Ist bei dieser Reihe überhaupt noch etwas auf dem Niveau von Teil 2 zu erwarten? Gameplay hin oder her, das Writing ist seit Teil 3 durchweg Grütze (nur die vier großen Story-DLCs von BL3 waren m. E. erträgliche und bisweilen erfreuliche Ausreißer nach oben), und der Kinofilm wird jetzt schon von Publikum und Kritik, ob Fans oder nicht, einhellig als Sargnagel für das Franchise gewertet.
Dabei teile ich nicht einmal die Auffassung, dass der Borderlands-Humor generell aus der Zeit gefallen sei. Borderlands 2 habe ich 2018 zum ersten Mal gespielt – sechs Jahre nach Release –, trotzdem habe ich es spielerisch wie inhaltlich gefeiert und seine Story, Dialoge und Gags funktionieren für mich auch noch heute viel besser und wirken zeitloser als sie es in Borderlands 3 jemals taten. (Teil 1 war bezüglich Writing wie auch generell noch recht minimalistisch, deswegen beziehe ich das nicht in den Vergleich mit ein.) Und ich bin seitdem bestimmt nicht jünger geworden. Dass die Richtung, die man seit Borderlands 3 einschlägt, beim Publikum so viel schlechter zündet, liegt schlichtweg daran, dass die Figuren einfach nicht mehr sympathisch geschrieben werden und die Witze zum Großteil einfach nicht lustig sind.
Bei Borderlands 2 hatte man mit Anthony Burch einen Chefautor, das gesamte Spiel trägt seine Handschrift und es lässt sich eine klare Struktur erkennen. Klar ist der Humor auch da schon sehr überspitzt und nicht jedermanns Sache, aber Burch hatte ein Händchen dafür, die Gags an der richtigen Stelle und in der richtigen Dosis zu platzieren, der Story auch Raum für ernste Momente zu geben, wo es nötig war, und er hat seine Charaktere allem Zynismus und aller Selbstironie zum Trotz ernst genommen. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen: Die Sprüche sind noch heute teilweise kultverdächtig und Handsome Jack gilt nach wie vor als einer der am besten geschriebenen Videospiel-Antagonisten aller Zeiten.
Seit Borderlands 3 sieht man nichts mehr davon. An dem Spiel haben mindestens vier leitende Autoren eher gegeneinander als miteinander gearbeitet, die Gagdichte auf Teufelkommraus hochgeschraubt, alle Stupiditätsregler auf 10 gestellt und sich dafür überwiegend an Internetkultur und Memes bedient, die dafür bekannt sind, die Haltbarkeit einer Flasche Rohmilch zu haben, während auf die (Weiter-)Entwicklung etablierter wie neuer Charaktere genauso geschi**en wurde wie auf die Regeln eines guten Storytellings. Wo sich bei Claptrap oder Tiny Tina die Geister scheiden, werden Charaktere wie Ava (bis heute die vermutlich meistgehasste Figur der ganzen Reihe) vom Publikum durchweg verabscheut – maximal unsympathisch, nie mit den Konsequenzen ihres Verhaltens konfrontiert, aber gleichzeitig zu „wichtigen“ Charakteren erhoben.
Was war die Konsequenz, die Gearbox aus der nahezu einstimmigen Kritik am Writing von Borderlands 3 zog? Sie schoben mit Wonderlands und New Tales zwei Spin-Offs nach, die nicht nur den Kurs beibehielten, sondern den neuesten Teil der Hauptreihe nochmal unterboten. So gesehen fügt sich auch der Kinofilm perfekt in die jüngste Chronik rein: Es wird auf alles geschi**sen, was an der Reihe inhaltlich jemals gut war, insbesondere die Charaktere. Gearbox weiß offenkundig alles besser und muss das den Fans immer wieder in einem sehr gewöhnungsbedürftigen, oft nicht zu verstehenden Stil nachdrücklich unter die Nase reiben.
Unterdessen hat Borderlands 3 bis auf vier Story-DLCs, die besser sind als das Hauptspiel (was bei der Story nicht besonders schwer war), einen unfassbar miesen zweiten Season-Pass und anfangs drei Events, die mittlerweile dauerhaft spielbar sind, keine weitere Pflege bekommen. Zwischen dem Endgame von Teil 3 und dem von Teil 2, was erst so viel dazu beigetragen hat, dass die Spieler hunderte, tausende Stunden in dieses Spiel versenkt haben, liegen Galaxien. Generell muss man sagen, dass das Gunplay von Borderlands 3 zwar mit seinen Neuerungen anfangs reizvoll war, aber auch ziemlich schnell uninteressant wurde, denn ähnlich wie mit den Gags leidet es unter einer massiven Loot-Inflation und damit auch einem Balancing-Problem: „Epische“ und „legendäre“ Knarren fühlen sich einfach nicht mehr danach an, wenn gefühlt jeder Miniboss eine oder mehrere davon droppt. Bei letzteren wurden zudem häufig die Werte zugunsten der Gimmicks vernachlässigt, was dazu führt, dass ein nicht unerheblicher Teil der „legendären“ Knarren nach einer kurzen Demonstration im Safe verschwindet oder verkauft wird – im Kampf nicht sinnvoll einsetzbar und außerdem wird man ja sehr zügig die nächste Goldknarre finden.
Nach der Hauptstory muss man zwingend den Mayhem-Modus einschalten, damit das Spiel überhaupt noch eine Herausforderung bietet, da nur so die Gegner mit dem Spielerlevel skalieren; die damit verbundenen höheren XP führen aber wiederum dazu, dass man noch vor dem Durchspielen der Story-DLCs bereits den Maximallevel erreicht. Das zusammen mit den bis dahin schon inflationären legendären Drops und der Tatsache, dass die Kampagne (aus meiner Sicht) deutlich zu lang ist, schmälert die Anreize, sich ein zweites Mal durch das Hauptspiel zu quälen, ganz beträchtlich – wenn man es in Borderlands 2 nicht wegen der Story ohnehin wollte, dann tat man es, um aus seinem Charakter alles rausholen und noch bessere, seltenere Knarren finden zu können. Selbiges gilt für die in Borderlands 3 deutlich abgespeckten Raid-Bosse – warum sich damit unnötig frustrieren, wenn man bereits alle nennenswerten Belohnungen im Spiel schon vorher gesehen hat?
Wonderlands wäre eine Chance gewesen, viele dieser Fehler auszubügeln. Passiert ist das genaue Gegenteil. Und über New Tales brauchen wir gar nicht erst zu reden. Und trotzdem konnte man das nochmal unterbieten mit der Peinlichkeit, dass doch tatsächlich Strauss Zelnick höchstpersönlich jetzt darum betteln muss, dem Film eine Chance zu geben. Ach komm Junge, wir wissen doch schon, wie es läuft. Ihr schickt einfach wieder ein paar hundert Leute in die Arbeitslosigkeit, um den Verlust auszugleichen, dann sind deine Boni auch für dieses Jahr wieder sicher. Du kannst mal gepflegt kacken gehen.
Wer es bis hierhin noch nicht ahnt: Ich habe die Borderlands-Reihe, die mal der Grund dafür war, dass Gearbox nach Perlen wie Duke Nukem Forever und Aliens: Colonial Marines überhaupt noch weiter Videospiele entwickeln darf, schon vor einiger Zeit abgeschrieben, und der Kinofilm war nur die letzte Bestätigung, die ich gebraucht habe. Ich habe Borderlands 2 und auch das etwas abgespeckte Pre-Sequel verschlungen; auch mit dem ersten Teil, der es verdammt schwer hat, wenn man Teil 2 schon kennt, und sich neben diesem echt zäh anfühlt, hatte ich meine Freude. Aber so sehr mir Borderlands 2 und das Pre-Sequel mit seinem Cliffhanger am Ende damals Bock auf mehr gemacht haben – Borderlands 3 hat dem, obwohl ich es irrsinnigerweise trotzdem dreimal durchgespielt und somit irgendwie meinen Frieden mit dem Spiel gemacht habe, einen gewaltigen Dämpfer verpasst, und die zwei nachfolgenden Spin-Offs haben es komplett gekillt. Viele Zeilen, um auszudrücken, dass mein Interesse an einem Borderlands 4 gegen 0 geht – es gibt einfach null Anzeichen, die Hoffnung darauf machen, dass von Gearbox noch einmal irgendetwas Gutes in der Richtung kommt.
Ich bin angesichts der immer zahlreicheren Franchises, bei denen ständig Sequels, Prequels und Spin-Offs nachgeschoben werden und nie ein Ende in Sicht ist, schon lange zu der Erkenntnis gelangt, dass jede Reihe einen Punkt hat, ab dem sie aufhört, von mehr Content zu profitieren. Die Tatsache, wie viele Franchises, die ich einst liebte, mittlerweile durch den Nachschub und neue Marketingstrategien zunehmend pervertiert werden, bestätigt das immer wieder. Borderlands ist so eine Reihe, die ihr Verfallsdatum offenkundig überschritten hat, und Gearbox hat alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die Sache zu beschleunigen. Man könnte es in Vorlesungen über Spielentwicklung und Marketing als Musterbeispiel dafür nehmen, wie man sein bestes und wichtigstes Franchise nicht nur gegen die Wand fährt, sondern mit voller Absicht kaputtkloppt. Das so hinzubekommen ist schon echt eine Meisterleistung.