Die Erfolge auf Patreon und Onlyfans sprechen eine andere Sprache. Auf den Paywall-Plattformen lässt sich sehr gutes Geld verdienen, viel mehr als mit 9 von 10 Vollzeitjobs.
Du siehst aber nur diejenigen, die es schaffen. Diejenigen, die daran scheitern oder mit vielleicht fünf Patrons oder Followern rumhängen, tauchen in dieser Wahrnehmung nicht aus. Ein Vertrauter aus der Musikindustrie hat mir mal Folgendes gesteckt: Angenommen, du hast eine Million Menschen, die davon träumen, Profimusiker zu werden. 100.000 von ihnen werden es ernsthaft versuchen, 1000 werden es am Ende schaffen – und damit ist nur gemeint, dass sie allein von ihrer Musik leben können, nicht, dass sie größer als Rammstein oder der neue Michael Jackson werden. Nun weiß ich nicht, wie genau diese Verhältnisse im Influencer- oder Streamingbereich stehen, aber im Grunde reicht es, einfach mal auf Twitch ein wenig rumzuscrollen und sich anzuschauen, wie viele Leute da gerade streamen und nicht einmal auf 1000 oder gar nicht mal 100 Zuschauer kommen.
Und das hat nicht zwangsläufig etwas damit zu tun, dass diese Leute sich halt weniger Mühe gäben. Dass Erfolg nicht proportional mit Leistung zusammenhängt, ist nirgendwo so offensichtlich wie in der Kunst und der Unterhaltungsbranche – warum sollte YouTube da eine Ausnahme sein? Ein Musiker macht ein Album, das mainstreamtauglicher und unkreativer nicht sein könnte, und wird über Nacht zum Millionär; der andere macht 15 Alben, geht musikalisch komplett ungeahnte Wege und setzt neue Maßstäbe auf dem Gebiet, und muss trotzdem sein Leben lang nebenher in einem anderen Beruf arbeiten, weil es sonst nicht zum Leben reicht. Hat der jetzt weniger geleistet als der erste? Wohl kaum. Aber so läuft das eben in der Kunst. Jeder kann was aus sich machen und groß rauskommen, aber alle eben nicht. So wie im Lotto
jeder Millionär werden kann, aber nicht
alle.
Klingt fast so als würdest du dir diese Zeiten zurückwünschen
. Zwangsarbeit ist das Allerletzte.
Heute zwingt man die Menschen mit anderen Mitteln. Früher hatten wir Ständegesellschaft, Leibeigenschaft und Sklaverei, heute haben wir Jobcenter, Hartz IV, Sanktionen und Aufstocken, ein ganzes Sozialsystem, was darauf ausgelegt ist, einen soliden Anteil an Menschen dauerhaft arm zu halten, womit man Menschen dazu zwingt, die Jobs zu machen, die niemand sonst arbeiten will, zu Konditionen, zu denen niemand freiwillig arbeiten würde. Nicht dass am Ende noch der Markt das Ganze regeln muss, was hieße, dass Arbeitgeber bei Jobs, für die sie nicht genug Leute finden, weil sie zu unattraktiv sind, gemäß den Regeln von Angebot und Nachfrage die Arbeitsbedingungen verbessern oder gar die Löhne erhöhen müssten (und wenn es bei den Arbeitsbedingungen Grenzen gibt – wer putzt schon gern Klos? – müsste man entsprechend stärker an der Lohnschraube drehen).