Ich will mal zwei Spiele isolieren die den für mich wesentlichen Unterschied haben und aufzeigen können.
Auf der einen Seite ist Destiny 2, ein Spiel bei dem der Charakter einen Endpunkt erreicht. In der aktuelle Iteration könnte man vielleicht noch von Artefakt +20 auf +21 leveln, zum Angeben, aber wenn der Content losgeht wird man im Level begrenzt, also braucht man eh nie mehr als +15. Auch alle Untermenüs in denen man seinen Charakter einstellt hat man irgendwann fertig und auch die richtigen exotische Gegenstände, zwischen denen man die Qual der Wahl hat. Trotzdem bewirft das Spiel seine Spieler mit Content der die Spieler dazu animiert auf immer neue Weisen in diese Trickkiste zu greifen. Der Charakter ist "fertig", aber er ist nicht "statisch". Selbst wenn ich nichts neues bekomme, könnte Content der in vier Wochen kommt mich dazu animieren den Charakter anders zu spielen. (konkret z.B: mein Build ist schwach gegen Overcharge, aber in vier Wochen will ich unbedingt die Aktivität mit vielen Overcharge Mobs spielen, kein Problem, mein Charakter ist nicht statisch).
Auf der anderen Seite ist PoE. Da sorgt das Spiel schon dafür, dass man nie "fertig" wird mit seinem Charakter. Das hat jedoch zur Folge, dass der Charakter mit jeder Spielstunde statischer wird. Am Anfang levelt man schnell, tauscht ständig Sachen aus, aber dann kommen Items für die farmt man eine Stunde. Dann kommen Items für die farmt man 10 Stunden. in den 9 Stunden dazwischen war man sehr statisch und auch das Spiel gab nie einen Anreiz mal die Breite des Charakters auszuprobieren. Es gibt in dem Sinn keine Breite des Charakters, man spielt ein Build, das war es. Dann kommen Items für die farmt man 100h und erneut erstarrt man für die meiste Zeit im Grind-Loop. Die Build-Breite in PoE wird mein Charakter nie erleben. Der bekommt schon das erste Build nicht fertig, weil man immer noch 100h reinstecken könnte. Irgendwann verlässt man den Char (meistens den Season-Starter) im Loginschirm und macht das nächste Build für den nächsten Teil der Season.
Am Ende der Progression hat man in Destiny 2 einen Werkzeugkasten verschiedenster System die man zielführend kombiniert. Bei PoE passiert das nie, weil man kommt erstens niemals am Ende an (dafür sorgt die Art der Progression) und wenn wir ehrlich sind, würden die ganzen Systeme auch nie so zusammenkommen, dass man situativ Lösungen zusammenstellen und auswählen kann, selbst wenn Respeccen immer kostenlos wäre. Da fügt sich nichts zusammen, das sind einfach endlose Systeme an denen man sich festgrindet. Dass daraus ein größeres Ganzes entsteht war immer ein Bluff.
Da sehe ich den #1 Knackpunkt, ob mir D4 gefallen wird oder nicht. Wenn ein Charakter irgendwann in einem Build mit einem Set Ausrüstung festgefahren ist und man sehr lange Zeit für kleine Verbesserungen braucht, dann ist das für mich negativ. Ich finde eher Spiele gut, die den Spieler dazu einladen unterschiedlichen Content mit unterschiedlichen Builds auf dem gleichen Charakter zu spielen. Man spielt die ganze Klaviatur der Klasse die man spielt, nicht nur eine Unterspezialisierung. D3 ist so ein Spiel bei der man das Build wechselt, je nachdem was man machen will. D2 ist eher statisch und wenn man wissen will was D4 ist, so gibt das Marketing unterschiedliche Antworten. Mal kann man klar den Skillbaum ändern, mal soll das später nicht mehr gehen.
Der Unterschied hat nichts damit zu tun, dass Destiny ein Shooter und PoE ein ARPG ist. D3 und D2 haben den exakt gleichen Unterschied. Ich gehe sogar soweit zu sagen, dass selbst wenn D4 zuerst der D2 Philosophie folgen wird, wenn es ein erfolgreiches Live-Service Spiel werden will, wird es auf die D3 Philosophie wechseln müssen, sonst wird es ganz hart neuen Content einzuführen der sich nicht "gleich" anfühlt, weil die Balance so sein muss, dass jedes "middle of the road" Build ohne Anstrengung durchkommt.