@Omega
Das ist viel zu kurz gedacht und entspricht ebenso wenig den Tatsachen wie die Annahme bei SV handele es sich um eine Liveübertragung.
Ich denke auch kaum, dass Google dies auch reiner Nächstenliebe gemacht hat. Sie wissen eigentlich aus den Erfahrungen aus anderen Ländern, dass die Aufnahmehöhe durchaus problematisch ist. In Jpan mussten sie z.B. einen Teil der Aufnahmen erneut durchführen. Die Tschechei hat weitere Aufnahmen für SV erst einmal gestoppt. Und auch Griechenland zeigt sich skeptisch. Aber wenn man deiner Argumentation folgen würde, wären das auch alles Idioten oder wie?
Google gibt letztendlich nur soweit nach wie sie müssen. Denn warum hat man sich nicht insgesammt auf eine niedrigere Aufnahmehöhe festgelegt, als man merkte, dass es viele stört. In Japan hat man es auf Druck der Regierung gemacht und musste sogar noch viel mehr Zugeständnisse machen. Man muss nun öffentlich bekannt geben wo und wann man die Aufnahmen durchführt. Und das nicht nur über das Internet sonder auch über Broschüren an die örtlichen Behörden und Einwohner. Und auch bei der zweitverwertung von Bildern, die Menschen in peinlichen und kuriosen Situationen zeigt, setzte die japanische Regierung ihre Vorstellungen durch. Google ist verpflichtet, wenn es sich dabei wirklich um Bilder handelt, die die betreffende Person diskreditieren könnten, den Administrator aufzufordern, die Bilder vom Netz zu nehmen. Tut er es nicht, wird die Seite von der Google-Suche blockiert.
Gerade den letzten Punkt halte ich für besonders wichtig. Allerdings stellt sich für mich die Frage, warum Google solche Möglichkeiten nicht auch in anderen Ländern anbietet. SV sollte doch nicht den Zweck haben Menschen zu verletzten oder zu diskreditieren. Von einem konzern der sich das Motto "Don´t be evil" groß auf die Fahne schreibt, würde ich ein solches Handeln erwarten. Aber so denkt man eher an das Zitat von Eric Schmidt ""Wer etwas tun will, von dem andere nichts erfahren sollten, möge es besser gleich bleiben lassen"
Und kommen wir nun zu einem weiteren Punkt. Google hat jedem das Recht eingeräumt, die Fassade seines Wohnhauses unkenntlich machen zu lassen. Scheinbar hat man den den Protest ernst genommen und sich dabei auf das eigene Credo "Don´t be evil" besonnen. Auch wenn man dazu rechtlich nicht unbedingt dazu verpflichtet gewesen wäre (obwohl ich immer noch denke, dass die Aufnahmehöhe rechtlich ein Problem darstellen könnte). Soweit so gut. Nun lässt es Google allerdings zu, dass gleich nach dem Start in Deutschland die Bilder über Panoramio hochgeladen und verlinkt werden. Von einem Konzern, der die Proteste und die Menschen wirklich ernst nimmt, erwarte ich zumindestens dass er bereit ist, in irgendeiner Form zu prüfen, ob das überhaupt im Sinne des Betroffenen ist. Aber dadurch, dass Google hier scheinbar gar keinen Handlungsbedarf sieht, polarisiert man letztendlich weiter. Auch hier hätte ich von Google ein anderes Problembewusstsein erwartet.
Und an dieser Stelle sollte man vielleicht noch einmal erwähnen, dass die Bewertung von SV eben nicht so einfach ist, wie viele sich das vorstellen. Das gilt allerdings für beide Seiten. Wir haben es bei Streetview durch Flächendeckung, Automatisierung, Aufnahmehöhe und Verknüpfung mit potenziell personenbeziehbaren Geodaten sowie der Marktmacht von Google mit einer neuen Qualität der Datenerhebung und -verknüpfung zu tun. Dies ist zwar ersteinmal durch die Panoramafreiheit gedeckt, aber dantenschutzrechtlich nicht unbedingt unproblematisch. Hier handelt es sich zwar nur um eine Momentaufnahme, aber auch daraus ergeben sich Probleme, nicht nur datenschutzrechtlich. Denn diese Momentaufnahme eines eher flüchtigen Augenblicks (den der Betrachter, der es live miterlebt in der regel bereits nach wenigen minuten wieder vergessen hat), hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Und eben dieser bleibende Eindruck von Google nicht aktualisiert wird, muss nicht Deckungsgleich mit der Realität sein bzw kann sie erheblich verfäschen. Ein Beispiel dazu. Ich räume gerade meine Wohnung aus, weil ich sie z.B. grundlegend renovieren möchte. Das Iinventar wird auch erneuert. Also wird ersteinmal alles vor das Haus gestellt, damit es von der Müllabfuhr abgeholt werden kann. Die Momentaufnahme zeigt ein Haus vor dem sich der Müll stapelt. Unreflektiert entsteht schnell ein negativer Eindruck. Gut dieses Bild ist dann bei SV zu sehen. Einige zeit später möchte ich das Haus aber verkaufen. Dann wäre man ja schon fast gezwungen, das Haus erneut zu fotografieren und die Bilder hochzuladen. Vor SV hätte ich mir gar keine Gedanken darüber machen müssen. Das sind Detailfragen, zugegeben, aber sie zeigen das Problrem auf, dass obwohl die Bilder zurzeit durch die Panoramafreiheit gedeckt sind, entsteht durch die flächendeckende Erfassung, der monopolähnlichen Stellung von Google (die eine viel größere Verbreitung als z.B. Sigtwalk garantiert) doch eine ganz andere Qualität, die sich mit der geltenden Rechtssprechung erst gar nicht erfassen lässt.
Diese Aspekte und die zum teil datenschutzrechtlichen Bedenken sollte man nicht kleinreden. Andererseits sollte man die Panoramafreiheit nicht außer acht lassen.
Zugespitzt lässt sich sagen, dass die Gegner ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung in den Vordergrund stellen, aber die Panoramafreiheit außer acht lassen. Die Befürworter berufen sich auf die Panoramafreiheit ignorieren aber weitgehend datenschutzrechtliche Fragen und Bedenken. Stempeln Gegner als fortschrittsfeindlich und paranoid ab. So wird das aber nichts. Eine zielführende Diskussion ist nicht möglich, wenn es nur darum geht Partikularinteressen zu wahren. Was an der Stelle fehlt, ist eine breite und sachbezogene Diskussion über Datenschutz und Panoramafreiheit. Beides muss sich nicht ausschließen. Wie das Beispiel Japan zeigt, gibt es durchaus Lösungen die nicht polarisieren sondern eher versöhnen und einen gesellschaftlichen Konsens schaffen. Aber darüber hinaus kommt man schnell zu Fragen, die eher systemkritischer Natur sind und aufzeigen wie unzureichend und veraltet unsere geltende Gesetzeslage hinsichtlich der Entwicklung ist, die das Web 2.0 sowie die staatliche und private Datensammelwut mit sich bringen. Aber das wäre ein sehr weitreichendes Thema und eine ziemlich anstrengende Diskussion.
Für dienste wie SV sollte es eine klare gesetzliche regelung geben, die Datenschutz und Panoramafreiheit gleichermaßen berücksichtigt. Die oben genannten Lösungen aus Japan wären meiner Meinung nach ein guter Anfang. Obwohl ich mir noch ein Zentralregister wünschen würde, bei dem die Widersprüche und Änderungswünsche gesammelt werden und man einem Konzern nicht unnötig mehr Daten liefert. Darüber hinaus sollte es die Möglichkeit geben, das unkenntlich gemachte Haus wieder "sichtbar" zu machen. Denn im Falle eines Umzuges sollte zumindestens der Nachmieter / Käufer, Mie möglichkeit haben, dass ihr Haus bei SV zu sehen ist. Auch das gehört zur informationellen Selbstbestimmung. Zu Diskutieren wäre auch die Frage wie man mit Mehrfamilienhäusern umzugehen hat. Eine gesetzliche Regelung, die nicht nur restriktiv ist, würde nicht nur Rechtssicherheit für alle Beteiligte schaffen, sondern auch einen gesellschaftlichen Konsens.