Studie: Nicht Gewalt, sondern Frust in Spielen macht aggressiv - auch Tetris

Weiß nicht, wie das in der Psychologie ist - aber in den Naturwissenschaften wäre es üblich, Hypothesen zu verallgemeinern, verallgemeinert zu überprüfen und dann allenfalls noch im Rahmen von Semester- oder bestenfalls (wenn man Zahlen für einen konkreten Fall braucht) Diplomarbeit zu testen. Aber in einer großen Studie mit vier Autoren und scheinbar einer ganzen Reihe von Experimenten?
Naja, wer das Geld hat...

Das ist jetzt nicht dein Ernst oder? In der Naturwissenschaft werden ständig Daten erhoben um bereits bekannte Hypothesen zu überprüfen, untermauern, anzupassen. Auch in den Naturwissenschaften ist Hypothesen-basierte Forschung nicht die einzige Art der Forschung (zum Glück, sonst hätte man vieles das man heute so kennt nie entdeckt).


Ich kenne die Fachtermine von Psychologen nicht exakt (und habe in Arbeiten, die sich mit menschlichem Verhalten beschäftigen, auch alzu oft festgestellt, dass viele Begriffe nicht wirklich exakt definiert sind), in sofern sorry für die unkorrekte Verwendung.
Es ist aber definitiv zu Unterscheiden zwischen der Aggessivität einer Person, d.h. einen befristeten emotionalen Zustand mit einer konkreten Ursache, der u.a. einen Trieb zur Schädigung anderer (nicht zwingend Personen, nicht zwingend Gewalt, möglicherweise in andere Aktivitäten umleitbar) verursacht; und einer im Character verankterten Hemmschwelle, die sich über lange Zeiträume in Interaktion mit der persönlichen Umgebung (einschließlich virtueller Einflüsse), deren Normen und wiederkehrender Ereignisse/Handlungen herausprägt.

Auch hier wirfst du wieder die unterschiedlichsten Theorien in einen Topf und mengst kräftig mit viel Halbwissen herum um ein dir genehmes Argument zu konstruieren. Klar sind das alles berechtigte Fragen, aber bei der Erforschung vom Verhalten des Menschen lassen sich nicht bestimmte Bereiche so bequem und exakt abtrennen. Triebtheorien (als Erklärung für "charakterliche Eigenschaften") gelten aus wissenschaftlicher Sicht als überholt (Nichts was Freud und Konsorten behauptet haben lässt sich auch beweisen). Charaktertheorien sind bis auf generelle Tendenzen wie bei den Big 5 nicht empirisch nachweisbar oder messbar. Zu behaupten jemand ist aggressiv ist letztlich eben ausschließlich über den einen Parameter den du hier nur als Teilparameter gelten lassen willst wirklich messbar, nämlich der Bereitschaft (und auf diese Bereitschaft können wir auch immer nur über Indizien sog. Operatoren schließen, die tatsächliche Bereitschaft lässt sich nunmal nicht messen, sie ist und bleibt ein psychologisches Konstrukt und als solches natürlich immer angreifbar, aber das ist - wie wir wissen - jede wissenschaftliche Theorie auch in den "Naturwissenschaften") situational und/oder überdauernd (was sich auch nicht so trennen lässt wie du es gern hättest) auf aggressive Handlungsweisen zurückzugreifen.

Es bestreitet auch keiner, dass man möglicherweise bei der Operationalisierung oder der Erhebung solcher "Eigenschaften" eines Menschen noch einmal auf erhebliche Probleme stößt.

In der Psychologie findet man ja auch keine Gesetze wie in der Physik, die universal gelten (wobei man eben auch dort ständig neue Phänomene findet, die sich den bekannten physikalischen Gesetzen entziehen). Erkenntnisse der Psychologie gelten immer für einen Durchschnitt in bestimmten Populationen und nicht für alle Menschen immer und überall. Trotz allem hat die Psychologie aber verblüffende Möglichkeiten Vorhersagen über menschliches Verhalten zu treffen, die (im Schnitt) sehr zuverlässig zutreffen.

Natürlich hängt die tatsächliche Ausübung von Gewalt vom Verhältnis der beiden ab. Aber hier wurde nicht die tatsächliche Ausübung untersucht, sondern die Schmerzempfindlichkeit als Proxy für die Aggression verwendet (letztlich dürfte es eher das Testosteronlevel sein) und dies auch nur kurzfristig nach einem singulären Einfluss. Von einer Kreuzanalyse der Hemmschwelle einzelner Personen lese ich dagegen nichts.

Das ist aber eben der Punkt, wenn sie von beiden abhängt dann ist jetzt zu klären wovon die Gewalt nun stärker abhängt. Bislang hat man behauptet die in Spielen dargestellte Gewalt sei der dominante Faktor. Diese Studie liefert einen ande, dass das mitunter gar nicht stimmt, sondern ein anderer Grund dafür verantwortlich ist. Auch habe ich ganz klar gesagt, dass eine Korrelation der beiden erst noch durchzuführen ist und nie davon gesprochen, dass die hier vorliegende Studie die anderen Studien bereits widerlegen würde.

=> diese Studie hat keinerlei Aussagekraft über die Hypothese, dass gewaltätige Spiele die Hemmschwelle für Gewalt senken. Sie beschränkt sich allein auf die Korrelation Frust->Aggressionslevel. Und stellt fest, dass Frust aufgrund von Computerspielen sich hier nicht anders auswirkt, als unzählige andere Frustquellen. Imho ein wirklich winziger Erkenntnisgewinn.

Das geht schon über eine Korrelation hinaus. Hier wird schon ein kausaler Zusammenhang postuliert, dass Frust der Grund für Aggression sei. Dass man aufgrund anderer Erkenntnisse diese Hypothese schon vor einer empirischen Überprüfung hatte ist nicht weiter verwunderlich (und wohl auch für die Forscher keine Überraschung). Und wie ich bereits dargelegt habe, hat die Studie sehr wohl Aussagekraft über die andere Hypothese, wenngleich auch bislang nur indirekt.

Das schwierigste an Experimenten in Bezug auf menschliches Verhalten ist das ausschließen von Störvariablen. Soweit mir bekannt hat man bei bisherigen Studien (die im Übrigen sowieso methodisch meist unter aller Sau sind, da die These "Gewalt in Computerspielen setzt Hemmschwelle herab" initial eher über Polemik entstanden ist) den Einfluss von Frustration aufgrund des Schwierigkeitsgrades nicht berücksichtigt. Um für dich das mit den Naturwissenschaften an Popper's berühmtem Beispiel zu erklären: Studie A: Alle SChwäne die wir gefunden haben sind weiß. Wir generalisieren mal vorläufig: Alle Schwäne sind weiß. Studie B: Wir haben einen schwarzen Schwan gefunden.
So jetzt ist zu klären was das für das vorher postulierte Gesetz bedeutet (in dem Beispiel sehr einfach, da die Schwäne eben doch in der Regel weiß sind). Im hier diskutierten Beispiel aber extrem schwierig, da es theoretisch sein könnte, dass die Gewaltdarstellungshypothese komplett von der Frustrations-Aggressions-Hypothese überlagert wird und Gewaltdarstellung überhaupt keinen Effekt hat, sondern dieser aus der Frustration resultiert.

Bitte diesmal hypothetische Formulierungen auch als solche erkennen. Die neue Studie beweist nicht, dass die alte falsch ist. Sie legt nur nahe, dass sie möglicherweise nicht alleinig zutrifft und man daher neu nachprüfen muss.

PS: Im Übrigen zählt Psychologie in ihrer modernen Form fast nur noch zu den Naturwissenschaften (oder gibt es noch Unis die Psychologie als GeWi sehen und Psychoanalyse lehren?). Trotzdem kämpft sie natürlich mit bestimmten Schwierigkeiten die Naturwissenschaften aber genauso haben, nämlich immer dann wenn man versucht sehr komplexe Systeme (wie den Menschen oder das Gehirn oder Quanten oder das Klima) zu beschreiben. Als Beispiel hierfür nennen wir die Klimaforschung, bei der es ja trotz aller Exaktheit der Messdaten nach wie vor unmöglich ist genau zu bestimmen was nun der Grund für den Klimawandel ist, und selbst wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit (auch) von einem anthropogenen Grund auszugehen ist, dann bleibt die Frage wie gewichtig dieser Grund im Vergleich zu anderen Gründen ist nach wie vor ungeklärt (und ist vielleicht für den Menschen überhaupt nicht exakt klärbar).
 
Zuletzt bearbeitet:
Das geht schon über eine Korrelation hinaus. Hier wird schon ein kausaler Zusammenhang postuliert, dass Frust der Grund für Aggression sei. Dass man aufgrund anderer Erkenntnisse diese Hypothese schon vor einer empirischen Überprüfung hatte ist nicht weiter verwunderlich (und wohl auch für die Forscher keine Überraschung). Und wie ich bereits dargelegt habe, hat die Studie sehr wohl Aussagekraft über die andere Hypothese, wenngleich auch bislang nur indirekt.

Das schwierigste an Experimenten in Bezug auf menschliches Verhalten ist das ausschließen von Störvariablen. Soweit mir bekannt hat man bei bisherigen Studien (die im Übrigen sowieso methodisch meist unter aller Sau sind, da die These "Gewalt in Computerspielen setzt Hemmschwelle herab" initial eher über Polemik entstanden ist) den Einfluss von Frustration aufgrund des Schwierigkeitsgrades nicht berücksichtigt. Um für dich das mit den Naturwissenschaften an Popper's berühmtem Beispiel zu erklären: Studie A: Alle SChwäne die wir gefunden haben sind weiß. Wir generalisieren mal vorläufig: Alle Schwäne sind weiß. Studie B: Wir haben einen schwarzen Schwan gefunden.
So jetzt ist zu klären was das für das vorher postulierte Gesetz bedeutet (in dem Beispiel sehr einfach, da die Schwäne eben doch in der Regel weiß sind). Im hier diskutierten Beispiel aber extrem schwierig, da es theoretisch sein könnte, dass die Gewaltdarstellungshypothese komplett von der Frustrations-Aggressions-Hypothese überlagert wird und Gewaltdarstellung überhaupt keinen Effekt hat, sondern dieser aus der Frustration resultiert.

Hey: Ich sag nicht, dass es leicht wäre, eine Aussage über die ältere Hypothese zu machen. Ich sage nur, dass eine Studie, die Messungen unmittelbar nach dem Spielen durchführt, keine Aussagekraft über die langfristige Charakterentwicklung hat. Und dabei ist es vollkommen egal, welche Theorien man warum über den zugrunde liegenden Mechanismus hat und ob es einen fließenden Übergang zwischen kurzfristigen Effekten und langfristigen Änderungen gibt (was nichts ungewöhnliches wäre). Aber ich kann mit einer Studie März nicht die These "männliche Stockenten haben braunes Gefieder" allgemein beurteilen oder auch nur wiederlegen.

PS: Im Übrigen zählt Psychologie in ihrer modernen Form fast nur noch zu den Naturwissenschaften (oder gibt es noch Unis die Psychologie als GeWi sehen und Psychoanalyse lehren?). Trotzdem kämpft sie natürlich mit bestimmten Schwierigkeiten die Naturwissenschaften aber genauso haben, nämlich immer dann wenn man versucht sehr komplexe Systeme (wie den Menschen oder das Gehirn oder Quanten oder das Klima) zu beschreiben. Als Beispiel hierfür nennen wir die Klimaforschung, bei der es ja trotz aller Exaktheit der Messdaten nach wie vor unmöglich ist genau zu bestimmen was nun der Grund für den Klimawandel ist, und selbst wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit (auch) von einem anthropogenen Grund auszugehen ist, dann bleibt die Frage wie gewichtig dieser Grund im Vergleich zu anderen Gründen ist nach wie vor ungeklärt (und ist vielleicht für den Menschen überhaupt nicht exakt klärbar).

Alle experimentellen Wissenschaften kämpfen mit dem Problem, dass ihre Aussagen letztlich statistische Wahrscheinlichkeiten sind, das stimmt. Im Gegensatz zur Physik mit i.d.R. >99% Sicherheit oder der Biologie (und auch Klimawissenschaften) mit oftmals >95%, verzichten Psychologen afaik sogar oft darauf, ein Signifikanzniveau anzugeben. Ganz abgesehen davon, dass sehr viele psychologische Studien aufgrund ihrer Testpopulationen eine verdammt geringe Aussagekraft haben (diese Studie hier z.B. macht keine Aussage über "Menschen", sondern über "Studenten, die sich auf einen Aushang mit diversen weiteren Kriterien gemeldet haben") - sich aber regelmäßig an Aussagen versuchen, die weit darüber hinaus reichen.

Das soll jetzt auch kein Vorwurf an Psychologen sein, denn normalers naturwissenschaftliches Vorgehen am Versuchsobjekt "Mensch" wäre schlichtweg ethisch inakzeptabel. Aber wer de facto Ethologie betreibt, ist einfach sehr beschränkt in der Präzision und Detailtreue seiner Ergebnisse. Bei anderen Arten ist man froh, wenn man erklären kann, wie sie ihre Rangordnung etablieren - und beim ungleich komplexeren Menschen will man mit naturwissenschaftlichen Methoden präzise herausfinden, wie sich kleine Änderungen im Regelwerk einer komplexen virtuellen Welt auf sein Verhalten in einer noch komplexeren realen Welt auswirken?
Have fun.
Ein soziolwissenschaftlicher Ansatz mit Befragungen ist manchmal einfach die bessere Herangsgehenweise, trotz aller Subjektivität dieser "Mess"Methode.


Davon abgesehen: Ja, es gibt immer noch Unis, bei denen die Psychologie der geistes- oder sozialwissenschaftlichen (oder auch der medizinischen) Fakultät zugeordnet ist. Wobei sich mir persönlich die Bedeutung so einer Zuordnung ohnehin noch nie erschlossen hat. Schon die von Themen zu Fächern ist oftmals fragwürdig.
 
Zurück