Fallout 76: Scharfe Kritik an Bethesda wegen Exploits

Das hat aber andere Gründe als die Komplexität dieser Spiele in Bezug auf deren Spielmechaniken, weil die haben sich grundsätzlich nicht geändert.

Morrowind und (etwas weniger) Oblivion erforderten Planung bei der Vergabe von Skillpunkten, Handlungen hatten Auswirkungen (Questgiver getötet? Pech gehabt!), es war auch im einfachsten Schwierigkeitsgrad nicht quasi unmöglich den Charaktertod zu erleiden, es gab deutlich mehr Waffentypen mit unterschiedlichen Charakteristiken und deutlich mehr Zaubersprüche und magische Effekte und Kombinationsmöglichkeiten derselben. Vor allem aber gab es ein weites Feld an unterschiedlichen Skills, die sehr individuelle Charakterentwicklungen und damit Spielstrategien erlaubten.

In Skyrim hingegen kann man lediglich steigern, und zwar in genau drei Faktoren: Health, Magicka und Stamina. Das erlaubt zwar auf dem Papier auch eine gewisse Flexibilität, aber letztendlich läuft es doch daraus hinauf, dass *jeder* Health steigern musste, um später nicht bei einem Treffer umzukippen, jeder die Ausdauer steigern musste, um den Loot tragen zu können und allenfalls haben Magier etwas mehr in Magicka investiert, Nahkämpfer etwas mehr in Health und Bogenschützen vielleicht etwas mehr in Stamina, um länger weglaufen und auf Fernkampfdistanz zu kommen.
Die Spielmechaniken sind also ansatzweise vergleichbar; es sei denn, man reduziert sie darauf, dass man sich auf einer Ebene bewegt und Gegner so lange beharkt, bis sie umkippen - was dann tatsächlich auf sämtliche TES-Titel und noch ein paar andere (inklusive Wolfenstein 3D von 1992 oder sogar Castle Wolfenstein von 1981 :D) zuträfe.

Die Einstiegshürde in ein Spiel wie Morrowind ist deshalb so groß weil es zum einen noch sehr viel Text, ohne Vertonung bot, weil es teilweise echt (selbst für damalige Verhältnisse) ein Aufwand war von Punkt A nach Punkt B zu kommen (keine Questmarker, manchmal leicht kryptische Wegbeschreibungen, mehrere Umstiege mit den Schnellreiseaneboten im Spiel, also kein direktsprung von Position A nach B wie zB in Oblivon oder Skyrim).

Dass das Schnellreisesystem ein Killer-Kriterium ist. darüber kann man streiten; für entscheidender halte ich da, dass man das Spiel an jeder Stelle unterbrechen und wieder aufnehmen kann. Wenn das Herumlatschen Teil des Spiels ist und immer genug geschieht, also man nicht stur abgegraste Gebiete abwandern muss, ist das für Casual Gaming keine Hürde. Wenn ich mal eben "casual" Skyrim starte, dann nicht, um konzentriert (oftmals langwierige) Quests abzuarbeiten, sondern um Spawnpoints abzulaufen und zu schauen, was mich da erwartet. Schnell mal ein paar Gegner aufmischen, abspeichern, fertig.
Wenn ich versinken will, dann arbeite ich Quests ab und betreibe Roleplaying. Das bedeutet auch, dass das storymäßig ohnehin verkackte Schnellreisesystem (Wie kommen der SC und insbesondere lahme Pferdefuhrwerke in einer von Banditen, marodierenden Bürgerkriegsparteien, Schwarzmagiern, Raubtieren, Vampiren, Werwölfen und Deadra verseuchten Provinz unbehelligt von A nach B?) nicht nutze - außer mein SC ist mal wieder irgendwo stecken geblieben oder ein Follower hat sich mal wieder verlaufen ...

Mit dem Textumfang hast du sicher recht. Das fasse ich allerdings unter dem Punkt "Komplexität" zusammen - letztlich ist es dem Casual-Gamer egal, worin er konkret die Zeit investieren müsste, die er eigentlich nicht investieren will. Daran ändert aber auch eine Vertonung nichts, denn lange Texte sind schneller gelesen als angehört. Vertonung ist wichtiger für das für Konsoleros, weil der dortige Abstand zum Bildschirm nicht gerade ergonomisch ist, was die Darstellung und das Lesen längerer Texte angeht,

Oblivion war faktisch in 2 Punkten der Vorreiter für das Elend das wir heute als Erfolgsrezepte für ein erfolgreiches Mainstream-RPG haben, zum einen DLCs (Pferderüstungen, Knights of the Nine, usw.) und die Kernelemente an Spielelemneten die jedes moderne Mainstream-RPG haben muss (das aufgezählte schnellreisen per Karte, Questmarker, einfache lineare Quests, Game as a Service mit DLCs, Vollvertonung, möglichst einfaches Skillsystem).

Kein Widerspruch meinerseits. Allerdings konzentrierst du dich gerade mehr auf das Vermarktungskonzept, wodurch etwas untergeht, dass Oblivion trotz aller Vereinfachungen immer noch deutlich mehr Einarbeitung erforderte als Skyrim, wenn man immersiv spielen wollte - und das auch *konnte*. In sofern ist es ein gutes Beispiel dafür, wo Bethesda allerspätestens hätte aufhören sollen, das alternativlose Downdumbing voranzutreiben.
Ja, Oblivion war bereits für Casual-Gamer zugänglich, weil diese die Option hatten, viele komplexe Funktionen einfach zu ignorieren. Da wurden dann eben ein paar wesentliche Skills gemaxt und der ganze "verwirrende" Rest einfach ignoriert, während man als Vertreter einer generischen Standard-Klasse bei Schwierigkeitsgrad "Adept" und kleiner durch das Spiel geholzt ist. Wer das jedoch nicht wollte, konnte noch recht feinstufig bestimmen, wohin die Charakterentwicklung und somit die Spielstrategien gehen.

Skyrim bot übrigens auch nicht noch weniger klassische CRPG Elemente, ehr im Gegenteil im Vergleich zu Oblivion bot es sogar geringfügig mehr, durch den Umstand dass das Skillsystem wieder etwas aufgebohrt wurde

Haben wir das selbe Spiel gespielt? Vanilla-Skyrim hat kein reines Skillsystem, sondern schon eher ein Perk-System, wie man es später in Reinkultur bei FO4 gesehen hat. Man bestimmt durch die Punktvergabe (Verteilt werden muss nur ein Punkt pro Levelaufstieg!) nicht feinstufig, was der SC kann, sondern grobstufig, wie stark bestimmte Aktionen auf NPCs oder die Spielwelt wirken und ob besondere Effekte auftreten.
Das hat manchmal Überschneidungen zu einem Skillsystem, ist aber nicht identisch mit einem solchen. Beispielsweise können +20% Schaden im One-Handed-Perktree an bestimmten Stellen den selben Effekt haben wie die Vergabe von einem oder eher mehreren Punkten auf bestimmte Waffenskills, ist jedoch nicht dasselbe.

Ich halte das übrigens für sehr unsauber von der Spielmechanik her und häufig dem Balancing unzuträglich. Skills regeln eine lineare Steigerung durch Training, Perks sollten davon weitestgehend entkoppelt bestimmte Sondereffekte steuern: Es soll ja beispielsweise schon vorgekommen sein, dass jemand, der gerade so weiß, wo bei einem Dolche hinten und vorne ist, trotzdem jemanden die Femoralarterie durchtrennt hat.

[...] Eingesparte Entwicklungskosten + 250.000 Käufer aus dem Mainstream die du mehr erreichst wiegen die 250.000 Core-Gamer die es dann nicht kaufen wieder auf, am Ende hast du deinen Umstatz erhöht, da du dir mehr Markt erschlossen hast.

Das ist mir schon klar, wie ich inzwischen übrigens auch schon zweimal schrieb. Wenn ich irgendwann einmmal einen Papagei brauche, wirst du sofort eingestellt. ;)
Es ändert jedoch nichts daran, wie man das bewertet, wenn man zufällig einer der 250.000 Core-Gamer ist, nicht wahr?

Zudem ist deine Rechnung nicht ganz stimmig, denn natürlich will Bethesda eben nicht 250.000 Käufer verprellen und 500.00 dazugewinnen. Sie wollen die 250.000 Käufer behalten *und* 500.000 (besser noch mehr) dazugewinnen. Das Ergebnis sind dann halbarschige Produke, die nicht Fisch und nicht Fleisch sind, weil sie großmundige Versprechen an die Fanbase zumindest im "Schaut mal, wir haben's immerhin andeutungsweise versucht"-Rahmen erfüllen wollen.

Hinzu kommt die Marktsegmentierung: Reine ARPGs mit rudimentären Cahrakterupgrades sind jetzt nicht gerade selten, da tritt man gegen zunehmend starke Konkurrenz an, gegen die auch eine etablierte Marke nicht unbegrenzt ankommen kann - insbesondere nicht dann, wenn diejenigen aussteigen, deren Kaufkraft die Marke überhaupt erst etabliert hat. Bethesda ist da etwas in der Zwickmühle, denn ihre Produktionen sind bei der angestrebten Zielgruppenerweiterung nicht nur zu komplex, sondern auch zu bieder. Vereinfachen geht schnell, aber für eine zeitgemäß "coole" Inszenierung fehlt den Teams von TES und FO das Händchen, wie jüngste Beispiele mal wieder gezeigt haben.

Das ist der Punkt, an dem eine Marke sich entweder zurückbesinnt, sich komplett umkrempelt oder verschwindet. Ich weiß, dass die letzten beiden Varianten wahrscheinlicher sind, hoffe aber dennoch auf die erste.
 
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