die Gefahr, das Europa von iranischen Raketen beschossen wird ist so dermaßen gering, das war den ganzen Stress nicht wert.
Weiß nicht, was du als "gering" erachtest, aber die Gefahr, dass ein Staat, der die nötige Technologie für den Bau derartiger Raketen hat, der Raketen als seine primäre Verteidigungs-/Abschreckungswaffe erachtet, der regelmäßig einem engen Verbündeten Europas und einem besonderen Freund Deutschlands den Vernichtungskrieg erklärt und der in einem halben Dutzend Konfliktgebieten gegen Europa agiert, Angriffe gegen Europa ausführen könnte, sehe ich als sehr wohl gegeben an. Nimmt man noch hinzu, dass mehrfach im Jahrzehnt (aktuell z.B. gerade wieder) von irgendwoher (naja: eigentlich immer aus einer Richtung) der Vorschlag auf die geopolitische Weltbühne getragen wird, die an Fanatikern reiche Regierung dieses Landes militärisch auszuradieren, würde ich das sogar als den mit Abstand wahrscheinlichsten Angriff auf Europa überhaupt bezeichnen. Nicht, weil er große Chancen auf einen Sieg hätte, sondern als letzte Tat vor dem Untergang. Gekreuzt mit dem Know-How über ABC-Waffen und der insbesondere zum Zeitpunkt der Installation des Raketenschirms noch unzureichenden Überwachung etwaiger Umsetzungen dieses Know-How frage ich mich echt, was du als nicht-geringe Gefahrensituation bezeichnen würdest. Die Lage 5 Minuten nach Abschuss des russischen Arsenals?
Und du wischt das weg mit "wir sind ja nicht die Ukraine". Klar, wenn man so denkt wars ein guter Deal, doof nur dass wir jetzt in einem Nachbarland zur NATO einen lange anhaltenden bewaffneten Konflikt hatten, dass die Krim dazu geführt hat, dass wir NATO Truppen im Baltikum stationieren. Wenn du wirklich behaupten willst, wir wären nicht betroffen, dann weiß ich nicht ob wir in der gleichen Realität leben. Die Bundeswehr stellt seit 2016 dauerhaft Kampftruppe ab und Russland im Baltikum abzuschrecken... Weil das Baltikum Angst davor hat, dass dort dasselbe wie in der Ostukraine passieren könnte.
Und du sagst, das würde uns nicht betreffen.
Hast du nicht eben gerade gesagt, dass die Anwesenheit der NATO im Baltikum selbst der Grund dafür ist, dass dort jetzt Gefahr droht? Jetzt auf einmal doch nicht mehr und alles wäre Friede-Freude-Eierkuchen und die Osterweiterugn vollkommen okay, wenn da nur nicht diese Raketenbasis in Rumänien aufgebaut worden wäre? Wenn du schon von die These von starren, für Russland unvermeidbaren Reaktionen auf von allein vom Westen zu verantwortende Antagonismen hochziehen willst, dann solltest du wenigstens bei einem Bauplan bleiben.
Und das Baltikum hat übrigens Angst, dass das gleiche wie Ossetien oder Abschasien passieren könnte, nicht dass sich plötzlich aus dem nichts eine Teilautonome Republik in ihnen gründet, in deren Mitte zufällig einige hunderttausend russische Soldaten stationiert sind, denen plötzlich die Hoheitsabzeichen runterfallen.
Wir haben also eine extrem hypothetische Bedrohung durch iranische Raketen gegen eine aktive Beteilligung unserer Streitkräfte an einer dauerhaften Stationierung 600km vor St.Petersburg getauscht.
Sag Bescheid, wenn wir alle Truppeneinsätze und sonstigen Bemühungen, die mit iranischen Aktivitäten im mittleren Osten zu tun haben, beendet haben. (Stichworte: Syrien, Jemen, Irak, diverse Konfliktregionen in Afrika sowie die jeweils resultierenden Wanderungsbewegungen)
Ich bin kein Fan von Militär, aber mir sind 1000 Soldaten, die in Europa den Alarmzustand üben, immer noch lieber als 10, die sich außerhalb Europas begraben lassen.
Ich will dich nicht dumm anmachen, aber du hast das theoretische Problem der Raketenabwehr nicht begriffen.
1.) Es gibt keine defensive Rüstung, es gibt keine Defensivwaffen.
Mit dem, was du willst, bist du grandios gescheitert. Ich fühle mich definitiv dumm angemacht, wenn man mir eine Behauptung vorsetzt, die ein stationäres, an einen Standort gebundenes und dadurch ausschließlich zur Zerstörung von angreifenden gegnerischen Waffen geeignetes System, mit ausschließlich zur vollständigen Vernichtung gegnerischer Städte konstruierten Waffen gleichsetzt oder mit zur Besetzung gegnerischen Territoriums geeigneten Einheiten.
2.) Eine funktionierende Raketenabwehr welche tatsächlich in der Lage ist ballistische Raketen abzufangen lässt das Gleichgewicht der nuklearen Abschreckung kippen.
Schon wieder gescheitert, denn der Satz ist so unvollständig, dass er falsch wird. "Eine funktionierende Raketenabwehr, die in der Lage ist, Nuklearraketen am Flug von einem Staat in einen anderen abzufangen, bringt das Gleichgewicht der nuklearen Abschreckung
zwischen diesen Staaten ins Wanken." wäre richtig gewesen. Aber darum gehts ja nicht. Es geht um ein System, dass Raketen von Russland nach z.B. Marokko abfangen könnte. Oder von Schweden nach Ägypten. Oder vom Iran nach Deutschland. Alles Länderpaare, zwischen denen es gar kein Gleichgewicht nuklearer Abschreckung gibt. Was die gebauten Stationen nicht können: Balistische Raketen am Flug aus Russland in die USA hindern. Das hätte das Gleichgewicht massiv gestört, stimmt, aber genau deswegen wurden auch nie Stellungen in Kanada oder Skandinavien geplant und der Bau der in Polen angedachten Anlage wurde wegen russischer Bedenken gestoppt. (Obwohl sie konzeptionell quasi nicht in der Lage gewesen wäre, die USA vor russischen ICBMs zu schützen)
Nur dass die "US-Defensivwaffen gegen den Iran" zufällig vor der Haustür Russlands abgestellt werden und ein Defensivsystem kleineren Maßstabs, aber desselben Prinzips jüngst 176 Todesopfer forderte. Anders gesagt, was angeblich gegen iranische Raketen gedacht ist, lässt sich auch trefflich zur Durchsetzung allgemeiner Lufthoheit einsetzen.
Wenn Russlands Haustür in Rumänien liegt, ist Estlands Haustür dann in Moskau? Und darf die finnische Regierung da auch jegliche Rüstung verbieten? Oder gibt es vielleicht doch noch so etwas wie "nicht russische Hoheitsgebiete"?
Und der Standort in Rumänien liegt rund 900 km von Russland entfernt, die verwendeten Raketen werden offiziell auf gut 500 km Reichweite geschätzt und sind ein reines Wuchtprojektil. Wenn du weißt, wie man damit Luftüberlegenheit über Russland erreicht, solltest du das lieber nicht mir, sondern deinen Vorgesetzten erklären. (Die Reichweitenstärkste Rakete mit Sprengkopf wird übrigens auf 370 km geschätzt. Das würde nicht einmal bis über das schwarze Meer und nur ganz knapp bis Moldau reichen.)
Die einzige Bedrohung, die von diesem System ausgehen könnte: Die gleichen Launcher können auch mit Marschflugkörpern bestückt werden, die kämen sogar bis Moskau. Aber 800-km/h-Tomahawks sollten für Russland kinderleicht abzufangen sein und die 24 Zellen machen gegenüber den diversen anderen potentiellen Startsystemen in Europa auch in einem Overload-Szenario keinen Unterschied. Eine einzelne B-1 über der Ukraine könnte exakt die gleiche Schlagkraft mit 24 JASSM auf den Weg schicken und das ohne verdächtige Ummunitionierungsvorgänge an einem im Fokus der Aufmerksamkeit stehenden Stützpunkt.
Oder anders: Hätte es die Kuba-Krise verhindert, wenn Russland nominell ein Defensivsystem stationiert hätte, welches eigentlich zur Abwendung der (behaupteten) Bedrohung durch einen Dritten gedacht wäre? Nix da, die USA hätten keine Stationierung irgend eines russischen Waffensystems mit Reichweite über US-Grenzen geduldet.
Da es damals keine Luftabwehrraketen dieser Art gab: Schwer zu sagen. Diese Rolle nahmen damals eher Jagdflugzeuge mit vergleichbarer Reichweite ein und die gab es in Kuba. Eine massive Aufrüstung vor der Haustür hätte sicherlich trotzdem den Namen "Krise" verdient, aber die Welt hätte nicht in den nuklearen Abgrund geschaut, wenn keine Nuklearwaffen im Spiel gewesen wären.
Ich glaube aber, die eigentliche Aussage meines Posts wurde überlesen, zumindest klingt es eher so, als hätte man "erfolgreich" nach vermeintlichem Russland-Bashing gesucht. Ich wollte nicht sagen, dass die UdSSR viel, viel böser war und die Sache nicht vergleichbar wäre, sondern ich habe darauf hingewiesen, dass die UdSSR damals 1:1 in gleicher Weise reagiert hat. Also sich moralisch auf Augenhöhe mit den USA bewegte. Eine Analoge Reaktion auf das Raketenabwehrsystem der USA in Rumänien wäre also ein russisches Raketenabwehrsystem in z.B. Venezuela gewesen. Aber kein Einmarsch, denn die USA sind nirgendwo einmarschiert, und vor allem nichts in der Ukraine, denn die Ukraine hatte rein gar nichts damit zu tun. Abgesehen von der allgemein aggressiven Lage und dem Geltungsbedürfniss Putins, der Großmachtmuskeln spielen lassen wollte, sehe ich ehrlich gesagt überhaupt keinen Zusammenhang zwischen beiden Ereignissen, so unangemessen ist die Sache. Die Krim wurde ganz banal erobert, weil man sie vollständig kontrollieren wollte und weil die politische Neuausrichtung des ukrainischen Volkes den nicht-vollständigen Einfluss mittelfristig eher noch verkleinert hätte. Nichts weiter, rumänische Raketen waren bestenfalls ein Feigenblatt. Die einen erfinden Massenvernichtungswaffen, die anderen schicken grüne Männchen.
(Unterschied: Einer von beiden setzt danach wenigstens Einheimische als Regierung ein, schränkt keine Grundrechte ein und vertreibt niemanden.)
Die gibt es natürlich von jeder Seite. Nach russischer Lesart wurden Truppen zu Verteidigung (also Defensive) russischstämmiger Bevölkerungsteile in der Ukraine entsandt. Jüngst verteidigten die USA die Ermordung eines iranischen Würdenträgers bei seinem offiziellen Besuch in einem Drittland als Akt der Selbstverteidigung.
Und beides waren Brüche des Völkerrechts. Nicht wegen "Verteidigung" oder "Angriff", sondern weil in beiden Fällen auf dem Territorium eines anderen Staates eigenmächtig, ohne Absprachen und zu dessen Schaden agiert wurde. (Im russisch-ukrainischen Fall: Zu einem sehr nachhaltigen Schaden, der nach der Initialaktion systematisch ausgebaut wurde)
Die richtige Vorgehensweise: Lokale Regierung auf das Problem hinweisen und Umsatz von Schutzmaßnahmen fordern. Erst wenn der Staat seiner Verantwortung nicht gerecht wird und Dinge geschehen lässt, ohne seine Institutionen einzuschalten, kann ein Einsatz auf fremden Territorium gerechtfertig sein. Dann aber auch nur, wenn der betroffene Staat seine Institutionen eben abgezogen hat, sodass umgekehrt durch den Einsatz dem Staat kein Schaden entsteht. Weder das eine noch das andere war im Irak oder auf der Krim der Fall. Wem das nicht passt, dem bleibt aber nur Option B:
Den Staat offiziell für das Geschehene verantwortlich machen und ihm somit einen Angriff auf die eigenen Interessen vorwerfen, gegen man sich verteidigen muss. Wie man das mit ein paar Jahren internationale Glaubwürdigkeit hinbekommt, hat man im Golf von Tonkin gesehen, mit ein paar Minuten in Gleiwitz. Auf der Krim und im Irak wurde eine Legitimation nicht einmal versucht.
Ich finde es grundsätzlich gut, dass du und ich und andere nach ethischen moralischen Kategorien an diese Dinge herangehen, weil es bedeutet, dass unser ethischer Kompass funktioniert. Leider arbeitet Realpolitik nicht danach.
Auf alle Fälle sorgt es, in Kombination mit der deutlich abweichenden Informationsgurndlage, dafür, dass wir gegenseitig die Lücken in unseren Sichtweisen stopfen können. Leider hat Realpolitik mit Moral rein gar nichts zu tun (außer vielleicht Loylität und Kadavergehorsam unter den Genossen...). Aber ich finde es wichtig, dass sich jeder bewusst ist, wie knallhart die Realität an den davor geäußerten Sprüchen vorbeigeht. Das ist eben nicht nur eine Frage von "der ist böse" oder "der ist nicht böse", was man nach ein paar Jahrtausenden Menschheitsgeschichte immer mit "aber der andere hat angefangen" totdiskutieren kann. Sondern es ist ganz oft eine ziemlich klare Frage entlang klarer Grenzen von Rechtsstaatlichkeit, Selbstbestimmung und der Unterscheidung zwischen Aktionen, Intentionen und Befürchtungen. Und es macht meiner Meinung nach einen riesen Unterschied, ob man dafür plädiert, nach Putins Pfeife zu tanzen, um "Russland legitimes Sicherheitsbedürfnis angemessen zu achten", weil "ein (mental hochfähgier) Psychopath mit großem Atomarsenal wegen Ereignisse, die ihn gar nicht betreffen, ausflippen könnte" oder wegen "offensichtlich größerer Profite, wenn wir im Strom russischer Geopolitik mitschwimmen anstatt uns um Schwächere zu bemühen".