KremitTheFrag
Freizeitschrauber(in)
Es gibt derzeit keine mir bekannten, anderslautenden Urteile der höheren (OLG) oder höchsten (BGH) Rechtsprechung, die sich mit dem digitalen Nachlass von Volljährigen befassen. Wenn es solche gibt, was ich nicht ausschließen will, dann sind sie jedenfalls noch nicht groß pupliziert oder anderweitig bekanntgemacht worden.Gibt es ein vergleichbares Urteil eigentlich mittlerweile auch für volljährige Verstorbene? Bei Kindern ist es einigermaßen klar, dass die Eltern Vollzugriff auf alles bekommen. Aber bei Erwachsenen können dem zum Teil schon dessen Persönlichkeitsrechte entgegenstehen.
Die Persönlichkeitsrechte eine Erwachsenen stehen einem Vollzugriff des Erben eigentlich nicht entgegen. Der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger erhält Zugriff auf den gesamten Besitz des Erblassers. Was es gibt, ist postmortaler Ehrschutz, der Herabwürdigungen verhindern soll.
Wenn der Erblasser bestimmte Aspekte seine Lebens, z.B. dunkle Geheimnisse o.ä. den Erben vorenthalten will, sollte er tunlichst zu Lebzeiten entsprechende Vorkehrungen treffen. Wer z.B. die Vernichtung von bestimmten Informationen sicherstellen möchte, benötigt hierfür evtl. einen Testamentsvollstrecker. Wird kein Testament hinterlassen und es tritt die gesetzliche Erbfolge ein, erhält der Erbe Zugriff auf alles.Während Eltern Einblick in die privatesten Angelegeneinheiten ihrer Kinder nehmen dürfen, gilt das umgekehrt nicht automatisch und kann explizit ausgeschlossen sein, wenn davon ausgegangen werden muss, dass der Verstorbene diesen Teil seines Privatlebens für sich behalten wollte. Das gilt insbesondere für Facebook, aber auch Steam vertreibt oder vertrieb zumindest längere Zeit Inhalte, mit denen man vielleicht durch seine Hinterbliebenen nicht assoziiert werden möchte.
Praktische Probleme sind z.B. rein digital gehaltene Verträge, die Passwortgesichert sind und die dann keiner mehr finden oder öffnen kann. Besonders bitter für den Erben, wenn es sich um Versicherungen handelt und so Geld verloren geht, weil es keiner Anfordern kann, mangels Wissen um die bestehende Versicherung. Anderes Beispiel, der verlorene Zugang zum Bitcoin Wallet, auch sehr bitter.
Ich vermute, dein Gedankengang fußt auf dem Datenschutz und der DSGVO. Diese können gegenüber dem Erben nicht geltend gemacht werden, sobald sich der Erbe ordnungsgemäß als solcher legitimiert hat.Mit der simplen Argumentation, das eine inhaltsabhängige Entscheidung über Accounts bereits Informationen über deren Inhalt preisgeben würde, könnte sich Steam hier sehr leicht jeder grundsätzlichen Rechtsentscheidung entziehen, sodass die aktuellen AGBs allenfalls nach Umweg über das Verfassungsgericht angreifbar wären.
AGBs sind grundsätzlich bereits in der ersten Instanz angreifbar. Das würde jedoch eine Klage unmittelbar gegen Steam voraussetzen. Der Kunde klagt gegen Steam und im Rahmen der Klage werden die AGB überprüft, sofern sie für den Rechtsstreit relevant sind.
Eine abstrakte AGB-Kontrollklage von Nutzer A gegen Valve, weil er es mal wissen oder denen zeigen will, dürfte mangels Rechtsschutzinteresse unzulässig sein. Rückausnahme, Verbraucherschutzvereine, z.B. die Verbraucherzentrale, als besonders ermächtigte könnten solch abstrakte Klauselklagen bei Gericht einreichen, nachdem der Verwender zunächst auf Unterlassung in Anspruch genommen wurde und die Klausel weiter verwenden will. (Kommt häufig bei Banken und ihren Klauseln vor)
Dem Erbrecht kann sich Steam bzw. Valve nicht entziehen, da sie nicht Teil des Nachlassverfahrens sind. Erst wenn der Erbe feststeht und seinen Anspruch auf Herausgabe gegen Steam gerichtlich durchsetzen muss, weil die sich weigern, sind wir im Instanzenzug.
Dann stellt sich die Frage, wo soll hier ein Grundrecht, und wessen genau, verletzt sein, wenn das Verfassungsgericht nach einer Ewigkeit mit der Sache angerufen werden soll.
Mit dem Tod erlöschen die grundgesetzlich geschützten Persönlichkeitsrechte. Erst mit der Mephisto-Entscheidung (BVerfGE 30, 173) wurden diese teilweise über den Tod hinaus erstreckt. Praktisch kommt es zum tragen, wenn das Andenken toter Personen öffentlich "in den Dreck" gezogen wird. Das hat aber nichts mit der erbrechtlichen Problematik zu tun.
Da Urteile nur inter partes, also unter den beteiligten Parteien ihre Wirkung entfalten, könnte sich Steam oder Facebook in jedem Einzelfall weigern, Accountdaten herauszugeben und somit Anlass für ein Klageverfahren bieten. Sobald aber eine gesicherte höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt, dürfe der Anreiz sich so zu verhalten nachlassen, da die Kosten der Verfahren regelmäßig beim Verlierer bleiben. Insoweit besteht immer die Gefahr, sich einer grundsätzlichen Entscheidung zu entziehen, aber der monetäre Anreiz sorgt dafür, dass Firmen sich meist doch an die geltende Rechtsprechung halten.