narrenschilf
Komplett-PC-Aufrüster(in)
Wie wir die Kunstform Videospiel ermordet haben. Meine Meinung als Aktionär und Raubkopierer
Hmm. Was soll das werden? Es ist nur meine Meinung. Aber wieso habe ich das Bedürfnis, diese zu veröffentlichen? Heutzutage hat jeder eine Meinung (egal wie schlecht sie ist) und dank dem Internet veröffentlicht sie auch jeder (ja. Egal wie schlecht sie ist). Aber als Aktionär und Raubkopierer sind nun seit einigen Tagen Gedanken in meinem Kopf, die ich gerne teilen möchte. Dieser Beitrag (der explizit eine Meinung ist) soll auch nicht mit dem Finger auf eine Gruppe zeigen und ihr die Schuld an allem geben. Vielleicht ist es für jemanden ein Denkanstoss. Vielleicht ist es für mich die Verifikation, dass ich „alt“ bin und meine Ideale einfach nur falsch.
Wer nicht wissen will, wie meine Meinung zu Stande kommt, sondern sie direkt erfahren will, kann „Die frühen Jahre“ und „Das Internet gibt den Ton an“ überspringen und direkt zu „Der Zerfall der Werte“ springen.
>>Die frühen Jahre<<
Ganz am Anfang gabs für mich Piraterie noch nicht. Wie auch, ohne Internet und mit einer Welt die nach dem kleinen Dorf aufhörte zu existieren? Nicht mal die Games konnte ich selber auswählen, die wurden vom Vater geholt und waren dann auch für die ganze Familie. Ganz primitive Rally-Games. Frühe Kings-Quest Spiele. Nachher dann eine Flut von Spielen von Disney (welche in Retroperspektive erstaunlich gut waren, obwohl sie nur die jeweiligen Franchises melken sollten).
Als ich älter wurde, begann dann auch das Interesse an der technischeren Seite. Was passiert, wenn ich eine CD einfach irgendwo hin kopiere? Das war damals noch recht „heavy“, ein paar hundert MB auf die „Luxusfestplatte“ mit 8GB. Die meisten meiner damals „kopierten Spiele“ haben so natürlich nicht funktioniert
Gelegentlich wurden gebrauchte Spiele gekauft, die ein wenig…naja…suspekt wirkten. Das merkte man aber erst, als die Pakete zu Hause geöffnet wurden. Ebay und Konsorten waren damals nicht so erpicht auf Urheberrecht.
>>Das Internet gibt den Ton an (oder „The original Dubstep“?)<<
Wie es war, als das Internet zu uns ins Haus kam, da könnte ich wohl stundenlang reden. Es ist schon weird daran zu denken, dass ich zu einer Zeit lebte, bei der es absolut normal war, kein Internet zu haben, und in einer Zeit lebe, in der es absolut krank ist, kein Internet zu haben.
Mit dem Internet kam dann auch der eigene PC. OEM-PC. Der nach und nach ersetzt wurde, bis er dann wie Frankensteins Monster aussah, aber das ist eine andere Geschichte. Limewire hatte kurz die Ehre, meinen PC zu verseuchen, danach eMule. eMule war im deutschsprachigen Gebiet irgendwie das non-plus-ultra. Da hat man nach „Rollercoaster Tycoon“ gesucht und viele Ergebnisse gehabt. Viele der Files, die man lud, waren aber Gay-Porn, die einfach in ein Archiv gepackt wurde, das man dann „RollercoasterTycoonFull.zip“ nannte. Im besten Fall hat man zwar das gesuchte Game heruntergeladen, aber eine abgefuckte Sprache. Wie Spanisch oder Russisch. Als eher junge Person kann man kein spanisch oder russisch. Runterladen war aufwändig und ein Abenteuer.
DLC gab es nicht, bzw. es wurde AddOn genannt und war meistens sein Geld wert.
>>Der Zerfall der Werte<<
JDownloader läuft. Ich schaue traurig die Aktienkurse an. „Meinen“ Gameproduzenten geht es nicht gut. Sie fluchen über die Leute, die alles runterladen. Ich schaue in Foren. Leute fluchen über die bösen Spielehersteller mit ihrem Kopierschutz und ihrer DLC-Politik. Ich verlass das Haus, JDownloader muss noch ein wenig runterladen und die Aktienkurse müssen noch ein wenig absacken, da gibt’s nichts zu machen. Dabei zuzusehen frustriert. Treffe einen alten Kumpel, mit dem ich noch auf LAN-Parties war. Diskutiere mit ihm über die guten Games und wir kommen irgendwie auf Portal. Wir beide stimmen zu, dass es wohl eines der besten Spiele ist die es gab und sicher in die Top 1000 aller Videospiele kommen wird. Mein Handy vibriert. Push-Nachricht von der Börse. Mein Geld verabschiedet sich schneller als die Qualität von Gamestudios nachdem sie von EA übernommen werden.
„Sag mal…Portal war doch gerade im Angebot auf Steam. Für 1.50. Du hast es doch gekauft, oder?“, frage ich. Neugier? Ich habe keine Anteile an Valve. Aber ich hab da so ein schlechtes Gefühl.
„Ne du, ich kaufe grundsätzlich keine Games, wenn möglich. Da sind sie aber selbst schuld, wenn sie so schlechte Games machen“
Ich presse die Lippen ein wenig zusammen. Eines der Besten Spiele ist nicht eineinhalb Kröten wert. Weniger wert als zwei Hamburger beim Fastfood-Restaurant nebenan. Er kann mir auch nicht erklären, wer „sie“ sind, welche er vorher erwähnte. So etwas wie Entwickler, Publisher, Distributionsplattform oder Marketingfirma fliessen ihm nicht aus dem Mund.
Die letzten Games, die er kaufte, sind entweder Spiele die man eigentlich nur Online Spielen kann oder Free-Games, bei denen massig Geld durch in-Game Purchases ausgegeben wird.
>>Nun zu meiner Meinung<<
(Glückwunsch, wenn du es bis hierher geschafft hast!)
Sowohl wir Gamer (und Raubkopierer) als auch die grossen Studios haben den Videospielmarkt kaputt gemacht. Wir haben da grosse Studios, die nur das Interesse der Aktionäre erfüllen wollen und Kopierschutzmechanismen einbauen, die den Computer vergewaltigen können, und es werden fast nur noch online-games hergestellt, weil sich die schlechter runterladen lassen. Der LAN-Modus wird weggeschnitten, weil sonst auch die Befürchtung von Downloads besteht. Der PC wird vernachlässigt. Warum? Weil dort am meisten runtergeladen wird. Das ist ein Fakt. Ein Indiestudio(!) hat am Veröffentlichungstag ihres Simulators selbst eine kopierte Version ins Netz gestellt, die allerdings nach Hause telefonierte. Das Spiel funktionierte einwandfrei, sie wollten lediglich wissen, wie viel runtergeladen wird.
Rund die Hälfte. Und dann sind das noch die Amateure, die ihre Firewall nicht geschlossen haben.
Rund die Hälfte der Zocker am Tag 1 haben sich das Game runtergeladen.
Mit all den LetsPlays auf Youtube und verschiedenen Review-Webseiten zieht auch der Grund „austesten“ bei mir nicht mehr so wirklich. Zumindest sicher nicht, wenn man mehr als 5 Stunden am Stück „testet“. Oder ein paar Jahre.
Ist es dann verwunderlich, dass Firmen wie EA behaupten, dass nur noch Shooter Gewinnbringend sind? Shooter, welche von der breiten Masse konsumiert werden, die nicht technikaffin ist? Mit Lootboxen Waffenskin und Rankingsystem und BuyIn-BonusEXP und all der ---?
Wir als Kunden haben die Wahl. Wir können auch nein sagen und das ist ok. Aber wenn wir nein zu einem Spiel sagen, weil wir die Firma nicht mögen, können wir auch nein zum Download sagen. Ansonsten sagen wir ja nicht nein zur Firma, nicht nein zum Game, sondern nein zum Prinzip Geld für Ware/Dienstleistung. Und Games kosten ja nichts mehr. Ehrlich. Ein paar Monate und man kriegt das Zeug in den Hintern geschoben. Hab mir Skyrim auch für 7 Öken gekauft. Und das war es Wert. Dadurch wird der Publisher nicht reich, dadurch werden die Aktionäre nicht reich.
Aber wir zeigen, was wir wollen. Vielfältige Games. Innovation. Und – schlussendlich – dadurch, dass wir selbst sie auch geben: Wertschätzung.
Und ja, Indiestudios sind cool. Aber ich will auch richtig gute AAA-Titel. Wie z.B. The Witcher.
Ich habe keine Aktien von EA, Ubisoft oder Activison-Blizzard. Das sind Firmen, die ich nicht wirklich mag. Ich halte ein paar wenige Aktien von Firmen, bei denen ich denke, dass sie Videospiele so sehr lieben, wie ich sie liebe.
Und täglich sehe ich Leute, die für 80 Stunden Spielspass weniger ausgeben wollen als sie betrunken für zwei eklige Fastfoodbrötchen ausgeben.
Sorry für den langen Beitrag. Ich hoffe, dass sich das Ökosystem der Videospiele bald bessert und wir Gamer (egal ob Raubkopierer oder nicht, in erster Linie sind wir Gamer) unser Hobby wieder selbst wertschätzen. Sodass auch die Gesellschaft unser Hobby anfängt wertzuschätzen und richtig gute Games auf unseren Rechnern landen.
Hmm. Was soll das werden? Es ist nur meine Meinung. Aber wieso habe ich das Bedürfnis, diese zu veröffentlichen? Heutzutage hat jeder eine Meinung (egal wie schlecht sie ist) und dank dem Internet veröffentlicht sie auch jeder (ja. Egal wie schlecht sie ist). Aber als Aktionär und Raubkopierer sind nun seit einigen Tagen Gedanken in meinem Kopf, die ich gerne teilen möchte. Dieser Beitrag (der explizit eine Meinung ist) soll auch nicht mit dem Finger auf eine Gruppe zeigen und ihr die Schuld an allem geben. Vielleicht ist es für jemanden ein Denkanstoss. Vielleicht ist es für mich die Verifikation, dass ich „alt“ bin und meine Ideale einfach nur falsch.
Wer nicht wissen will, wie meine Meinung zu Stande kommt, sondern sie direkt erfahren will, kann „Die frühen Jahre“ und „Das Internet gibt den Ton an“ überspringen und direkt zu „Der Zerfall der Werte“ springen.
>>Die frühen Jahre<<
Ganz am Anfang gabs für mich Piraterie noch nicht. Wie auch, ohne Internet und mit einer Welt die nach dem kleinen Dorf aufhörte zu existieren? Nicht mal die Games konnte ich selber auswählen, die wurden vom Vater geholt und waren dann auch für die ganze Familie. Ganz primitive Rally-Games. Frühe Kings-Quest Spiele. Nachher dann eine Flut von Spielen von Disney (welche in Retroperspektive erstaunlich gut waren, obwohl sie nur die jeweiligen Franchises melken sollten).
Als ich älter wurde, begann dann auch das Interesse an der technischeren Seite. Was passiert, wenn ich eine CD einfach irgendwo hin kopiere? Das war damals noch recht „heavy“, ein paar hundert MB auf die „Luxusfestplatte“ mit 8GB. Die meisten meiner damals „kopierten Spiele“ haben so natürlich nicht funktioniert
Gelegentlich wurden gebrauchte Spiele gekauft, die ein wenig…naja…suspekt wirkten. Das merkte man aber erst, als die Pakete zu Hause geöffnet wurden. Ebay und Konsorten waren damals nicht so erpicht auf Urheberrecht.
>>Das Internet gibt den Ton an (oder „The original Dubstep“?)<<
Wie es war, als das Internet zu uns ins Haus kam, da könnte ich wohl stundenlang reden. Es ist schon weird daran zu denken, dass ich zu einer Zeit lebte, bei der es absolut normal war, kein Internet zu haben, und in einer Zeit lebe, in der es absolut krank ist, kein Internet zu haben.
Mit dem Internet kam dann auch der eigene PC. OEM-PC. Der nach und nach ersetzt wurde, bis er dann wie Frankensteins Monster aussah, aber das ist eine andere Geschichte. Limewire hatte kurz die Ehre, meinen PC zu verseuchen, danach eMule. eMule war im deutschsprachigen Gebiet irgendwie das non-plus-ultra. Da hat man nach „Rollercoaster Tycoon“ gesucht und viele Ergebnisse gehabt. Viele der Files, die man lud, waren aber Gay-Porn, die einfach in ein Archiv gepackt wurde, das man dann „RollercoasterTycoonFull.zip“ nannte. Im besten Fall hat man zwar das gesuchte Game heruntergeladen, aber eine abgefuckte Sprache. Wie Spanisch oder Russisch. Als eher junge Person kann man kein spanisch oder russisch. Runterladen war aufwändig und ein Abenteuer.
DLC gab es nicht, bzw. es wurde AddOn genannt und war meistens sein Geld wert.
>>Der Zerfall der Werte<<
JDownloader läuft. Ich schaue traurig die Aktienkurse an. „Meinen“ Gameproduzenten geht es nicht gut. Sie fluchen über die Leute, die alles runterladen. Ich schaue in Foren. Leute fluchen über die bösen Spielehersteller mit ihrem Kopierschutz und ihrer DLC-Politik. Ich verlass das Haus, JDownloader muss noch ein wenig runterladen und die Aktienkurse müssen noch ein wenig absacken, da gibt’s nichts zu machen. Dabei zuzusehen frustriert. Treffe einen alten Kumpel, mit dem ich noch auf LAN-Parties war. Diskutiere mit ihm über die guten Games und wir kommen irgendwie auf Portal. Wir beide stimmen zu, dass es wohl eines der besten Spiele ist die es gab und sicher in die Top 1000 aller Videospiele kommen wird. Mein Handy vibriert. Push-Nachricht von der Börse. Mein Geld verabschiedet sich schneller als die Qualität von Gamestudios nachdem sie von EA übernommen werden.
„Sag mal…Portal war doch gerade im Angebot auf Steam. Für 1.50. Du hast es doch gekauft, oder?“, frage ich. Neugier? Ich habe keine Anteile an Valve. Aber ich hab da so ein schlechtes Gefühl.
„Ne du, ich kaufe grundsätzlich keine Games, wenn möglich. Da sind sie aber selbst schuld, wenn sie so schlechte Games machen“
Ich presse die Lippen ein wenig zusammen. Eines der Besten Spiele ist nicht eineinhalb Kröten wert. Weniger wert als zwei Hamburger beim Fastfood-Restaurant nebenan. Er kann mir auch nicht erklären, wer „sie“ sind, welche er vorher erwähnte. So etwas wie Entwickler, Publisher, Distributionsplattform oder Marketingfirma fliessen ihm nicht aus dem Mund.
Die letzten Games, die er kaufte, sind entweder Spiele die man eigentlich nur Online Spielen kann oder Free-Games, bei denen massig Geld durch in-Game Purchases ausgegeben wird.
>>Nun zu meiner Meinung<<
(Glückwunsch, wenn du es bis hierher geschafft hast!)
Sowohl wir Gamer (und Raubkopierer) als auch die grossen Studios haben den Videospielmarkt kaputt gemacht. Wir haben da grosse Studios, die nur das Interesse der Aktionäre erfüllen wollen und Kopierschutzmechanismen einbauen, die den Computer vergewaltigen können, und es werden fast nur noch online-games hergestellt, weil sich die schlechter runterladen lassen. Der LAN-Modus wird weggeschnitten, weil sonst auch die Befürchtung von Downloads besteht. Der PC wird vernachlässigt. Warum? Weil dort am meisten runtergeladen wird. Das ist ein Fakt. Ein Indiestudio(!) hat am Veröffentlichungstag ihres Simulators selbst eine kopierte Version ins Netz gestellt, die allerdings nach Hause telefonierte. Das Spiel funktionierte einwandfrei, sie wollten lediglich wissen, wie viel runtergeladen wird.
Rund die Hälfte. Und dann sind das noch die Amateure, die ihre Firewall nicht geschlossen haben.
Rund die Hälfte der Zocker am Tag 1 haben sich das Game runtergeladen.
Mit all den LetsPlays auf Youtube und verschiedenen Review-Webseiten zieht auch der Grund „austesten“ bei mir nicht mehr so wirklich. Zumindest sicher nicht, wenn man mehr als 5 Stunden am Stück „testet“. Oder ein paar Jahre.
Ist es dann verwunderlich, dass Firmen wie EA behaupten, dass nur noch Shooter Gewinnbringend sind? Shooter, welche von der breiten Masse konsumiert werden, die nicht technikaffin ist? Mit Lootboxen Waffenskin und Rankingsystem und BuyIn-BonusEXP und all der ---?
Wir als Kunden haben die Wahl. Wir können auch nein sagen und das ist ok. Aber wenn wir nein zu einem Spiel sagen, weil wir die Firma nicht mögen, können wir auch nein zum Download sagen. Ansonsten sagen wir ja nicht nein zur Firma, nicht nein zum Game, sondern nein zum Prinzip Geld für Ware/Dienstleistung. Und Games kosten ja nichts mehr. Ehrlich. Ein paar Monate und man kriegt das Zeug in den Hintern geschoben. Hab mir Skyrim auch für 7 Öken gekauft. Und das war es Wert. Dadurch wird der Publisher nicht reich, dadurch werden die Aktionäre nicht reich.
Aber wir zeigen, was wir wollen. Vielfältige Games. Innovation. Und – schlussendlich – dadurch, dass wir selbst sie auch geben: Wertschätzung.
Und ja, Indiestudios sind cool. Aber ich will auch richtig gute AAA-Titel. Wie z.B. The Witcher.
Ich habe keine Aktien von EA, Ubisoft oder Activison-Blizzard. Das sind Firmen, die ich nicht wirklich mag. Ich halte ein paar wenige Aktien von Firmen, bei denen ich denke, dass sie Videospiele so sehr lieben, wie ich sie liebe.
Und täglich sehe ich Leute, die für 80 Stunden Spielspass weniger ausgeben wollen als sie betrunken für zwei eklige Fastfoodbrötchen ausgeben.
Sorry für den langen Beitrag. Ich hoffe, dass sich das Ökosystem der Videospiele bald bessert und wir Gamer (egal ob Raubkopierer oder nicht, in erster Linie sind wir Gamer) unser Hobby wieder selbst wertschätzen. Sodass auch die Gesellschaft unser Hobby anfängt wertzuschätzen und richtig gute Games auf unseren Rechnern landen.