Blog Alkis Blog #30 - „Was zieht der denn jetzt?!?“

Incredible Alk

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Viele Monde sind vergangen und die freie Zeit, die Blogliste zu erweitern wird wie ich bemerke mit zunehmendem Lebensalter immer weniger. Die 30 wollte ich dieses Jahr aber in jeglicher Hinsicht noch vollmachen – beim Alter hats ja leider bereits geklappt, nun dann endlich auch hier.

Diesmal möchte ich gerne ein paar Informationen über Stromverbrauch und Temperatur von (übertakteten) Chips verbreiten bzw. mir wie immer das Leben erleichtern wenn ich bei den häufig im Forum gestellten Fragen einfach hierher verlinken kann statt alles nochmal zu tippen.
So kommen häufig Fragen auf wie „Wie viel verbraucht meine auf x,yz GHz übertaktete CPU denn jetzt (mehr)? Oder „Wie heiß wird CPU X bei Takt Y?“

Nun ist es leider so, dass diese Fragen, wenn man sie einigermaßen umfänglich beantworten wollte, viele Seiten Text erfordern würden und ein gewisses physikalisches Hintergrundwissen des Lesers unerlässlich ist wenn man etwas detaillierter wird – was zur Folge hat, dass die Antworten in den Threads zumeist sehr rudimentär ausfallen und wenig weiterhelfen oder gar noch mehr verwirren wenn Standardantworten auf den speziellen Fall gar nicht passen. Der Blog hier soll dazu dienen, zumindest etwas Klarheit in die Thematik zu bringen und dabei verständlich für „normale“ Menschen zu bleiben, die nicht unbedingt Physik studiert haben… so GANZ auf Mathematik kann ich aber nicht verzichten. Keine Panik, es bleibt dahingehend möglichst simpel. Ich gebe mir Mühe, wirklich! ;-)

Zunächst möchte ich ein paar Begrifflichkeiten und Randbedingungen erläutern wo erfahrungsgemäß Verwirrungspotential herrscht. Für die meisten Menschen ist es anfangs schwierig zu unterschieden zwischen „heiߓ, „Temperatur“, „Abwärme“, „Watt“, „Energie“ und so weiter – es ist aber wichtig diese Unterschiede grundlegend zu verstehen da sonst alles weitere keinen Sinn ergibt. Daher ein kurzer Ausflug:

Alles worüber wir hier reden, dreht sich um Energie. Die Physik kennt davon viele verschiedene Formen (Bewegungsenergie, Wärmeenergie, Lageenergie, …), die ineinander umgewandelt werden können – gemessen wird das alles in Joule. Bei unserer CPU wird elektrische Energie quasi vollständig in Wärmeenergie umgewandelt (andere Effekte sind sehr, sehr klein und vernachlässigbar). Praktisch gesehen: Wer seinen PC ein paar Stunden an hat erhöht seine Stromrechnung und erhält dafür ein etwas wärmeres Zimmer. Soweit noch simpel, oder?

Verknüpft man das nun mit Zeit, so erhält man Leistungen, denn Energie bzw. Arbeit pro Zeiteinheit ist Leistung – und die Einheit dafür das bekannte Watt (= Joule pro Sekunde). Je mehr davon in die CPU (und wieder heraus) fließen, desto schneller geht die Stromrechnung und die Zimmertemperatur nach oben. Immer noch simpel. Jetzt wo die Einheiten und deren Bedeutungen klar sind bemerkt der eine oder andere vielleicht, dass man korrekterweise bei seinem Stromanbieter für eine Menge an Arbeit zahlt und nicht für Leistung/Watt… denn die bekannten „Kilowattstunden“ sind 1000xWattx3600s = 3.600.000 Joule Arbeit. Bis hierher alles nachvollzogen? Und mal realisiert dass man für 25-30 Cent 3,6 MJ Arbeit in perfekt nutzbarer Form kaufen kann? Das ist genug, um einen 40 Kg schweren Zementsack auf den Mt. Everest zu heben… oder ~3 Stunden zu zocken mit nem schnellen Spiele-PC… ich wollts nur mal erwähnen dass man mal ne Größenordnung hat wie extrem billig eigentlich der Kauf von Arbeit noch ist- bzw. wie verschwenderisch wir damit umgehen, aber das ist ein anderes Thema.
Aber alles bisher verständlich, oder?

Wunderbar, denn jetzt kommt der zunächst „unlogische“ Teil: Die Temperatur geht zwar nach oben aber die absolute Höhe der Temperatur (von CPU, Zimmer,…) und deren Veränderung hat zunächst NICHTS mit der Leistung in Watt zu tun! „Temperatur“ ist nämlich leider keine Energiemenge oder etwas direkt „umwandelbares“ sondern lediglich eine Eigenschaft eines Körpers die von vielen Faktoren abhängt – was ihre Berechnung sehr aufwendig macht.

Der Grund dafür ist, dass sehr viele äußere und innere Faktoren hier eine Rolle spielen die bei jedem Nutzer anders sind. Natürlich kann man das alles thermodynamisch berechnen, aber um am Ende auf Temperaturwerte zu kommen müsste man Wärmeübergangskoeffizienten, spezifische Wärmekapazitäten, Kennzahlen für Wärmestrahlung, -Leitung, -Konvektion und so weiter für alle am Prozess beteiligten / angeordneten Bauteile haben und in komplizierten Gleichungen miteinander verrechnen/simulieren was natürlich in dem Rahmen unmöglich ist.

Deswegen kann die Antwort auf die oben genannte Frage „Wie heiß wird CPU X bei Takt Y?“ nie genau gegeben werden sondern nur aus Erfahrung geschätzt werden wenn wichtige Umgebungsbedingungen genannt werden vom Fragenden – was aber zumindest bis auf +/- 10°C üblicherweise ganz gut möglich ist.

Tja… das war wohl eher eine ernüchternde Antwort – wir haben keine Ahnung wie heiß eine CPU wirklich wird. Wir könnens nur abschätzen. Etwas besser siehts aber mit dem Stromverbrauch aus… hier können wir immerhin gute Annäherungen treffen.

Wenn ich hier von „Stromverbrauch“ rede ist das eigentlich nicht korrekt. Erstens kann man Strom nicht verbrauchen und zweitens wollen wir hier ja über Leistungen (Watt) reden und nicht über Verbräuche ((Kilo)Wattstunden). Was zumeist Gegenstand der Diskussionen ist ist ja, wie viel Watt die CPU bei Vollast frisst – es geht also um Leistung, nicht um Verbrauch – was verbraucht wird kann der Nutzer, der nach diesem Blog ja den Unterschied kennt, sich dann selbst ausrechnen wenn er die Leistung kennt und auf die Uhr schaut wie lange die Vollast angelegt wurde. ;-)

Üblicherweise wird in solchen Threads immer eine Verhältnisrechnung gemacht – zunächst weil sie einfach durchführbar ist aber auch, weil sie für normale Anwendungsfälle auch recht gut die Realität wiederspiegelt. Da wird zu Grunde gelegt, dass die Leistung einer CPU sich linear mit ihrem Takt und quadratisch mit ihrer Betriebsspannung verändert – prinzipiell (zunächst) richtig. Zugrunde gelegt wird dabei die TDP der CPU. Wenn ich beispielsweise einen 6700K von 4 auf 4,5 GHz übertakte und dabei die Spannung von 1,2 auf 1,3v erhöhe ergäbe das folgendes:

P(OC) = P(stock) x [f(OC)/f(stock] x [v(OC)/v(stock)]^2
also
P(OC) = 91 W x (4,5/4) x (1,3/1,2)^2 = 91 W x 1,32 = 120 W

Wenn mans ausprobiert und misst (und dabei Effizienzkurven von Netzteilen usw. berücksichtigt…) wird man feststellen, dass das Ergebnis in etwa hinkommt. Warum aber nur in etwa? Das hat verschiedene Gründe.

Der erste Grund ist, dass de TDP nur eine Einstufung seitens des Herstellers ist und nicht die tatsächliche Leistung der CPU bei Vollast. Eine 91W-TDP-CPU darf natürlich auch nur 70 W verbrauchen – für die 65W-Klasse hats nicht gereicht aber nur weil man „91W“ aufs Etikett schreibt heißt das ja nicht dass die CPU diese dann auch tatsächlich braucht. Das ist am Ende sogar davon abhängig welches Board verwendet wird da verschiedene Boards leicht verschiedene Spannungen ansetzen. Es ist auch davon abhängig welche Art von Vollast man anlegt – ob man nun LinX oder Coredamage oder Prime95 (und da noch versionsabhängig…) nutzt macht teilweise sehr große Unterschiede. Dann ist da noch das Problem, dass der genannte 6700K aus vielen Untereinheiten besteht die verschieden genutzt werden – die iGPU wird von Prime95 etwa gar nicht benutzt. Sogar die veränderten Spannungen gelten ja nicht für die ganze CPU – wir haben nur die vCore erhöht, nicht die Spannungen für beispielsweise den Speichercontroller. Hier ist also schon viel Ungenauigkeit im Spiel.

Der zweite Grund ist, dass die oben genannte Formel nur den dynamischen Verbrauchsanteil der CPU berechnet. Es gibt auch noch einen statischen Teil (auch wenn die CPU nichts berechnet verbraucht sie Strom!), der wesentlich komplizierter zu berechnen ist und auch temperaturabhängig ist (deswegen brauchen kühle Chips bei sonst gleichen Bedingungen weniger Strom als heiße Chips). In „normalen“ Alltags-OC-Regionen ist dieser statische Teil nur verglichen mit dem oben berechneten dynamischen Teil sehr klein so dass er vernachlässigt wird – aber als PCGHX-ler bewegt man sich ja nicht nur im Alltags-OC, oder? ;-)

Je mehr man an die Grenze geht, desto größer ist hier die Abweichung:
2.png

Wenn ich also hingehe, nen Klotz Trockeneis, ein bissl Sprit und nen Kupferpott aufs Mainboard düble und meinen 6700K auf 5,5 GHz bei 1,55v übertakte und dann rechne erhalte ich:
P(OC) = 91 W x (5,5/4) x (1,55/1,2)^2 = 91 W x 2,29 = 209 W

Wenn ich dann messe werde ich aber feststellen, dass die CPU hier weitaus mehr als die berechneten rund 210 W verbrät – hier stimmt die Annäherung einfach nicht mehr – die Realität sind eher Größenordnung 300 W – obwohl die Temperatur und damit die Leckströme sogar wesentlich kleiner sind als bei den luftgekühlten 4,5 GHz oben.

Dann gibt’s da noch ein grundsätzliches Problem – alle diese Berechnungen sind nur Verhältnisrechnungen, keine absoluten Rechnungen. Bedeutet wenn ich die TDP der CPU nicht kenne kann ich nichts machen – denn alles andre liefert mir nur Faktoren, keine absoluten Zahlen! Was man also wirklich bräuchte wäre eine Formel, die aus bekannten Größen (Takt, Spannung, Temperatur,…) den statischen und dynamischen Anteil beschreibt und am Ende eine Zahl in Watt ausspuckt.

Nun, da haben sich viele schlaue Menschen den Kopf zerbrochen und Gleichungen entwickelt, teilweise auf theoretischer Basis, teilweise aber auch einfach durch empirische Messungen bzw. numerische Mathematik. Das aktuell akzeptierteste Modell ist eine Addition aus Restsystemleistung, der statischen Leistung (Poole-Frenkel-Effekt) und der oben beschriebenen dynamischen Leistung. Mathematisch sieht das so aus:
1.png

Der geneigte Betrachter erkennt, dass hier die Größen A, B, C, D vorkommen die keine direkte physikalische Bewandnis wie Spannung oder Temperatur haben. Diese Größen sind schlichtweg Faktoren die von der CPU selbst abhängen, also deren Fertigung, Aufbau usw. – sprich die sind bei jedem CPU-Modell anders.

Um diese Faktoren zu bestimmen brauchts viele Messungen bei kontrollierten Parametern und ein intelligentes mathematisches Verfahren, das die Faktoren dann an die gemessenen Werte möglichst gut annähert. Da es im Netz immer Leute gibt die das schon gemacht haben und unglaublich gut mit MatLAB umgehen können kann man sowas finden – und für einen 2600K sieht das numerische Ergebnis beispielsweise so aus:
3.png


Tja, und was sagt uns das jetzt? Bei der Beantwortung der Frage „Wie viel verbraucht meine auf xy GHz übertaktete CPU denn jetzt (mehr)?“ sehen wir eigentlich auch wieder alt aus. Das „mehr“ lässt sich mit dem dynamischen Anteil zumindest in moderaten OC-Grenzen annähern, den absoluten Wert in Watt können wir aber auch hier wieder nur schätzen. Ohne einen sehr großen Aufwand zu betreiben ist es unmöglich, diese Fragen genau zu beantworten – aus der Ferne durch ein Forum erst recht nicht. Durch die ganzen Ausführungen hier (die mal wieder traditionell viel zu lang geworden sind – gibt wieder nen Keks am Ende für die die das hier noch lesen…) ist aber vielleicht etwas klarer geworden was man sinnvoll abschätzen kann, was nicht und warum das so ist bzw. wo die Probleme liegen.

Achja, wie immer am Ende – bei Fragen, Anregungen, Kritik… Kommentarbereich und so. ;)
 
Moin Alk,
danke für den Text! Das mit der Formel ist super, wollte ich schon lange mal fragen. Hab das mal mit meinem alten Phenom 2 durchgerechnet. 125 W * undervolting von 1,4 auf 1,2 V = "91 Watt TDP", also bissl über 30 Watt runter. Mein Voltcraft3000 zeigte mir knapp 40 weniger unter prime an. Die Rechnung stimmt also.

PS: Die Crux mit der 30 hab ich auch grade abgehakt... bisjetzt keine Nachteile gefunden ;]
 
Bei dir kommt man rechnerisch auf 33 W Differenz netto. Da du mit dem Voltcraft vor dem Netzteil misst und entsprechend den Wirkungsgrad mit berücksichtigen muss wären das (wenn ich mal 85% annehme) rund 39 W Unterschied brutto.

Viel besser kann die Theorie mit der Messung ja gar nicht passen. :D
 
Nachdem ich die 20€-Logitech-Laptop Dinger tatsächlich alle 2-3 Jahre tauschen musste hab ich seit ich glaub 2013 jetzt ne mechanische Tesoro mit MX-Browns... die sollte länger halten (zumindest geht sie noch wie am ersten Tag bisher). :D
 
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