Ob man die Entwicklung nun gut oder schlecht findet, ist eine andere Frage. Ebenso wie bei der Spieledistribution (Exklusivtitel für verschiedene DRM-Plattformen), der Netzneutralität (schnellere Internetverbindungen für Premiumanbieter) kann man es sicherlich auch im Versandhandel gut heißen, wenn einzelne Anbieter durch Exklusivprogramme den Markt fragmentieren und einen Kundenstamm eng an sich binden.
Privat bevorzuge ich in allen drei Fällen klar einen offenen Wettbewerb, bei dem der Kunde jeden Kauf unabhängig von vorrangehenden tätigt. Insbesondere kleine Anbieter überleben es nun einmal nicht, wenn die potentielle Kundschaft schon fest an ein marktbeherrschendes Unternehmen gebunden ist. Leider ist nicht immer der größte oder erste Anbieter mit einer Idee auch das Beste für den Kunden (siehe Microsoft).
Dann müsstest du aber (privat) auch kosequent gegen jegliche Abonnements sein. Denn das ist auch harte Kundenbindung, zumal wenn der Verlag eine monatliche Kündigung ausschließt. Offener Wettbewerb würde bedeuten, dass ich jeden Monat selbst entscheiden kann, welches Magazin ich kaufen möchte. Habe ich ein Abonnement, dann tendiere ich natürlich eher dazu, bei einer Lösung bzw. einem Produkt zu bleiben. Das gilt für Prime ebenso wie für das Abonnement eines Magazins...
Außerdem kommt Amazons Marktmacht ja nicht von ungefähr. Sie liegt imo vor allem darin begründet, dass sie besser ist als der restliche Markt - und das mit einigem Abstand. Amazons Erfolg ist damit nicht nur den eigenen Bestrebungen um Kundenbindung zu verdanken, sondern vor allem auch dem Versagen bzw. dem Versäumnis der restlichen Marktteilnehmer. Warum bietet eigentlich sonst niemand einen Service wie Prime an? Diese Frage muss man imo stellen, bevor man mit dem Finger auf Amazon zeigt. Im Zeitschriftenmarkt funktioniert es ja auch, da haben sich mittlerweile alle Teilnehmer damit abgefunden, dass es harte Kundenbindung durch Abonnnements gibt und es macht jeder so.
Trotzdem muss man stark zwischen Kundenbindung und tatsächlicher Einschränkung des freien Wettbewerbs unterscheiden. Letzteres macht Amazon nämlich nicht. Sie zwingen keine Hersteller dazu, Produkte exklusiv nur für Prime-Kunden anzubieten und gleichzeitig nirgendwo sonst. Das wäre ein wirklicher Missbrauch der Marktmacht, der wahrscheinlich auch die Wettbewerbshüter auf den Plan rufen würde. In seiner jetzigen Form ist Prime einfach ein "value added service" und damit eine Marktinnovation im Sinne des Kunden! Ich meine, der Erfolg gibt dem ganzen Programm doch recht? Es wird niemand dazu gezwungen, Prime zu abonnieren. Man kommt auch prima ohne zurecht (was übrigens den Vergleich beispielsweise mit Steam auf dem PC-Markt ein wenig schwierig macht, da man hier tatsächliche Konsumbeschränkungen auf nur einen einzigen Shop hat).
Also wenn du mich fragst, hat Amazon hier nichts falsch gemacht, wohl aber alle Mitbewerber, die es so weit haben kommen lassen. Was kann denn jetzt Amazon dafür, dass die Mitbewerber derart inkompetent (im Vergleich) sind. Amazon hat sich seinen Vorsprung vor allem durch technische Innovationen (Shopsystem!) und durch Marktinnovationen (konsequente Ausrichtung auf schnelle Lieferung und Prime) imo fair erarbeitet. Und wie gesagt, die Nachfrage der Kunden gibt ihnen recht.
Aber es ist wahr, dass die moderne Welt inzwischen Märkte produziert, in denen kleine Anbieter nur dann eine Chance haben, wenn sie entweder irgendwas deutlich besser können als die großen Player oder wenn sie eine kleine Nische abdecken, die für die großen Player unrentabel sind. Und selbst dann kommt es oft dazu, dass kleine Firmen einfach aufgekauft werden. Das ist Marktkonsolidierung in Zeiten der Globalisierung, mit all den Vor- und Nachteilen. Klar erlauben wir somit Firmen mehr Macht und Kontrolle und ebnen damit auch den Weg für Missbrauch. In diesen Fällen ist vor allem der Staat bzw. die Öffentlichkeit gefordert. Gleichzeitig drücken wir so die Preise (durch Skaleneffekte und geringere Transaktionskosten) und die generelle Verfügbarkeit, was letztlich allen Kunden zugute kommt. Ich sehe diese Entwicklung einfach als natürliche Folge einer immer enger zusammen wachsenden Welt und dem dadurch steigenden Absatzmarkt, der praktisch zwangsläufig zur Dominanz großer Konzerne führt. Solange prinzipielle Regeln des Wettbewerbs (und Gesetze) eingehalten werden, sollten wir uns daran gewöhnen und das Beste daraus machen. Zumal es eben nicht immer alles nur pauschal schlecht ist.