Das nennt sich Pfadabhängigkeit und sorgt dafür, das etwas schwer oder garnicht zu ersetzen ist.
Quasi alle Leute bei Whatsapp, also muß man selbst auch bei Whatsapp sein, wenn man den Leuten schreiben will.
Das ganze begegnet einem extrem oft:
- Windows und MS Office haben ihre jetzige Existenz diesem Phänomen zu verdanken
- das 230V Stromnetz, 480V o.ä. wären heute besser
- der Schukostecker, es gibt wesentlich besseres
- die Spurbreite von Eisenbahnen geht auf uralte Pferdekarren zurück
- die Magnetschwebebahn kann sich nicht durchsetzen, obwohl sie wesentlich besser wäre
- WLAN, Bluetooth, USB, Ethernet und viele andere
- eMail, obwohl es seit Jahrzehnten bessere Konzepte gibt
usw.
Netzwerkeffekte, wie man sie bei WhatsApp & Co. hat, sollte man nicht mit Pfadabhängigkeiten gleichsetzen. Bei beiden spielen völlig unterschiedliche Faktoren mit rein und die Abhängigkeiten unterscheiden sich erheblich.
Hier muss ich etwas OT gehen: Eine Umrüstung des Stromnetzes z. B. wäre unfassbar teuer, aufwendig und man würde Milliarden von Elektrogeräten unbrauchbar machen. Du kannst an ein Gerät, das auf 230 V ausgelegt ist, nicht einfach mal eben mehr als die doppelte Spannung anlegen. Versuch mal, ein Glühlämpchen für 6 V mit 12 V zu betreiben. Oder probiere mal, deine CPU-Kernspannung auf 3 V hochzuprügeln, wenn du glaubst, da könne gar nichts schiefgehen.
Beim Netzstecker gab es bereits u. a. mit der Norm IEC 60906-1 Versuche, den Schuko-Stecker und andere Systeme abzulösen und einen international einheitlichen Standard zu schaffen, aber das ist bisher aus ähnlichen Gründen gescheitert; denn auch hier wäre der Aufwand, alle Steckdosen im Land umzurüsten, zwar geringer, aber nicht ohne und würde einige Jahre Übergangszeit erfordern. Tatsächlich geht der „Bestandsschutz“, der eine generelle Pflicht zur Umrüstung verhindert, sogar so weit, dass es vor allem auf dem Land immer noch etliche Häuser gibt, die bis heute nicht einmal über einen Potenzialausgleich mit Hauserdung verfügen, weil der Gesetzgeber es nicht auf die Reihe bekommen hat, Hauseigentümer zur Nachrüstung eines solchen zu verpflichten. Solange nichts an der elektrischen Anlage neu gemacht werden muss, kann das theoretisch ewig so bleiben, erst z. B. beim Verlegen neuer Leitungen oder einem Tausch des Sicherungskastens ist die Nachrüstung eines Potenzialausgleichs und Hauserders zwingend Pflicht; nur bei Neubauten ist es seit der Einführung immer vorgeschrieben. Deswegen bin ich umso erstaunter, dass der Gesetzgeber die Hauseigentümer plötzlich doch in die Pflicht nehmen kann, wenn es um Ölheizungen oder Solardächer geht; aber bei einer Sache wie Stromleitungen, wo die Altbestände tatsächlich ein Risiko für Leib und Leben darstellen, nicht. In Bezug auf IEC 60906-1 bestünde natürlich die Möglichkeit, dass der Gesetzgeber die Gelegenheit nutzen könnte, mit der verpflichtenden Umrüstung der Steckdosen innerhalb einer gewissen Frist gleich auch die nachträgliche Erdung aller Altbestände endlich durchzusetzen. Wahrscheinlicher ist aber eher, dass man sich auch hier wieder mit dem „Bestandsschutz“ aus der Affäre ziehen wird, um bloß nicht einmal Nägel mit Köpfen machen zu müssen.
So oder so: In der Übergangszeit müsste man irgendwie die Leute dazu bringen, alle Netzkabel gegen welche mit dem neuen Stecker zu tauschen – bei losen Gerätekabeln wie am PC könnte man das noch über eine Art Abwrackprämie machen; bei Geräten mit fest verbauten Kabeln müsste man die Stecker händisch tauschen oder warten, bis die Geräte nach und nach von allein ihr (geplantes) Verfallsdatum überschritten haben, und bis dahin ggf. auf Adapter zurückgreifen. Nichts davon würde bei den 95 % der Bevölkerung, die sich weder damit auskennen noch dafür interessieren, allzu große Euphorie auslösen; und wenn in den Sternen steht, wann die eigene Wohnung oder das eigene Haus denn mal tatsächlich auf die neue Norm umgerüstet wird, werden es die Leute damit auch nicht besonders eilig haben.
Bei deinen anderen Beispielen ist das ähnlich. Selbst wenn die Magnetschwebebahn jemals über das Stadium einer Machbarkeitsstudie hinausgekommen wäre, kann man mindestens darüber diskutieren, ob der dadurch gewonnene Nutzen die Kosten für die Errichtung einer neuen Infrastruktur und die Verschrottung der vorhandenen gerechtfertigt hätte. Auch bei etablierten Industriestandards wie WLAN, Bluetooth, USB, Ethernet zöge eine Umstellung ohne gesicherte Abwärtskompatibilität aufgrund der gewaltigen Bestände an vorhandenen Geräten wieder einen Rattenschwanz an Problemen nach sich. Dass die Abschaltung des analogen UKW-Rundfunks jetzt mal so langsam absehbar wird, hat vor allem damit zu tun, dass Radio heute nur noch im Auto eine große Rolle spielt und dort der Anteil an Fahrzeugen, die kein DAB+ können, immer mehr zurückgeht. Was die E-Mail betrifft, da gibt es mittlerweile bessere Alternativen, die beruhen aber häufig nicht auf offenen Standards, sind bei weitem nicht so „abgehangen“ und bringen daher ihrerseits nicht nur Vorteile mit sich, beginnend damit, dass sie nicht anbieterunabhängig sind. (Zum wichtigsten Vorteil moderner Messenger gegenüber E-Mail, E2E-Verschlüsselung, sei gesagt: Wenn man den Leuten nicht jahrelang eingeredet hätte, dass PGP ja viel zu kompliziert sei, hätten wir da eine weit größere Abdeckung. Im Unterschied zu aller anderen Krypto-Software, die man heute findet, wurde PGP auch explizit mit dem Ziel entwickelt, dass man zur Not alles per Hand selbst bootstrappen und betreiben kann und gerade keinem Dritten vertrauen muss.) Und wir kennen natürlich die ewige Diskussion um Windows, an dem alle Anwendersoftware hängt, die kumuliert 99 % der PC-User nutzen wollen oder müssen, was einen Wechsel auf Linux für viele Leute schlichtweg zu einer nicht realistischen Option macht.
Mit all dem ist WhatsApp nicht mal im Ansatz vergleichbar. Bei WhatsApp herrscht ein reiner Netzwerkeffekt, wie man sie auch bei großen Internetplattformen findet: „Die Anna, der Thomas und der Felix sind da, also muss ich da auch hin, sonst verpasse ich was/erreiche die Leute nicht!“ Alle 80 Millionen Bundesbürger könnten innerhalb eines Tages von WhatsApp auf Signal oder Threema umstellen. Auch bei MS Office ist eine Umstellung auf LibreOffice oder SoftMaker eher eine Frage des Wollens als des Könnens. Selbst der Wechsel auf andere Online-Plattformen kann vergleichsweise schnell gehen, sobald die Masse sich einmal in Bewegung setzt. Die gesamte Software-Infrastruktur von Windows auf Linux umzurüsten erforderte schon einiges mehr; und bei allem, was Hardware betrifft, gelten die obigen Schilderungen.