Gestiegene Qualitätsanforderungen können neue Pinouts erzwingen und außerdem gingen alle Änderungen außer 1151 (SKL) => 1151 (CFL) auch mit Änderungen bei den Schnittstellen oder der Organisation der Stromversorgung einher. Aber wie man unschwer an den Sockeln 1156, 1155, 1150, 1151 (SKL), 1151(CFL) und 1200 erkennen kann: An der Gesamtzahl der Kontakte hat sich wenig geändert und auch die Verteilung für verschiedene Aufgabenbereich ist sehr ähnlich geblieben. Abseits des RAMs sogar so ähnlich, dass im ostasiatischen Raum mehrere Mainboards aufgetaucht sind, die eigentlich für andere Sockel vorgesehene PCHs vollkommen problemlos und, in Anbetracht der Herstellergrößen, vermutlich minimalem Aufwand nutzen.
Abseits der CPU-Sockel machen auch die "Großen" intensiven Gebrauch von Abwärtskompatibilitäten, um einen breiten Marktteil abzudecken. Oder musst du für deine PCI-Express-3.0-Grafikkarte ein spezielles Mainboard kaufen, dass sie mit der PCI-Express-4.0-CPU verbinden kann? Brauchen USB-3.1-Anschlüsse zusätzliche Spezialdatenleigungen, damit -3.0-Sticks erkannt werden? Gibt es Inkompatibilitäten zwischen 3-Pin-Lüftern und 4-Pin-Anschlüssen oder umgekehrt? Nein, nein, nein. Das ist doch gerade eine Stärke des PCs, dass neue Standards oft die alten vollumfänglich beinhalten und dadurch Abwärtskompatibel sind.
Das wir trotzdem noch (viele) USB-3.0-Anschlüsse auf Mainboards haben und nicht (beinahe) durchgängig 3.1, liegt schlicht an den Kosten. In vielen Fällen sind die Controller sogar 3.1-tauglich, weil außer etwas Chipgüte eben nicht viel zwischen beiden Schnittstellen liegt und Neuentwicklungen deswegen alle auf den neuen Standard setzen, aber man spart sich halt das aufwendigere Routing und die Redriver für 10 GBit/s auf dem Mainboard. Genau das Gleiche könnte AMD auch mit einem PCI-E-5.0-Controller in einem AM4-Package machen und nur wenig mehr Aufwand könnte ein DDR5-Controller eine DDR4-CPU befeuern. Oder man bringt eben, in Gegenrichtung, CPUs mit Ryzen-5000-CCDs im Sockel AM5, die die neuen Standards tatsächlich auch nach außen tragen. Technisch alles kein Problem und auch nicht sonderlich teuer, wenn man den neuen Chip mit neuen Fähigkeiten sowieso braucht.
Die Frage ist nur, ob man zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt etwas komplett neues produzieren möchte? Denn das ist die Kehrseite: Zwar sind neue Chips zum Teil sehr weit abwärtskompatibel, aber abseits von Prozessor- und Grafikkernen sind neue Chips auch selten. Etwas altes weiterzuverwenden ist halt noch billiger. Intel hat jetzt gerade den Z590 tatsächlich neu gebaut, aber vermutlich ist er nur ein minimal erweitertes Design von 2018. Der B460 und der weiterhin "aktuelle" X299 nutzen 1:1 Silizium von 2017, das seinerseits eine minimale Erweiterung eines 2015er Designs war. AMDs/ASMedias B550 ist mit hoher Wahrscheinlichkeit ein minimal augepeppter Promontory, ebenfalls aus 2017. Und von anderen Schnittstellen-Chips wollen wir gar nicht erst anfangen – der heute als werbewirksames Merkmal genutzte "ALC1200" kam bekanntermaßen schon zu Sockel-775-Zeiten zum Einsatz. Seine HDA-Aschnittstelle zum Chipsatz ist sogar älter als dieser Sockel und es dauert jetzt noch genau sieben Tage, bis ein PCGH-Leser erstmals einen Test in die Hand nehmen kann, in dem ein Audio-Codec sich über dieses Verbindungs-Niveau erhebt. Und stattdessen brandaktuelles USB 2.0 nutzt ...
Das sind die Zeiträume, in denen I/O-Chips aktualisiert werden. Den IOD kann man vielleicht eher mit alten Northbridges vergleichen, schließlich nimmt er ziemlich exakt deren Rolle ein. Aber wenn Taktvarianzen zusammenfasst, haben die auch spielend Marktpräsenzen von 5 Jahren und mehr erreicht. Würde AMD den IOD wie eine echte Northbridge aufs Board löten und CPU-Rebranding vermeiden, würde Ryzen 5000 also einfach weiter bestehen und wir bekämen irgendwann zwischen diesem Sommer und dem Zen-4-(CCX-)Launch Mainboards mit neuem IOD, DDR5 und PCI-E 5, aber altem "zweimal IF"-Sockel.