Nutzt alles nix, wenn die Nervenleitgeschwindigkeit zu gering ist
Gruß T.
Damit hat Tolotos66 einen wesentlichen Aspekt bereits angerissen; hinzu kommt die Reaktionszeit. Späße wie 240Hz-Monitore sind ausschließlich dem Marketing zuzuschreiben und haben keinerlei Einfluss auf die Erfolgswahrscheinlichkeit.
Die Physiologie ist hier der begrenzende Faktor, auch wenn Hersteller gerne versuchen, den Vorteil noch höherfrequenter Monitore mit wissenschaftlichen Artikeln zu untermauern, die aber i. d. R. aus dem Zusammenhang gerissen sind und einzelne physiologische Apskete untersuchen und nicht mehr die gesamte Wahrnehmungs/Reaktionskette (so zuletzt von mir bei ASUS gesehen). Markige, pauschale Sprüche wie "
Jeder Frame zählt" sind ausgemachter Blödsinn.
Eine hohe Frequenz ist zum einen relevant für einen flüssigen Bildeindruck. Dieser ist jedoch individuell verschieden. Einige wenige Personen sehen ab bereits 60 Hz keinen relevante Veränderung mehr, andere benötigen deutlich mehr, so bspw. 90 Hz.
Vorab einige Zahlen:
60 Hz -> 16,7 ms/Frame Darstellungszeit
90 Hz -> 11,1 ms/Frame
120 Hz -> 8,3 ms/Frame
144 Hz -> 6,9 ms/Frame
240 Hz -> 4,2 ms/Frame
Im Spitzensport wird alles unterhalb von 100 ms Reaktionszeit als Fehlstart interpretiert, schlicht, weil diese Zeiten nicht unterschreitbar sind. Unterschreitet ein Athlet bspw. auf dem Startblock diese Zeit, so hat er den Startschuss (korrekt) antizipiert und seine Starthandlung bereits vorab eingeleitet.
Hinzu kommt, dass es sich hierbei nur um Einfachreaktionen handelt, d. h. eine sehr einfache, sensorische Eingabe (bspw. visuell oder akustisch) und darauf folgt eine einfache, einzelne, immer gleiche Handlung (bspw. losrennen, abspringen, usw.).
Obiges Sportszenario trifft jedoch bereits bei Weitem nicht mehr auf typische Computerspiele zu. Die sensorische Eingabe ist deutlich komplexer, so bspw. eine komplexe Akustik (Schritte in Hintergrundgeräuschen wie Wind, Schüssen und Explosionen und zudem der Teamchat, etc.) eines herannahenden Gegners oder aber zwei, drei Pixel in einer Fülle von über 2 Mio. Pixeln, die auf das Erscheinen eines möglichen Gegners hinter einer virtuellen Wand hindeuten (zudem eine komplexe Grafik und möglicherweise schlechte Kontraste aufgrund der aktuellen Szene, etc.).
Auch handelt es sich hierbei um keine Einfachreaktionen mehr, d. h. die Reaktionszeiten steigen beträchtlich. In einem Shooter wägt man ab, ob man angreifen oder in Deckung gehen soll, wie viel Munition hat man noch im Magazin, taugt die aktuell in der Hand befindliche Waffe für einen Langstreckenschuss, ist überhaupt Deckung verfügbar, die man rechtzeitig erreichen könnte, macht ein in Deckung gehen überhaupt Sinn, da die eigenen Lebenspunkte derzeit niedrig sind und die Gameengine dieses Handicap (Verletzung) in Form einer etwas langsameren Bewegung umsetzt, usw.?
Ein weiterer Punkt ist, dass es physiologisch grundsätzlich eine inhärente Streuung in der Signalverarbeitung eines jeden Ereignisses gibt, die anscheinend den grundlegenden Prozessen der Nervenanregung innewohnt, d. h. man kann niemals über gleiche Ereignisse die exakt gleichen Reaktionszeiten erzielen. Auf eine durchschnittliche Reaktionszeit von 200 ms kommen bis zu 100 ms völlig unbeeinflussbare Streuung pro Ereignis. (Und je komplexer die Entscheidung wird, desto länger wird die Reaktionszeit, die sich dann eher in Richtung 300 - 400 ms verschiebt.)
Weiterhin hinzu kommt, dass man die Übertragungsmechanismen durch Training nicht beeinflussen oder gar verbessern kann. Man kann lediglich an den zusätzlichen Faktoren "schrauben", die die insgesamt wahrgenommene Reaktionszeit ausmachen. So kann man eine Map auswendig lernen und muss nicht erst wahrnehmen, wie/wo welche Deckungsmöglichkeiten bestehen oder man verringert seine möglichen Antworten von bspw. 6 Auswahlmöglichkeiten auf pauschal 2 (schießen oder wegrennen) ohne weiteres Abwägen, etc.
(Eine weitere Option ist, dass man sich an bestimmten Stellen antrainiert, auf was man zu achten hat, hinter welchen Ecken der statistischen Wahrscheinlichkeit nach besonders häufig Gegner lauern, aber das hat nichts mit der echten Reaktionszeit zu tun, sondern nur damit, dass man seinen Fokus einschränkt (was auch nach Hinten losgehen kann, daher statistische Wahrscheinlichkeit
), die Ablenkung verringert und somit potentiell frühzeitig reagieren kann. )
Schlussendlich bleibt festzuhalten, dass hochfrequente Monitore derart kurze Frametimes haben, sodass alleine bereits auf die inhärente Reaktionsstreuung bezogen unkontrollierbar viele Frames an einem vorbeiflackern, ohne dass man darauf reagiert. Aktuelle Gaming-Monitore haben 120/144 Hz als Standardfrequenz, für 240 Hz-Monitore gibt es jedoch nicht wirklich eine sinnvolle Begründung. Zu besseren Gamern machen einen solche Monitore zweifelsfrei nicht und ebenso unzweifelhaft machen diese den Geldbeutel signifikant schmaler, einerseits für den Monitor selbst und andererseits aufgrund der dafür notwendige Grafikkarte.
Abschließend: Bildwiederholfreuenz ist nicht gleichzusetzen mit (Eingabe)Latenz, was ich hier aber nicht weiter ausführen werden, bis auf vielleicht die kurze Anmerkung, dass auch bereits die Signalprozessoren zur Bildaufbereitung in den Monitoren ihre Zeit benötigen und einige Millisekunden draufschlagen, bis das betreffende Bild dann tatsächlich auf dem Monitor dargestellt wird.
Abschließend zum Zweiten: Man benötigt eine unnötig potente GPU die unnötig viele Pixel ohne nennenswerte Änderungen in der Darstellung immer wieder neu berechnen muss. Zudem verbietet sich ein solches Vorgehen, wenn man grafisch höhere Ansprüche hat, den hohe Auflösungen, Ultra-Settings oder gar Raytracing stehen im direkten Gegensatz zur verfügbaren Rechenleistung auf Consumer-GPUs.