Fakten kommen aber nur zur Geltung, wenn explizit ein zeitgetreues Spiel versprochen wurde.
Das Geschichtsbild wird eben auch, bzw. vorallem, durch solche Spiele oder auch Filme usw. geprägt. Besonders bei Leuten, die sich nicht soviel damit befassen. Das ist eben eine Tatsache, um die man nicht herumkommt.
Anno orientiert sich an der entsprechenden Epoche, aber mehr auch nicht. Sie haben schon immer Anpassungen nach deren Gusto gemacht.
Das Problem ist, dass viele dieser Anpassungen das Geschichtsbild verändern und Mißstände glattschleifen.
Anno verniedlicht das gesamte Problem der Sklaverei, die damals einfach dazugehörte. Die Jornalaeros waren in Wirklichkeit Sklaven. Das löst das Problem, dass man den Spieler nichts zum Sklaventreiber machen möchte, zwar elegant, weckt jedoch den Eindruck, dass damals alle super miteinander ausgekommen sind. Genauso wird das Thema Rassismus so behandelt, als wären schon damals alles so, wie wir es uns heute Wünschen würden. Tatsache ist, dass es eigentlich keine Schwarzen, an irgend einer Universität gab, sie wurden diskriminiert und zwar absolut. Es gab zwar z.B. einen Schwarzen, der Ende der 1800er in der Elitemilitärakademie Westpoint studiert hat, aber der hatten einen absolut unbezwingbaren Willen, den brauchte er auch, denn er wurde gemobbt, wo es nur ging, die absolute Ausnahme. Genauso bei Frauen, fast keine hatte in einer normalen Universität studiert. Ziel der Bildung bei Frauen war es, dass sie dem Ehemann nicht zu sehr als Dummchen auf die Nerven gingen. Es gab tatsächlich ein paar Frauen, die regulär studierten, aber das waren extrem wenige, die einen titanischen willen und extreme Fertigkeiten besaßen sowie besonders wichtig, eigentlich immer aus reichem Hause stammten und einen verständnisvollen Vater oder Ehemann hatten, der ihnen mit seiner Macht die Steine aus dem Weg räumte. Der Normalfall, für Frauen, war, dass sie ihre Karriere am Herd verfolgten. Last but not least haben in den Kriegen eigentlich nur Männer gekämpft (es gab nur sehr wenig Ausnahmen) ob die wollten oder nicht (letzteres war meist der Fall), Anno vermittelt das Bild, dass es etwa 50/50 war.
All diese unangenehmen Tatsachen werden geleugnet oder glatt geschliffen.
Wann immer ein Spiel in der Vergangenheit spielt, stellt sich das Problem. Wobei es um so irrelevanter wird, je weiter zurück das ganze liegt. Wenn das alte Ägypten falsch dargestellt wird, dann macht das nicht viel, es spielt für heute keine Rolle. Wenn jedoch Rassismus und die Unterdrückung der Frau geleugnet werden, sie es schon anders aus.
Selbst Wolfenstein hat damit ein Problem, wobei es dort Vorbildlich gelöst wurde, zumindest in der englischen Version. Die jüdische Mutter des Helden wurde in einem Vernichtungslager der Nazis ermordet, daher kommt sein Hass auf diese, den jeder nachvollziehen kann. Die letzten Juden sollen da in Vernichtungslager transportiert werden und die Nazis sind miese Sadisten, denen der Spieler den Tod wüscht. Insgesamt ist alles gut dargestellt, obwohl extrem fiktiv, wird nichts verharmlost. In der deutschen Version Version ist die Mutter in einem mexikanischen Gefängnis verschwunden, aus den Juden wurden Verräter und die Nazis "das Regime", dem die meisten Zähne gezogen wurden. Übrig bleibt das Monumentale, das "dem Regime" schon fast etwas kultiges gibt. Es wurde also das genaue Gegenteil, vom beabsichtigten erreicht.
Warum hat sich denn keiner von euch über die ganzen Luftschiffe in der Arktis aufgeregt? Oder die merkwürdigen Waren, die Expeditionen Boni geben oder dass alle die gleiche Sprache sprechen?
Weil diese die Geschichte und damit das Geschichtsbild, nicht in wichtigen Punkten verfälschen. Wobei die Luftschiffe sogar einigermaßen realistisch sind, wenn man bedenkt, dass Anno 1800 in der Zeit etwa bis 1910 geht.
Anscheinend denken die Entwickler ja zum Glück, dass die meisten Menschen den DLC positiv auffassen werden und nicht auf die paar Kreischer hören, die sich künstlich über Kleinigkeiten aufregen.
Geschichtsfälschung ist eben keine Kleinigkeit und sollte auch so benannt werden.