Ich kann dir einen Erklärungsversuch aus meiner Lebensrealität geben:
Ich habe schon mehrfach als Projektmanager u.a. mit Softwareentwicklern gearbeitet. Da besteht einfach ein riesen Problem zwischen dem Management, dass vor allem einen Business Case, Projektpläne, einen ROI und vor allem einen verbindlichen Releasezeitpunkt haben will und der Arbeitsweise der modernen Softwareentwicklung, die meint mit agilen Methoden wie Scrum & Co alle Anforderungen und Verantwortung für die Ziele ablehnen zu können und zu sagen "wir arbeiten agil, wir schaffen was wir schaffen und machen was wir eben machen". Da gibt's dann durchaus Konflikte, Softwareentwickler müssen sich Druck auch nicht gefallen lassen und können ganz gut mit den Füßen abstimmen, weshalb man sie wie zarte Elfen behandeln muss.
Ich will jetzt um Gottes Willen nicht sagen dass die Devs an allem Schuld sind. Ist ist das Management auch einfach lausig, aber meine Erfahrung ist eben dass die Verantwortung fürs Business abgelehnt wird und man dann da rumwurschtelt. Deine Projektpläne? Pfui! Wir sind agil! Mal sehen ob wir da Lust zu haben. Commitment auf verbindliche Ziele? Nee lieber nicht, da können wir ja nicht morgen plötzlich umentscheiden was wir machen wollen.
Das mag für Softwareentwickler in einem agilen Manifest alles ganz toll klingen und auch ganz toll in ihren Arbeitsalltag passen, aber so kann man kein Unternehmen führen.
Aber man muss auch die Realität anerkennen und sehen, dass man ein Computerspiel nicht wie ein Auto planen kann. Beim Auto weißt du am Ende, dass du 100 Stück pro Tag mit dem Workflow XY bauen kannst. Beim Computerspiel ist das nicht so und du brauchst Freiheiten im Produktionsprozess. Eine Geschichte für ein Buch kann man auch nicht auf Knopfdruck erzählen. Da fängt schon der erste Konflikt an.
Ein Computerspiel hat etwas mit Kreativität zu tun und ein Konzept muss im Spiel nicht unbedingt so funktionieren, wie man es sich vorgestellt hat. Deshalb kann man sich auch die Frage stellen, wann die besten Spiele entstanden sind.
Zum einen gab es früher und gibt es auch heute noch Spiele, die passend zu einem Hollywoodfilm erscheinen mussten und diese Spiele waren zu 99% einfach nur schlecht. Da gab es eine feste Deadline. Da kam der Umsatz nur über den Namen. Dann haben wir immer wieder Spiele, die erscheinen müssen, weil das Geld fehlt und man die Einnahmen braucht. Die Spiele sind meistens auch nichts geworden.
Auf der anderen Seite gab es bei Blizzard lange Zeit den Spruch "its done when its done" und das ist auch der richtige Weg und wird bei Nintendo immer noch so praktiziert. Das heißt nicht, dass man keinen Plan hat, aber der Plan sieht Verschiebungen und Änderungen vor und diese Freiheit gibt man dem Computerspiel, um gut zu werden. Ebenso braucht man Zeit, um Bugs und Schwachstellen zu beseitigen. Auch diese Zeit wird vom Projektmanagement viel zu kurz angesetzt.
Dadurch entsteht Unzufriedenheit bei den Entwicklern, weil sie es besser wissen und gleichzeitig genau wissen, dass in den Monaten vor dem Release und nach dem Release wieder Überstunden anstehen. Je nach Land mehr oder weniger.
Verbindliche Ziele müssen richtig gesetzt werden, damit sie auch praktikabel und der Spieleentwicklung angemessen sind.