Die Begeisterung für Künstliche Intelligenz (KI) überschwemmt gerade die Finanzmärkte. Aber der Online-Lerndienst Chegg hat die Sparer eindringlich daran erinnert, dass es in der neuen Ära auch Verlierer geben wird. Die KI hat das Zeug, Sektoren in der gesamten Wirtschaft umzukrempeln, aber eben nicht jedes Unternehmen wird dadurch effizienter produzieren und mehr Gewinn erwirtschaften.
Die Aktien von Chegg sind am Dienstag um fast 50 Prozent eingebrochen, nachdem das Unternehmen als eines der ersten überhaupt zugegeben hat, dass die KI, namentlich ChatGPT, das Geschäftsmodell disruptiert. Der Crash blieb nicht auf Chegg beschränkt. Alle Aktien von Bildungsanbietern gerieten unter den Hammer.
Die britische Pearson, die für ihre Lehrbücher, ihre Tests und Zertifikate sowie für ihre Online-Kurse und eBooks bekannt sind, krachten 15 Prozent nach unten. Die Aktie des Wissenschaftsverlags Wolters Kluwer rutschte fünf Prozent ab. Das Papier der Online-Lernplattform Coursera – hier können Kunden Kurse und Programme von verschiedenen Universitäten und Organisationen aus der ganzen Welt belegen – verlor vier Prozent.
Udemi – eine amerikanischer Online-Marktplatz für Lernen und Lehren – gab sechs Prozent ab. Die Aktie von Duolingo, der Sparachlern-App, rauschte sogar elf Prozent in die Tiefe. Zweistellig gab auch 2U, ein Anbieter von Online-Bildungsdienstleistungen, ab. Auch Stride, das ist ein US-Bildungsunternehmen, das sich auf Online-Lernlösungen für Schüler spezialisiert hat, musste Federn lassen.
Und der Ausverkauf blieb nicht nur auf Firmen der westlichen Welt beschränkt. Auch chinesische Bildungsaktien, die an der Wall Street notieren, wurden nicht verschont. TAL Education gab neun Prozent ab, New Oriental Education & Technology fünf Prozent and Gaotu Techedu sieben Prozent.
„Seit März haben wir einen deutlichen Anstieg des Interesses von Studenten an ChatGPT festgestellt“
Was ist da bitte bei Chegg passiert, dass es ein solches Beben bei Bildungsaktien gab? Dafür reichte eine lapidare Erklärung des CEO Dan Rosensweig. Der erste Teil war noch harmlos. Da sagte er, dass Chegg im ersten Quartal keine nennenswerten Auswirkungen von ChatGPT auf das Wachstum bei den Neukunden feststellen konnte und die Erwartungen bei den Neuanmeldungen erfüllt worden seien.
Aber dann kam der Hammer: „Seit März haben wir einen deutlichen Anstieg des Interesses von Studenten an ChatGPT festgestellt. Wir glauben nun, dass dies Auswirkungen auf unsere Wachstumsrate bei den Neukunden hat.“
Chegg verdient den Großteil seines Geldes mit Abonnements, die bei 15,95 Dollar pro Monat anfangen – eine Einnahmequelle, die in Gefahr ist, wenn Studenten KI-Chatbots als Alternative zum Bezahlen sehen. Essays, die Chegg anbietet, kann auch ChatGPT schreiben und für Prüfungen vorbereiten kann die KI sicher auch irgendwann.
Analysten sind pessimistisch für das Geschäftsmodell. „Das gesamte Geschäft könnte disruptiert werden“, kommentierte Brent Thill von Jefferies. Gerade Studierende, die Hauptkunden von Chegg, seien kostenbewusst und offen für günstigere Alternativen zu Cheggs Produkt.
Interessanterweise hat Chegg ein eigenes KI-Produkt, mit dem sinnigen Namen CheggMate. Ob Chegg wirklich am Ende ist, lässt sich nicht sagen. Zuletzt hat das Unternehmen noch 752 Mio. Dollar Umsatz gemacht. Aber eines ist klar, die gesamte Online-Lern-Industrie steht vor tektonischen Verschiebungen.