Nach aktueller Definition sind Lootboxen in vielen Ländern kein Glücksspiel, weil Glücksspiel so definiert wurde dass man Gewinne wieder in Geld umwandeln kann. Wenn es keinen ofiziellen Marktplatz für den Verkauf der Lootboxinhalte gibt, fallen die Lootboxen aus der Definition raus.
Das kommt dabei raus, wenn an den richtigen Stellen die Juristen geschmiert sind und der Kram für den Rest Neuland ist.
Schaut man sich die gesetzlichen Regelungen zum Glücksspiel mit Verstand an, kommt man zu dem Schluss, dass diese zwei Gruppen schützen sollen: Die Verbraucher/Spieler und den Staat. Die Spieler sollen vor unlauteren Methoden sowie der Suchtgefahr geschützt werden, dem Staat geht es dabei um Steuereinnahmen sowie die Bekämpfung krimineller Begleiterscheinungen wie z.B. Geldwäsche. Das strafrechtliche Verbot illegalen (d.h. unlizenzierten) Glücksspiels richtet sich auch gegen die Spieler, alle weitere Glücksspielregulierung primär gegen die Betreiber.
Demnach ist es geradezu widersinnig, einer Sache den Glücksspielcharakter abzusprechen, nur weil an die Spieler keine Gewinne von „echtem“ Wert – echtes Geld oder eine Sachprämie, die sich in echtes Geld konvertieren lässt – ausgezahlt werden, während alle anderen Merkmale, also Echtgeldeinsatz, zufallsbasierte Gewinne und die damit verbundene Suchtgefahr, vollumfänglich erfüllt sind. Noch einmal, die Spieler sollen nicht vor zu hohen Gewinnen geschützt werden, sondern vor unkontrollierten Verlusten und Spielsucht. Lootboxen erfüllen insoweit durch den Echtgeldeinsatz und ihre Spielmechaniken nicht nur alle relevanten Merkmale des Glücksspiels, sondern sind darüber hinaus schlimmer als „klassisches“ Glücksspiel, weil die Spieler (im Gegensatz zu Lotterien oder Spielbanken) keine Möglichkeit haben, ihren Einsatz wieder zurückzugewinnen, womöglich noch mit Profit. Wie ist es zu erklären, dass ein Sechzehnjähriger nicht einmal für zwei Euro Taschengeld ein Lotterielos kaufen darf, das ihn theoretisch zum Millionär machen könnte, aber problemlos in FIFA & Co. für Lootboxen, die in Sachen Ködertricks und Suchtgefahr klassischem Glücksspiel in nichts nachstehen, hunderte Euro verballern kann, wo er sein Geld garantiert nie wiedersieht? Die Gewinne können auch nicht vom Spieler monetär verwertet werden und haben darüber hinaus noch ein unbekanntes „Verfallsdatum“ – bei FIFA bei Erscheinen der nächsten Ausgabe; bei anderen Spielen, wenn diese einmal abgeschaltet werden; auch ein Bann in einem Spiel hat meist den Verlust aller jemals gewonnenen Items zur Folge. Selbst wenn sie auf gewissen Marktplätzen wie z.B. CS-Skins auf Steam, „verkauft“ werden können, ist das eingesetzte Geld futsch, da man lediglich ein Guthaben bekommt (entweder in Euro oder einer plattform-/spielinternen Fantasiewährung), welches man innerhalb dieses geschlossenen Marktplatzes zwar einsetzen, sich aber nicht auszahlen lassen und somit wieder selbstständig nach Belieben in den Wirtschaftskreislauf einführen kann. Wir haben es also mit der paradoxen Situation zu tun, dass klassisches Glücksspiel streng reguliert wird, Videospiel-Publisher mit Lootboxen hingegen mit exakt den gleichen psychologischen Tricks und Zufallsmechaniken den Spielern das Geld nach Belieben aus der Tasche ziehen dürfen, dabei im Unterschied zum klassischen Glücksspielbetreiber selbst kein finanzielles Risiko tragen (weil sie ja keine Gewinne auszahlen müssen) und trotzdem bzw. gerade deshalb nicht den gesetzlichen Regularien unterliegen.
Auch die Ausrede, man kaufe in den meisten Spielen ja nicht direkt Lootboxen, sondern lediglich virtuelle Coins/Gems/etc., welche sich dann (auch) zum Kauf von Lootboxen einsetzen lassen, sollte man nicht gelten lassen: In keinem Spielcasino setzt man direkt Bargeld, sondern kauft vorher Jetons („Chips“), welche dann am Spielautomaten oder Spieltisch gesetzt, aber auch für andere Dienstleistungen genutzt werden können (z.B. zum Getränkekauf an der Bar). Virtuelle Coins sind in den jeweiligen Spielen genauso Zahlungsmittel wie Jetons im Casino. Der einzige Unterschied besteht darin, dass diese Coins sich, im Gegensatz zu Casino-Jetons, nicht wieder vom Spieler in echtes Geld rückkonvertieren lassen. Und jetzt die Jackpotfrage: Welchem Casino würde es der Staat durchgehen lassen, wenn es einfach die Möglichkeit, Jetons wieder in echtes Geld umzutauschen, abschaffte, und sich deshalb nicht mehr den Regelungen des Glücksspielstaatsvertrags bzw. des jeweiligen Landesglücksspielgesetzes, vor allem hinsichtlich Jugendschutz und Suchtprävention, unterworfen fühlte, zumal man das Geld ja sowieso nicht direkt beim Glücksspiel setze, sondern lediglich Jetons kaufe, die sich innerhalb des Casinos beliebig einsetzen lassen? Man stelle sich nur mal zum Vergleich vor, ein Arbeitgeber müsste bloß die Löhne abschaffen oder durch nutzlose (und jederzeit widerrufbare) Digitalgüter ersetzen, um nicht länger dem Arbeitsrecht zu unterliegen.
Fazit: Lootboxen, die mit echtem Geld gekauft werden können (d.h. die Möglichkeit, Lootboxen auch freizuspielen, steht dem nicht im Weg), sind Glücksspiel, als solches suchtgefährdend und müssen entsprechend reguliert werden. Dafür hätte es nicht einmal die neueste Jugendschutzreform gebraucht, nur fähige Juristen, welche schon vorher die geltenden Glücksspielgesetze im Sinne der Verbraucher und des Staates ausgelegt hätten, wie es eigentlich vorgesehen ist. Von Anfang an hätte auf ein FIFA mit bezahlten Lootboxen ein USK-18-Aufdruck gehört, mit dem Hinweis: „Glücksspiel kann süchtig machen. Mehr Infos unter:
www.spielen-mit-verantwortung.de oder unter kostenloser Hotline: 0800 137 27 00.“ Es bedeutet übrigens auch, dass EA, Activision und alle Firmen, welche Spiele mit Lootboxen und Echtgeldeinsatz betreiben, seit Jahren Straftaten begehen (§ 284 StGB – Unerlaubte Veranstaltung eines Glücksspiels), auch die Firmen, die dafür werben (und streng genommen auch die Spieler – § 285 StGB), und lediglich durch die bisherige, wie oben ausgeführt, hanebüchene und geradezu kriminelle, Auslegung des Glücksspielbegriffs vor einer Strafverfolgung geschützt werden. Einer Strafverfolgung, bei welcher nach meiner Einschätzung angesichts der Gewinne, welche diese Firmen mit ihrer Abzocke jährlich erzielen, Strafen in Millionen-, wenn nicht gar Milliardenhöhe drohen würden, den verantwortlichen Personen darüber hinaus Haftstrafen.